Italien: Berlusconi is back

Der zweitwichtigste Handelspartner Österreichs steckt in der Krise – und wird Berlusconi nicht los.
Marco Verrugio, CWI Italien

Italien gilt als zunehmend unregierbar. Aus Enttäuschung über die Kürzungspolitik hatte im Februar eine Mehrheit für Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung gestimmt. Das stellte die etablierten Parteien in einer durch die Krise polarisierten Situation vor die Schwierigkeit einer Regierungsbildung. Dafür kamen Wahlsieger Grillo, die zweitplazierte PD und Berlusconis PDL in Frage. Aus Angst vor der Rückkehr des verhassten Berlusconi war der Druck in Richtung Bündnis PD-Grillo groß. Die PD forderte u.a., die Budgetdisziplin mit öffentlichen Investitionen zu vereinbaren – unmöglich. Das hat Grillo zu Recht abgelehnt. Aber auch ein Bündnis zwischen PD und Grillo hätte Berlusconi nicht dauerhaft verhindert, sondern nur den Boden für eine Rückkehr bereitet. Das eigentliche Problem liegt in der Tiefe der wirtschaftlichen und politischen Krise des italienischen Kapitalismus – und braucht eine sozialistische Antwort.

Berlusconi war für die herrschende Klasse immer unkontrollierbarer. Dazu kam der Hass der ArbeiterInnenklasse auf ihn. Die Troika hatte bis zur Wahl auf eine „Expertenregierung“ gesetzt, um den Sparkurs umzusetzen. Die Stärke Berlusconis ist die Politik der PD und die Schwäche der Linken. Die PD ging einen Deal mit ihm ein, obwohl sie das zuvor ausgeschlossen hatte. Sie hat sich damit völlig diskreditiert. Aus dem Poker um die Präsidentenwahl zwischen PD, Berlusconi und Grillo kehrte Napolitano (88) an die Staatsspitze zurück. Er übergab die Regierungsverantwortung Enrico Letta, einem Ex-Christdemokraten in der PD, der ist Neffe von Gianni Letta, welcher wiederum rechte Hand Berlusconis ist. Letta Jr. hat eine Technokraten-Regierung zusammengestellt und mehrere Minister Montis übernommen – auch als Signal an Brüssel. Auch diese Regierung wird neue Kürzungen durchpeitschen.

Das Drama der italienischen ArbeiterInnenklasse ist, dass sie seit dem Niedergang der Rifundazione Communista (RC) ohne politische Vertretung dasteht. Grillo hatte die Unzufriedenheit über die soziale und politische Situation aufgegriffen und ihr mit der Fünf-Sterne-Bewegung einen Ausdruck gegeben. ArbeiterInnen und große Teile der Mittelklassen sind wütend auf PolitikerInnen, die von ihnen Opfer verlangen und gleichzeitig ihre Privilegien behalten. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 30 %. Den Arbeitslosengeldfonds der Regionalregierungen droht das Geld auszugehen. Mehr als 1.000 Firmen pro Tag wurden 2012 geschlossen. Selbstmorde häufen sich. Grillo hat mit Forderungen nach Abschaffung der Politikerprivilegien, aber auch nach Verstaatlichung der Banken und Konzerne, Menschen mobilisiert. Aber er hat kein klares Programm, ist nicht einmal klar 'links'. Neben einigen fortschrittlichen Forderungen finden sich auch gewerkschaftsfeindliche Äußerungen. Und den Test nach den Wahlen konnte er nicht bestehen.

Die Episode um die Wiederwahl Napolitanos ist für viele zum Symbol für eine politische Klasse, die Veränderung predigt und Konservierung praktiziert, geworden. Grillo hatte zur Demo aufgerufen, wieder zurückgezogen, neuerlich aufgerufen und letztlich auf die Forderungen der Menschen nach einem Marsch auf die Residenz des Präsidenten geantwortet: „das ist es nicht wert – im Parlament sind wir viele, da können wir etwas bewegen“. Selbst eine Linke mit nur einem Minimum an Glaubwürdigkeit hätte in diesem Vakuum eine politische Rolle spielen können. Aber die FührerInnen der Linken haben sich darauf beschränkt, Grillo für das zu kritisieren, was sie selbst nicht getan haben. Bei den Teilkommunalwahlen am 25./26. Mai wurde Grillo für seine zögerliche
Haltung bereits wieder abgestraft.

Parallel zur Regierung der "Nationalen Verantwortung" haben Industriellenvereinigung, Confindustria und Gewerkschaften einen "Pakt zwischen den Produzenten" geschlossen. Die Hoffnungen liegen nun auf der (kämpferischeren) Metallgewerkschaft FIOM, die den Pakt kritisiert. Sie rief zur landesweiten Demonstration am 18. Mai für das Recht auf Arbeit, Bildung, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Demokratie auf. Tausende kamen, doch die FIOM-Führung hat keine klare Strategie und droht politisch zwischen Illusionen in das Mitte-links Lager und dem Fehlen einer glaubwürdigen linken Alternative zerrieben zu werden. Die RC befindet sich in Auflösung. Links von ihr gibt es ein paar zaghafte Versuche der Neuorganisierung. All diesen Versuchen fehlen Programm, Strategie und Perspektive – und v.a. die sozialen Kämpfe. Nur Klassenkampf kann die Situation neu beleben und neue politische Kräfte auf die Bühne bringen. Der Schock über den Kompromiss zwischen Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Lager, über den Verlust der Glaubwürdigkeit der PD und der bürgerlichen Demokratie selbst, sowie die Welle von Kürzungen der neuen Regierung können dafür sorgen, dass Millionen von Menschen verstehen, dass ihnen nichts bleibt, als zu kämpfen. Es ist nötig mit eigenen Händen wiederaufzubauen, was die FührerInnen der Linken zerstört haben: eine Partei, die fähig ist, den ArbeiterInnen Stimme, Programm und Organisation zu geben.

http://www.controcorrentesinistraprc.org/

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