Italien: Welche Zukunft hat die Rifondazione Comunista (PRC)?

Peter Taaffe, CWI-England&Wales

Bei seinem jüngsten Besuch in Italien hat Peter Taaffe gemeinsam mit anderen Mitgliedern des CWI mit ArbeiterInnen und AktivistInnen der italienischen ArbeiterInnenbewegung die Perspektiven für die Zukunft der Rifondazione Comunista (PRC) diskutiert.

Seit ihrer Gründung 1991 war die Rifondazione Comunista (PRC) ein Bezugspunkt und ein Hoffnungsschimmer nicht nur für die italienische ArbeiterInnenklasse sondern für ArbeiterInnen in ganz Europa.

Ursprünglich entstand sie als Ausdruck einer massenhaften linken Reaktion von italienischen ArbeiterInnen gegen den Rechtsruck der Führung der ehemaligen Kommunistischen Partei, die ihren Namen in „Demokratische Linke“ (DS) änderte.

Die PRC vollzog einen Schwung nach links, verteidigte Sozialismus und „Kommunismus“ und Fausto Bertinotti, ihr Anführer sei 1994, setzte auf sehr radikale, sozialistische und marxistische Rhetorik. Die Partei entwickelte was MarxistInnen „zentristische“ Tendenzen nennen – die Verwendung von radikaler und sogar revolutionärer Sprache und Ideen die aber nicht durch revolutionäre Taten getragen werden.

Die Transformation der alten ArbeiterInnenorganisationen in ganz Europa in kapitalistische Formationen (und das galt in den meisten Fällen sowohl für die sozialdemokratischen wie die ehemaligen kommunistischen Parteien) wurde verkörpert durch Blairs New Labour Partei in Britannien. Die Perspektive für neue Massenparteien der ArbeiterInnenklasse in Europa und auch anderen Teilen der Welt wurde durch den Aufbau der PRC und ihren ursprünglichen Erfolg angespornt.

Aber wie das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale (CWI) schon damals und bis heute immer wieder betont hat, kann eine politische Zwischenposition, sei sie reformistische oder „zentristisch“, nicht über eine längere historische Periode anhalten. Sie entwickelt sich entweder zu einer linken, marxistischen Partei oder wird den Rückzug zu einer rechteren Position antreten. Das ist in der Periode eines globalisierten Weltkapitalismus und seiner grausamen neoliberalen Politik noch viel stärker der Fall.

Die PRC konnte sich wegen der radikalen und kämpferischen Traditionen der italienischen ArbeiterInnenbewegung halten und sich in den 1990er Jahren und seither auch bei Wahlen als linke Wahlalternative präsentieren. Aber trotz der enormen Sympathie und speziell der Unterstützung in Schlüsselbereichen der Gewerkschaften blieb sie doch eine relativ kleine Massenpartei.

Bis zur Abspaltung von Amando Cossuta und seiner Gründung einer Kommunistischen Partei Italiens (PdCI) 1998 erzielte sie in bundesweiten Wahlen nie mehr als 8,6%. Es gab ein großes Potential für das Wachstum von Einfluss und Mitgliedern. Dennoch scheint es, als hätte die Anzahl der Mitglieder nie die Marke von 120.000 überschritten – bei 10-20.000 aktiven Mitgliedern

Mit einem klaren marxistischen und revolutionären Programm in Verbindung mit Aktionen hätte die PRC ein Magnet für all jene ArbeiterInnen, Jugendlichen und v.a. die gewerkschaftliche Basis sein können, die sich die DS nach der Spaltung erhalten konnte. Aber die Führung der PRC unter Bertinotti ist nicht in eine linke und marxistische Richtung gegangen sondern hat sich zu sozialdemokratischen und reformistischen Positionen entwickelt.

Doch nun ist selbst das fraglich, wie der Ausschluss des PRC-Senators Franco Turigliatto andeutet. Wie auch bei den Ausschlüssen der Militant-Gruppe (heute die Socialist Party in Britannien, britische Sektion des CWI) aus der Labour Party in Britannien in den 1980er Jahren ist dieser Schritt untrennbar mit einem politischen Schwung nach rechts verbunden – was sich in der Teilnahme der PRC in der kapitalistischen Koalition von Romano Prodi ausdrückt.

