Kasachstan: Wir sind keine Rowdys – die Regierung muss zurücktreten

Dieser Artikel besteht aus den letzten Tickereinträgen vom 18.12. von CWI-ReporterInnen in Russland und Kasachstan.

Eine Videobotschaft (englischsprachig) des Europaabgeordneten Paul Murphy (CWI Irland) an die streikenden ÖlarbeiterInnen gibt es auf der Website von Campaign Kazakhstan.

18.12 23:05 UPDATE: ArbeiterInnen werden gefoltert!!

Laut Berichten der Öffentlichen Kommission zur Untersuchung der blutigen Ereignisse vom 16. und 17. Dezember in Aktau werden junge ArbeiterInnen von „OzenMunaiGas“ die in Schanaosen verhaftet wurden draußen im Hof des Untersuchungsgefängnisses mit Wasser übergossen – bei einer Temperatus von -17°C. Die Folterer verlangen von den ArbeiterInnen, Vandalismus zu gestehen und gegen ihre FreundInnen auszusagen. Diese Nazimethoden müssen gestoppt werden.

Tausende PolizistInnen, Truppen des Innenministeriums und 1500 Marinesoldaten mit modernen Waffen und Panzerfahrzeugen haben immer noch nicht geschafft, die ÖlarbeiterInnen in Westkasachstan zu besiegen.

Update 18.12. 22:35

Unbekannte fahren in schwarzen Jeeps durch Schanaosen und schießen auf PassantInnen – gestern wurden so über 20 Menschen verletzt. Heute haben offenbar Gangs in weißen Jeeps versucht, ArbeiteraktivistInnen zu jagen. Aber unglaublicherweise haben die ArbeiterInnen trotz des Terrors in der Stadt geschafft eine Demonstration auf dem zentralen Platz zu veranstalten, bei der sie weiße Tücher mit dem Wort „Frieden“ hochhielten.

In Aktau sind die Dinge etwas einfacher, über 1000 ArbeiterInnen konnten im Stadtzentrum demonstrieren. Auf ihren Transparenten stand „Wir sind keine Rowdys!“ und „Die Regierung muss zurücktreten“. Laut Berichten von dort haben die ArbeiterInnen den Rückzug der Truppen aus Schanaosen gefordert und hielten Plakate mit der Aufforderungen an die Polizei, „keine Leute zu erschießen“. Viele DemonstrantInnen sind jung – sie zeigen keine Angst. Obwohl die Bereitschaftspolizei mit automatischen Waffen und Gas ausgerüstet ist, marschieren die Protestierenden auf sie zu und fordern den Rücktritt von Nasarbajew.

Eine Delegation aus Schepte beteiligte sich an der Demonstration. Dort gab es gestern eine erbitterte Schlacht um die Hauptbahnlinie, bei der ein Arbeiter starb und dreizehn weitere verletzt wurden. Berichten zufolge gehen die Kämpfe weiter. Die unabhängige Gewerkschaft „Aktau“ hat eine öffentliche Untersuchungskommission gebildet um die Anzahl der Toten zu ermitteln, drei offizielle Trauertage und die Bestrafung der Verantwortlichen zu erreichen.

Für JournalistInnen in der Region ist die Arbeit schwierig. Einer Gruppe JournalistInnen die aus Moskau einfliegen wollten wurde der Flug gestrichen. Vier russische JournalistInnen die es nach Schanaosen geschafft hatten wurden im Stadtzentrum verhaftet. Murat Tungischbajew war in Schepte, wo ihn die Polizei verhaftete und mit vorgehaltener Waffe zwang, seine Kamera herauszugeben. Aber auch wenn Fotos vielleicht besser sind als Worte, konnte er sich ein deutliches Bild von den Ereignissen machen. Nach seinen Angaben steht die Ölproduktion in der ganzen Region still.

