Katastrophe Bildung

Im Bildungssystem krankt es an allen Ecken – doch von der Politik sind keine Verbesserungen zu erwarten.
Sebastian Kugler

Jedes Jahr wird zu Schul- und Unibeginn die Krise der Bildungspolitik deutlicher sichtbar. Die etablierten Parteien versuchen, weiterzuwurschteln, während das Bildungssystem im Chaos versinkt. Es fehlt an allen Ecken und Enden – und ernstzunehmende Verbesserungen sind von Politik und Wirtschaft nicht zu erwarten.

Die Krise des Bildungssystems beginnt nicht erst bei unterfinanzierten Unis oder chaotischen Schulen. Der Entwicklung von Kindern werden schon von Anfang an Steine in den Weg gelegt. Es fehlt an Krippen und Kindergärten. Nur 15,8% der unter 3-Jährigen haben einen Krippenplatz. Laut AK müssen innerhalb der nächsten zwei Jahre 35.000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden, um den Bedarf annähernd zu decken. In den Einrichtungen gibt es meist Betreuungsschlüssel von 1 zu 15 (also einE PädagogIn pro 15 Kinder) oder höher. So ist es unmöglich, sich genügend um die Entwicklung der einzelnen Kinder zu kümmern. Dazu verdienen KindergärnterInnen magere 1000€ - Ein/e ManagerIn verdient in Österreich durchschnittlich das 15-fache.

In den Schulen setzt sich die Bildungskatastrophe fort. Wer in der Volksschule nicht nur Einser hat, bekommt Probleme bei der Bewerbung fürs Gymnasium. Selektion in der Bildung ist soziale Selektion. Das „Weißbuch des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung“ muss zugeben: „Das österreichische Bildungssystem erweist sich auf Grund seiner frühen Selektion und mangelnden Durchlässigkeit als wenig flexibel und stark aufstiegshindernd.“ Wer auf die AHS darf, entscheidet meist der soziale Status: Je nach Region schwanken die Übertrittszahlen von Volksschule auf AHS zwischen 1% in armen und 70% in reichen Bezirken. Ein AkademikerInnenkind hat eine drei mal höhere Chance als ein ArbeiterInnenkind, an die Uni zu kommen. Heute erreicht nur ein Viertel der SchülerInnen einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern.

Wer das Glück hat, eine Lehrstelle zu finden, lernt nicht das, was ihn/sie interessiert – Sondern das, was da ist. Heute gibt es ein Drittel weniger Lehrstellen als 1980. Die Hälfte aller Lehrlinge müssen neben der Berufsschule Überstunden schieben, 14,8% der Lehrlinge sogar bis zu 15 Überstunden pro Monat. Lehrlinge werden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet und, wenn sie nichts mehr bringen, entsorgt. Im Tourismus werden 40% der Lehrlinge nach der Probezeit gekündigt. Zusätzlich cashen die Unternehmen durch Förderungen wie den „Blum-Bonus“ ab.

Wer es an die Uni schafft, erreicht dort aber nach all den Strapazen nicht das Paradies der freien Bildung: Die Situation an Universitäten ist die konsequente Fortsetzung der Bildungskatastrophe auf allen Ebenen. „Überfüllte“ Studiengänge sind die Folge von fataler Unterfinanzierung und Personalmangel. Und die Zeit, in der ein Studium einen fixen Job bedeutet hat, sind vorbei – Im Standard.at Forum schrieb jemand zynisch, er freue sich über all die TaxifahrerInnen mit psychologischer Ausbildung. 62% der Studierenden müssen arbeiten, um sich ihr Studium zu finanzieren.

Das Establishment, seine „Bildungs“ministerInnen und „ExpertInnen“ haben kläglich versagt. In der Bildungsdiskussion kommen die wahren ExpertInnen - SchülerInnen, Lehrlinge, Studierende, Lehrende... nicht zu Wort. Überall wird bereits von einem heißen Herbst geredet. Höchste Zeit, dass wir uns gemeinsam durch Proteste und Streiks in die Diskussion einmischen, denn wer kann besser sagen, was das Bildungssystem braucht, als die, die direkt damit zu tun haben?

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