Nach der jüngsten Krise und dem vorübergehenden Rücktritt von Prodi hat die Führung der PRC das 12-Punkte Kürzungsprogramm geschluckt, auf das Prodi als Bedingung für die weitere Teilnahme an seiner Regierung bestand.

Trotz der Differenzen mit Turigliatto und seiner Organisation, Sinistra Critica (Kritische Linke, die italienischen UnterstützerInnen des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale, in Österreich SOAL, Anm.) haben alle wichtigen linken Strömungen in der PRC richtigerweise gegen seinen Ausschluss gestimmt.

Aber es gab dazu eine wichtige Ausnahme. Die kleine italienische Gruppe Falce Martello, die zum Komitee für eine Marxistische Internationale/Internationale Marxistische Tendenz (in Österreich: Der Funke, Anm.) unter der Führung von Alan Woods gehört, hat sich ursprünglich bezüglich der Frage von Turigliattos Ausschluss enthalten, was de facto einer Bestätigung gleich kam. Erst unter dem Druck der restlichen Linken haben sie ihre Position geändert und gegen den Ausschluss gestimmt.

Ihre ursprüngliche Position ist nur eines von vielen Beispielen für den starren, dogmatischen Fetischismus dieser Organisation, die die Mitgliedschaft und die Orientierung auf die sogenannten „traditionellen Organisationen der ArbeiterInnenklasse“ auch auf Kosten der sozialistischen Prinzipien verteidigen.

Sie behalten diese Orientierung auch dann bei, wenn diese Organisationen als wirkliche Organisationen der ArbeiterInnenklasse zusammengebrochen sind bzw. im Prozess des Zusammenbruches sind. Das könnte sich nun unglücklicherweise auch bei der PRC abspielen. Sie haben angedeutet, dass sie auch in der neuen Formation, die die PRC gründen will, bleiben werden, selbst wenn diese einen liberal-kapitalistischen Charakter hat!

In einem Interview mit Franco Giordano, dem Generalsekretär der PRC, in der italienischen Zeitung Il Messaggero am 19.3. wird die Richtung, in die die PRC geht deutlich, wenn er meint: „Links von der Demokratischen Partei kann eine neue Partei geboren werden.“

Die “Demokratische Partei” ist eine neue kapitalistische Formation, die die Führung der DS gemeinsam mit den Resten der Christdemokraten in Italien, wie der Margariten Partei, zusammenbringen möchte. Das wird klar als Basis für einen neuen kapitalistischen Wahlblock verstanden.

Die Hoffnung ist, dass ein „Mitte-Links-Block“ mit der „neuen“ Demokratischen Partei als zentrale Kraft eine kapitalistische Alternative zu Berlusconis „Mitte-Rechts“ Forza Italia werden könnte. Daraus könnte eine „stabilere“ Situation entstehen, wie z.B. in Britannien wo es mit der „mitte-links“ New Labour Partei und der „mitte-rechts“ Tory Partei zwei verlässliche kapitalistische Kräfte gibt. Es wird gehofft, dass das durch ein neues Wahlrecht erreicht werden könnte, dass durch die gegenwärtige oder eine künftige Regierung durchgepeitscht werden könnte.

Die führenden StrategInnen des italienischen Kapitalismus lehnen das gegenwärtige Verhältniswahlrecht in Italien, dass kleinen Parteien wie der PRC die Möglichkeit für eine parlamentarische Vertretung gibt, ab. Diese „kleinen Parteien“ können Regierungen „erpressen“ und die Durchführung jener Politik verhindern, die die KapitalistInnen fordern.

Es ist wahr dass die Prodi-Regierung in ihren ersten neun Monaten durchaus schizophrene Charakterzüge gezeigt hat. Die Rechten in der Regierung haben energisch auf massive Deregulierungen, Privatisierungen und die Unterstützung für eine zweite US-Militärbasis in Vicenza, nur fünf Kilometer von der ersten entfernt, sowie die Re-Finanzierung der italienischen Intervention in Afghanistan gedrängt. In der PRC schien es beide Richtungen zu geben.