Die Regierung verbreitet verständlicherweise immer noch Desinformation. Gestern hat sie behauptet, die Streikenden hätten ein Kinderkonzert angegriffen und einen Weihnachtsbaum angezündet (der Baum brannte nach den Schüssen ab). Heute behaupten einige Regierungsvertreter, dass in Wirklichkeit kaum ÖlarbeiterInnen an der ersten Konfrontation beteiligt gewesen seien und das Gruppen von Banditen den Platz besetzt hätten. Aber sogar ein Polizeivideo, das auf einer Pressekonferenz des Innenministeriums in Astana gezeigt wurde zeigt deutlich, dass sich ÖlarbeiterInnen und UnterstützerInnen friedlich auf dem Platz versammelt hatten, und obwohl es sehr kleine Rangeleien gab hatten die ÖlarbeiterInnen ihre UnterstützerInnen unter Kontrolle. Nach 3 Minuten zeigt das Video deutlich Soldaten oder Polizisten, die in Formation die Straße entlangmarschieren und man hört zahlreiche Schüsse, als sie das Feuer eröffnen. Das Video ist hier zu sehen.

Jetzt beteiligen sich auch andere Kräfte an Verleumdungen und Angriffen auf die Streikenden. Die offiziellen, vom Staat kontrollierten Gewerkschaften in Kasachstan haben die Streikenden angegriffen und sagen: „Alle Meinungsverschiedenheiten sollten am Verhandlungstisch gelöst werden und nicht auf der Straße.“ Das sagen sie nach einem achtmonatigen Streik in dem ernsthafte Verhandlungen eine der wichtigsten Forderungen der ArbeiterInnen waren und ihnen mit Repression, Gewalt und der Inhaftierung ihrer Anwältin für sechs Jahre begegnet wurde.

Auch auf internationaler Ebene beleidigen einige FunktionärInnen der Gewerkschaftsbewegung die ArbeiterInnen. Boris Kravtschenko, Vorsitzender der Konföderation der Arbeit Russlands und selbst ein Medium des Beraterstabs von Präsident Medwedew, hat gegen die Gewaltanwendung gegen ArbeiterInnen protestiert, aber zusätzlich behauptet, dass obwohl die Verantwortung für das Blutvergießen bei der Regierung liege, „diese politischen Spekulanten“ ebenso verantwortlich seien, „sogenannte „Komitees“ und „Internationalen“ die die Proteste der ArbeiterInnen benutzen um ihre eigenen politischen Forderungen durchzusetzen und mit ihren provokativen Aktionen die Behörden zu gewaltsamen Maßnahmen treiben“. who use the workers protests to push their own political demands, their provocative actions which push the authorities to use violent measures”.

Einige linken Gruppen sind nicht besser. Eine Berichtete freudig über einen Anruf aus Zhanaozen, in dem ein Zeuge erzählte, wie sich die ArbeiterInnen anscheinend versammeln würden um den 20. Jahrestag der Unabhängigkeit zu feiern. Das behaupten sie, obwohl vor dem 16.12. die Massenversammlung auf dem Platz das Ergebnis von 20 Jahren Unabhängigkeit beschrieben hat, in denen „die Herrschenden den gewöhnlichen Leuten die Freiheit geraubt und unseren ganzen Wohlstand für sich gestohlen haben... Seit 20 Jahren belügen uns die Herrschenden, versprechen uns das gute Leben aber berauben uns immer und immer wieder.“ Eine andere linke Website versucht von der Schuld Nasarbajews abzulenken indem sie behauptet, der kasachische Oligarch Ablyazov, der in London lebt habe den Konflikt provoziert, um eine Orange Revolution auszulösen. Noch eine dritte linke Seite kritisiert die ÖlarbeiterInnen, weil sie „unter dem Einfluss des CWI“ politische Forderungen wie „Verstaatlichung“ aufgestellt hätten. In Wahrheit haben die ÖlarbeiterInnen diese Forderung unabhängig vom CWI erhoben. Zweifellos dürfen sie dann auch nicht den „Rücktritt der Regierung“ fordern.

Es ist Bemerkenswert, dass die ÖlarbeiterInnen trotz des Zynismus und der Verleumdungen ihrer sogenannten Freunde durch ihre eigene Erfahrung politisiert werden. Unabhängig vom Ergebnis dieses brutalen Konflikts, für den vollständig die Regierung und Unternehmer verantwortlich sind, bedeuten diese Ereignisse eine neue Stufe der Entwicklung der ArbeiterInnenbewegung in ganz Kasachstan.

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