Kampf der sexuellen Gewalt

Der Widerstand gegen sexuelle Gewalt muss die Ursache, nicht nur das Symptom bekämpfen!
Sonja Grusch

Jede Frau wird Opfer sexueller Gewalt – in Form dummer Sprüche, nerviger Werbung oder schlimmer, von handfesten Grapschern bis hin zur Vergewaltigung. Der Wunsch, nicht mehr auf einen Körper und seine Verfügbarkeit reduziert zu werden und selbst über den eigenen Körper und die eigene Sexualität bestimmen zu können ist ein starkes Motiv und steht daher auch oft am Beginn von politischer Aktivität. Starke Frauen aus Kultur und Literatur (Pipi Landstrumpf, Rote Zora, Katniss Everdeen, aber auch Pussy Riot), der ArbeiterInnenbewegung (Rosa Luxemburg, Clara Zetkin), dem Widerstand (Spanienkämpferinnen, Partisaninnen) und verschiedenen Ländern (Phoolan Devi, Malala) haben Vorbildwirkung. Aus Indien gibt es nicht nur Berichte über die brutalen Massenvergewaltigungen, sondern auch über die „Roten Brigaden“. Sie sind eine wachsende Gruppe von v.a. Schülerinnen, die das Thema sexuelle Belästigung und Gewalt offen thematisieren und versuchen, offensiv dagegen vorzugehen. Selbstverteidigung ist ein Schutz gegen sexuelle Gewalt. Die SLP fordert, dass Selbstverteidigungstechniken ein fixer Bestandteil des Turnunterrichtes in allen Schulstufen werden.

Überall auf der Welt greifen die Schwesterorganisationen der SLP das Thema Sexismus auf. Als 2011 nach der Aussage eines Polizisten in Toronto, dass „Frauen vermeiden sollten, sich wie Schlampen anzuziehen, um nicht zum Opfer zu werden“ es weltweit zu Slutwalks kam, waren Mitglieder des CWI dabei. Gegen das Barbie Dreamhouse in Berlin waren u.a. SozialistInnen vom Rosa Reloaded (Blog zu Geschlechterpolitik des CWI-Deutschland) aktiv. Die Kampagne war ein Aufschrei gegen die von Werbe- und Spielzeugindustrie propagierten Rollenklischees und erreichte nicht nur eine enorme Öffentlichkeit, sondern auch, dass das Alb-Traumhaus fünf Wochen früher als geplant schließen musste. Viele v.a. junge Frauen, aber auch Männer, hatten gemeinsam eine kämpferische Kampagne geführt. Der gemeinsame Kampf von Frauen und Männern gegen Sexismus ist nicht selbstverständlich. Weder für die Betroffenen selbst, noch für linke Organisationen. Doch wer Sexismus als Bestandteil der Klassengesellschaft und nicht als biologisch vorherbestimmtes Verhalten begreift versteht auch, dass der Kampf gegen Sexismus letztlich ein gemeinsamer sein muss.

Für uns ist daher immer wichtig, Kampagnen zu „Frauenthemen“ in z.B. die Gewerkschaften hineinzutragen. Anfang der 1990er Jahre gründete die britische Schwesterorganisation der SLP die Kampagne gegen Häusliche Gewalt (Campaign Against Domestic Violence – CADV). Ein Erfolg von CADV war es auch zu erreichen, dass heute häusliche Gewalt von allen wichtigen Gewerkschaften als zentrales Thema verstanden wird. Der Kampf um die maximal mögliche Einheit der ArbeiterInnenklasse bedeutet nicht, die spezielle Unterdrückung von Frauen unter den Teppich zu kehren, sondern bedeutet, die gesamte ArbeiterInnenbewegung zu überzeugen, das Thema ernsthaft aufzugreifen.

In Irland haben die AktivistInnen der Socialist Party Proteste gegen den von der Studierendenvertretung UCDSU veranstalteten Schönheitswettbewerb (Miss UCD) organisiert. Auch in Indien hatte die New Socialist Alternative 1996 gegen die Miss-World-Wahl Aktionen durchgeführt. In der aktuellen Bewegung gegen Vergewaltigungen in Indien fordern sie u.a. den Aufbau von Verteidigungskomitees unter Beteiligung von Gewerkschaften, Community-Organisationen und anderen fortschrittlichen Organisationen. In Britannien gibt es die Kampagne „Rape is no joke“ gegen die Verharmlosung von sexueller Gewalt in „Witzen“. Doch auch hier ist die Verbindung mit sozialen Themen zentral. Wie auch in Brasilien, wo im letzten Herbst über zweitausend Frauen an einem Treffen der „Bewegung der Frauen im Kampf“ teilgenommen haben - auch ein Ergebnis der Tatsache, dass die Mehrheit der TeilnehmerInnen bei den Protesten im Sommer 2013 sowie bei den LehrerInnenprotesten Frauen waren.

Im Zuge der Wirtschaftskrise sind Frauen die ersten Opfer der sich verschlechternden sozialen Situation. Direkt durch den Verlust von Jobs und Sozialleistungen. Aber auch indirekt durch den Rückschlag, den es in Bezug auf das Frauenbild gibt. Das vorherrschende Frauenbild ist – frei nach Marx – immer das Frauenbild der herrschenden Klasse. Und in Krisenzeiten braucht sie die Frau weniger als Arbeitskraft im Erwerbsleben und mehr als kostenlose Arbeitskraft in Haushalt und Familie. Dieses Bild erfährt daher auch nicht zufällig eine Renaissance. Und ein Teil davon ist es Frauen „klar zu machen“, dass wir auf dem zugeteilten Platz bleiben sollen. Wenn nötig auch mit Gewalt. Die Normalisierung von Gewalt gegen Frauen in Medien und Kultur folgt also nicht bloß einer Nachfrage auf dem Markt, sondern erfüllt eine aus Sicht der Herrschenden notwendige disziplinierende Aufgabe.

Der Kampf gegen Sexismus muss daher immer auch mit dem Kampf gegen das Gesellschaftssystem verbunden werden, das ein Interesse an der kostenlosen Arbeit von Frauen, ihrer systematischen Unterdrückung und einer Spaltung der ArbeiterInnenklasse hat. Denn - frei nach Malcolm X: Es gibt keinen Kapitalismus ohne Sexismus.

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