Das führte zu einer Situation, wo es Demonstrationen gegen die Regierung gab, die manchmal von AnführerInnen der PRC geführt wurden, und ParlamentarierInnen die außerhalb der Regierung agierten während gleichzeitig MinisterInnen der PRC und auch Bertinotti die Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und auf demokratische Rechte mittrugen.

Das spitzte sich bei der Abstimmung über die Außenpolitik, inklusive der Frage von Afghanistan, zu, bei der Prodi durch seinen Rücktritt der PRC-Führung die Waffe an den Kopf hielt. Sie entschlossen sich, für das Programm von brutalen Angriffen auf die italienische ArbeiterInnenklasse zu stimmen.

Vor diesem Hintergrund orientiert die PRC recht deutlich auf eine Fusion mit der “Linken” in der DS, Teilen der Grünen und der PdCI zu einer Partei, die praktisch eine liberale kapitalistische Partei sein wird. Die sozialdemokratischen Elemente der PRC werden auf diesem Weg liquidiert.

Aber das wird von der italienischen ArbeiterInnenklasse bzw. ihren Organisationen, speziell wichtigen Teilen in den Gewerkschaften, nicht einfach hingenommen werden. In der italienischen Linken hat eine intensive Debatte darüber begonnen, was der beste Weg nach vorne ist.

Nach der großartigen Demonstration in Vicenza, wo hundertsausende marschierten, müssen prinzipienfeste SozialistInnen bzw. MarxistInnen gegen Gelder für die italienische Intervention in Afghanistan stimmen. Turigliatto hat daher korrekt gehandelt, als er seine Stimme gegen diese Maßnahme verwendet hat.

Aber so wichtig dieses Thema auch ist, es gibt sogar noch dringendere geplante Maßnahmen, die direkte Angriffe auf den Lebensstandard der italienischen ArbeiterInnenklasse darstellen, insbesondere der Angriff auf die Pensionen. Daher ist es notwendig jene Strategie und Taktik anzuwenden, die zu einer größtmöglichen Opposition – sowohl innerhalb der PRC als auch außerhalb – führen kann.

Wir stimmen nicht mit jenen überein, die entweder explizit oder zumindest aus “taktischen Gründen” den Rechtsruck und möglichen Zusammenbruch der PRC als klare ArbeiterInnenpartei als eine „fortschrittliche“ Entwicklung betrachten. Diese Entwicklung wird eine – wenn auch beschränkte – Blockade gegenüber den Angriffen der italienischen KapitalistInnen auf die ArbeiterInnenklasse beseitigen.

Die Existenz von ArbeiterInnenmassenorganisationen, sogar von jenen mit sozialdemokratischem Charakter, können unter gewissen Umständen die Aktionen der KapitalistInnen partiell in Schach halten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass, wenn die ArbeiterInnenklasse in solche Parteien eintritt, sie in kämpferische sozialistische und sogar revolutionäre Organisationen umgewandelt werden können – das hat die Geschichte der italienischen ArbeiterInnenklasse gezeigt.

Die Sozialistische Partei Italiens hat sich 1921 gespalten und das führte zur Gründung einer Kommunistischen Partei als Massenpartei. Es ist aber unwahrscheinlich dass sich das vor dem momentanen politischen Hintergrund wiederholt. Es können zwar wichtige Kräfte aus der PRC für eine neue linke Formation kommen, aber es ist unwahrscheinlich, dass diese von Beginn an einen Massencharakter hätte. Darum muss der Kampf innerhalb der PRC gegen den Rechtsruck zum momentanen Zeitpunkt fortgesetzt werden.

Obwohl es stimmt, dass es nur wenig Raum innerhalb der PRC gibt, so existiert er doch und kann von einer vorsichtigen und entschlossenen Linken genützt werden. Die Organisation Controcorrente versucht – durchaus mit einigem Erfolg – andere linke Strömungen und führende GewerkschafterInnen zu überzeugen, dem Rechtsruck in der PRC durch eine vereinte linke Politik, in erster Linie bei der kommenden Konferenz der PRC, zu widerstehen.

