Jugendliche kriegen die Krise

Bildungsabbau, Jugendarbeitslosigkeit, prekäre Jobs: Die Krise trifft Jugendliche besonders.
Tilman M. Ruster

Die Radikalität eines sozialen Problems lässt sich oft daran erkennen, dass selbst eingefleischt konservative Zeitungen es nicht mehr leugnen. So titelte „Die Presse“ am 22.5.2012: „Europa droht verlorene Generation“. Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit werden schlimmer und deutlicher. Seit 2011 stieg die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in der EU um 303.000 auf 5,5 Millionen. Damit beträgt die Jugendarbeitslosigkeit in der EU offiziell unglaubliche 22,6% - Tendenz steigend.

In Österreich sind offiziell 10% der unter 25 Jährigen ohne Job. Das ist zwar unter dem Durchschnitt, bedeutet aber keineswegs, dass Österreich ein Paradies für Jugendliche wäre: 64% der Studierenden in Österreich leben unterhalb der Armutsgrenze. So liegt die Abbruchquote an der Uni Wien bei ca. 20%. Mit der Wiedereinführung von Studiengebühren wird sich das noch verschlimmern. Viele hoffen, durch Bildung bessere Chancen auf einen echten Job zu haben. Entsprechend steigen auch die Studierendenzahlen beständig. Die Unis waren immer schon knapp finanziert, mit dem Ansturm auf viele Studiengänge sind sie jetzt völlig überfordert. Daher versuchen sie die Studierenden raus zu ekeln: Mit „Knock-Out“ Prüfungen und übervollen Lehrplänen besonders in den ersten Semestern wird versucht, die Studierendenzahl zu verringern.

Auch wer eine Ausbildung machen will ist oft nicht besser dran: Es herrscht akuter Lehrstellenmangel. Ganze 700 Lehrstellen vergibt die Stadt Wien 2012 – Bereits jetzt können „leider keine Bewerbungen mehr angenommen werden“. Da Ausbildungsplätze knapp sind müssen viele einfach irgendeine Ausbildung machen, auch wenn sie eigentlich immer etwas ganz anderes machen wollten. In vielen Betrieben kommt die Ausbildung zu kurz: Lehrlinge werden als billige Arbeitskraft missbraucht. Viele UnternehmerInnen erwarten als „Dankeschön“ für die Ausbildungsstelle unbezahlte Überstunden, Übernahmen werden dafür seltener, der Bund hat einen Aufnahme (=Übernahme-)stopp.

Während an den Schulen aus Geldmangel die Klassengrößen steigen und zu wenig Material vorhanden ist bekommen Kinder aus reicheren Verhältnissen eine ausgezeichnete Ausbildung an Privatschulen. Gleichzeitig werden im Zuge des Sparpakets öffentliche Schulen geschlossen: Alleine in der Steiermark sollen 36 Volksschulen, zwei Hauptschulen und drei an Hauptschulen angeschlossene polytechnische Klassen geschlossen werden.

Die alte Formel „Wer eine gute Ausbildung hat, wird später einmal gut verdienen“ stimmt längst nicht mehr. Auch wenn in der Krise in Österreich bislang wenige Leute entlassen wurden, stellen viele Betriebe weniger ein. Die Chancen auf einen Job der der Ausbildung entspricht sind entsprechend klein. Wer einen Job hat, jobbt prekär. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO warnt in ihrer neuen Studie genau vor diesem Phänomen: Mittlerweile liegt die Teilzeitquote in der EU bei 30%. Aussichten auf sichere Jobs gibt es selbst in den Ländern, die noch nicht so hart von der Krise getroffen wurden, kaum: In Deutschland sind mittlerweile 80% der Arbeitsverhältnisse für Jugendliche befristet. Kein Wunder, wenn junge Frauen in Umfragen oft angeben Hausfrau werden zu wollen. Das ist kein „Neokonservatismus“ sondern die Konsequenz aus der Perspektivlosigkeit im Berufsleben.

Anlass für Widerstand gibt es also genug, auch in Österreich. Aber warum findet aktuell so wenig davon statt? Stimmt es, dass die Jugend unpolitisch und unsolidarisch ist? Was braucht es für einen erfolgreichen Kampf für unsere Zukunft? Dieser Vorwärts-Schwerpunkt versucht, darauf eine Antwort zu geben.

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