Kasachischer Gewerkschafter und Sozialist in Wien

International gegen Multis und Kapital!
Laura Rafetseder

Ionur Kurmanov ist Gewerkschafter, Mitglied des ‚Komitee für eine ArbeiterInnen-Internationale' (CWI) und Streikführer aus Kasachstan. Aufgrund seiner politischen Tätigkeit und seiner Opposition zum Regime Nazarbayev verbrachte er bereits 7 Monate im Gefängnis, davon 52 Tage im Hungerstreik.

Laura Rafetseder sprach für das Vorwärts mit Ionur Kurmanov über seine politische Arbeit.

Vorwärts: Kasachstan ist der zweitgrößte Staat der ehemaligen UdSSR. Kannst du uns einen Eindruck über die dortige politische und soziale Lage geben?

Ionur: Kasachstan ist eines der Länder, in der die kapitalistische Restauration am weitesten fortgeschritten ist. 90% der Industrie und Rohstoffressourcen befinden sich in den Händen multinationaler Konzerne und jenem Teil der alten stalinistischen Bürokratie um Präsident Nazarbayev, die nun die herrschende Klasse in Kasachstan darstellen. Nazarbayev konzentriert fast die gesamte Staatsmacht in seinen Händen. Er verabschiedet Gesetze, ernennt Richter und Bürgermeister. Er hat in 10 Jahren zweimal eigenmächtig die Verfassung geändert und zwei Parlamente gefeuert. Nazarbayev hat dabei keine Zeit verloren, dem Neoliberalismus Tür und Tor zu öffnen. Die Auswirkungen für die arbeitende Bevölkerung sind katastrophal. Die Menschen haben keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung, da die Infrastruktur privatisiert wurde. Und im ganzen Land herrscht Wohnungsnot und Mietwucher.

V: Welche Maßnahmen wurden durchgeführt?

I.K.: Auf Druck von IWF und Weltbank kam es unter anderem zu Verschlechterungen im Sozialwesen. Das Pensionsalter wurde auf 65 angehoben, Bildung und Gesundheitswesen privatisiert, ebenso wie Rohstoffvorkommen und Industrie. Es kam zu Verschlechterungen im Arbeitsrecht aber besonders bei Gewerkschafts- und Organisationsrechten. Es ist beinahe unmöglich Streiks auf legaler Basis durchzuführen und der Aufbau unabhängiger Gewerkschaften ist mit massiver Repression durch das Regime verbunden. Umso notwendiger ist es, das zu tun.

V: Was heißt das für deine Arbeit als Gewerkschafter? Wie ist dieser Aufbau trotz Repressionen möglich?

I.K.: Ich bin Mitglied der "ArbeiterInnenbewegung Solidarität" (AS), die seit Ende der 80er Jahre als unabhängiges Bündnis linker Gewerkschafter existiert. Wir waren im Laufe der 90er an mehreren hundert Streiks und Streikkomitees beteiligt, hauptsächlich gegen Privatisierung und deren Auswirkungen. Zur Zeit haben wir rund 6000 Mitglieder. Wir hatten nicht nur gegen das Regime sondern auch gegen die Gewerkschaftsführung zu kämpfen. "Metallist" in Uralsk, die Fabrik in der ich arbeite, sollte 1999 geschlossen werden. Da die Gewerkschaftsführung der Privatisierungspolitik Nazarbayevs und der damit verbundenen Schließung von Betrieben nichts entgegenzusetzen hatte, haben wir selbst ein Streikkomitee organisiert. Wir haben einen 6-monatigen Streik initiiert, die Fabrik besetzt, alle Tore mit Streikposten kontrolliert, Straßen blockiert und Demonstrationen organisiert. Neben Zugeständnissen des Regimes, haben wir unter anderem verhindert, dass Maschinen abtransportiert wurden. Ergebnis dieses Streiks war auch, dass die Führung meiner Gewerkschaft neu gewählt und durch eine kämpferische Führung ersetzt wurde. Ein weiterer Ausfluss war die Wahl eines linken Bündnisses aus AktivistInnen, linken Teilen der KP und der AS in den Stadtrat in Uralsk, wo wir 12 von 20 Stadträten stellen. Wir haben unter anderem die Erhöhung der Mieten gestoppt indem wir eine Obergrenze angesetzt haben, bei der die Mieten 20% des Einkommens nicht überschreiten dürfen. Für Mieten die diese Grenze übersteigen haben wir eine Wohnbeihilfe eingeführt, die aus der Besteuerung der großen Konzerne finanziert wird. Wir haben auch Unternehmen, die davor steuerfrei Profite machen durften, besteuert.

V: Du warst auch in Gefangenschaft?

I.K.: Ja, 1997, im Zuge des sogenannten "Eisenbahnkriegs", bei dem wir die Bahnen wegen der ausstehenden Löhne und der nichtleistbaren Mieten blockiert haben. Zwei Aktivisten und ich wurden vor Gericht gestellt. Wir haben u.a. Flugblätter verteilt, die dem Regime nicht genehm waren. Es war klar, dass die Regierung ein Exempel statuieren wollten. Sergej Kolokov, der mit mir inhaftiert war, ist ein Jahr später an den Folgen einer in der Haft erlittenen Niereninfektion gestorben. Die AS hat in dieser Zeit mit dem KAI/CWI eine internationale Kampagne zu unserer Verteidigung organisiert. Es gab Proteste und Solidaritätsbriefe aus 80 Ländern von über 100 Organisationen. Deswegen sind wir 1998 freigekommen. Wir waren aber nicht die einzigen, die aufgrund politischer Aktivitäten festgenommen wurden. Willkürliche Verhaftungen sind in Kasachstan an der Tagesordnung. Zur Zeit laufen 7 Prozesse gegen Mitglieder der Bergarbeitergewerkschaft in Karaganda.

V: Was war Deiner Meinung nach bei den Veranstaltungen mit Dir hier die wichtigste Botschaft?

I.K.: Wir sagen nicht nur, dass es notwendig ist, internationale Solidaritätskampagnen durchzuführen, sondern auch, dass die Ursachen der Situation in Kasachstan, das Wildern des Kapitalismus und der Multis in den ehemaligen stalinistischen Staaten nur auf internationaler Ebene bekämpft werden können.

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