Es gibt Raum für eine Kampagne innerhalb der PRC und dafür, diese zwischen nun und dem geplanten Parteitag im nächsten Jahr, mit Bewegungen außerhalb der Partei zu verbinden, v.a. mit Gewerkschaften. Auf jeden Fall muss das Glas bis zum letzten Tropfen gelehrt werden. Alle Möglichkeiten für die Linke in der PRC müssen genützt werden, bevor ein negatives Vorzeichen vor ihre Zukunft als ArbeiterInnenpartei gesetzt werden kann.

Die unterschwellige wirtschaftliche Krise ist trotz eines geringen Wachstums des italienischen BIP in diesem Jahr klar. Unerbittlich wurde auf Prodi Druck ausgeübt um die öffentlichen Ausgaben wegen der großen öffentlichen Verschuldung drastisch zu kürzen. Aber die Regierung hat nicht einmal die Unterstützung ihrer eigenen WählerInnen. 62% der ItalienerInnen, (73% der UnterstützerInnen der Regierung), wollen den Rückzug aller italienischen Truppen aus Afghanistan.

Wenn sich die PRC darauf stützen würde und, anstatt nur als Bremse in der Koalition von Prodi zu agieren, außerhalb der Partei für eine unabhängige Politik der ArbeiterInnenklasse mobilisieren würde, könnte sie enorm anwachsen. Sie muss auch geschickt den Zeitpunkt wählen, um aus Prodis kapitalistischer Koalition heraus zu gehen, z.B. rund um die Pensionsfrage, da die ArbeiterInnen die geplanten Kürzungen klar ablehnen.

So wichtig die Frage von Afghanistan auch ist, die Pensionen, wie auch andere Fragen des tagtäglichen Lebens, betreffen das Leben von ArbeiterInnen noch direkter. Eine klare Position zu diesen Fragen würde daher breite Unterstützung finden.

Die PRC-Führung ist bereit, während sie ihr Vertrauen in Sozialismus und Kommunismus beteuert, Kürzungen mitzutragen. Das führt zu einem Trauma unter großen Teilen der Bevölkerung, die bereits in längere Arbeitszeiten gedrängt wurden und oft gezwungen sind, in zwei oder drei „prekären“ Jobs zu arbeiten und in einem immer verzweifelteren Kampf ums Überleben stecken.

Ein Brief von einem Wirtschaftsprofessor, der jüngst in der Financial Times erschien, zitierte Daten, die zeigten, dass „in Italien bei einer wahllos zusammengestellten Gruppe nur 11% angaben, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Im Gegensatz dazu lag dieser Anteil unter den DänInnen bei 66%, den HolländerInnen bei 52%, den SchwedInnen bei 38%.“

Sogar die BritInnen, mit einer massiven, unterschwelligen Revolte gegen Blair, liegen in Bezug auf „Zufriedenheit“ mit 37% vor den ItalienerInnen.

Der Wert von 11% ist zweifellos das Ergebnis von Stress und Unsicherheit von breiten Teilen der italienischen Gesellschaft, insbesondere der ArbeiterInnenklasse, und wird durch die Politik der italienischen KapitalistInnen und ihrer politischen Formationen noch verschärft.

Um zu verhindern, dass die PRC nur ein weiteres Instrument des Kapitalismus wird, muss jetzt ein entschlossener Kampf begonnen werden. Die PRC-Mitglieder stehen keineswegs alle auf der Seite der Führung und ihrer Angriffe auf Linke wie in der erfolgreichen Revolte der Mitglieder in Turin deutlich wurde.

Auf Initiative von Controcorrente haben sie bei einem Treffen kürzlich den Ausschluss abgelehnt, die Einheit der Linken und den Kampf gegen die Pensionsreform unterstützt. Wichtig war dabei auch, dass ein Teil der bisher die mehrheitliche Position der Führung unterstützt hatte, gewonnen werden konnte.

Sogar wenn es, nach einem bitteren Kampf, Bertinotti gelingen sollte, die PRC in eine liberale, kapitalistische Partei umzuwandeln, dann würde ein entschlossener Widerstand der Linken selbst schon dabei helfen, jene Kräfte aufzubauen, die eine neue linke Alternative aufbauen könnte, die, wie auch im restlichen Europa, die Basis für eine neue Massenpartei der ArbeiterInnenklasse legen könnte.