Irland: 57 Prozent beteiligen sich am Boykott

Dieser Artikel erschien zuerst am 16. Juli auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net
von Michael O’Brien, Stadtrat der „Anti Austerity Alliance“ (AAA; dt.: „Bündnis gegen Austerität“) in Dublin und Mitglied der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in Irland)

Mutige Reaktion auf beschämendes Ergebnis

Die Zuversicht der Aktiven gegen die Wasser-Abgabe stieg umso mehr, je länger sich das zuständige Unternehmen „Irish Water“ sowie die irische Regierung auf die Frage nach der Anzahl der Zahlungseingänge in Schweigen hüllten. Am Dienstag bestätigte sich nun, dass 57 Prozent der Haushalte sich geweigert haben, der ersten Zahlungsaufforderung nachzukommen. Das entspricht rund 860.000 von 1,52 Millionen Haushalten, die zum „Kundenstamm“ gezählt werden.

Die Aussage von „Irish Water“, dass 43 Prozent der zahlungspflichtigen Haushalte die erste Rechnung einen Tag vor Beginn der Sommerpause des irischen Parlaments, dem „Dáil“, bezahlt hätten, ist für das Unternehmen, den Minister Alan Kelly und die gesamte Regierung eine riesengroße Blamage. Sie alle wünschen sich nichts mehr, als das Land einfach einige Monate zu verlassen! Unterdessen sind ihre über die Medien und im „Dáil“ verbreiteten Aussagen zu den aus ihrer Sicht ziemlich negativen Zahlen, nichts als hohle Versuche, das Ausmaß des Boykotts kleinzureden. Dafür ernten sie landauf, landab den wohlverdienten Spott.

Es wurde erreicht, dass zehntausende AktivistInnen gegen die Wasser-Abgabe aktiv wurden und in einem Akt kollektiver Anstrengung hunderttausende Menschen überzeugen, sich am Boykott dieser Abgabe zu beteiligen. Wahrscheinlich haben sich die meisten Menschen, die sich an diesem Zahlungsboykott beteiligen, nie eine öffentliche Versammlung besucht oder selbst an einer Protestaktion teilgenommen. Dennoch reichte es, sie davon zu überzeugen, dass es im Land eine Kampagne gibt, die gegen die Sonderabgabe zu Felde zieht und die eine Antwort auf die gemeinsame Propaganda von „Irish Water“ und der Regierung hat.

Die zentrale Bedeutung des Zahlungsboykotts

Dass so viele Menschen sich an dem Boykott beteiligen, ist außerdem eine Bestätigung für die „Socialist Party“, die „Anti Austerity Alliance“ und die Kampagne „We Won’t Pay“ (dt.: „Wir werden nicht zahlen!“). Diese Parteien und Gruppen haben von Anfang an gesagt, von welch entscheidender Bedeutung eine durchorganisierte Boykott-Kampagne vor allen andere nötigen und tragfähigen Taktiken ist, die ebenfalls ins Spiel gebracht worden sind, um am Ende gegen die Wasser-Abgabe erfolgreich sein zu können. Die Formationen haben sich stark in die Debatte mit eingebracht, die innerhalb der großen Bewegung gegen die Wasser-Abgabe lief. Dabei wurde immer wieder das Argument vorgebracht, dass unsere gemeinsame Stellung umso stärker werden wird, je mehr Gruppierungen, Parteien und Gewerkschaften sich für den Boykott aussprechen. Diejenigen, die sich bislang damit zurückgehalten haben, ausdrücklich zum Zahlungsboykott aufzurufen (wie beispielsweise „Sinn Fein“ und die Gewerkschaften, die sich der Initiative „Right2water“ angeschlossen haben), sollten dies jetzt endlich ebenfalls tun.

Angesichts des bald anstehenden zweiten Zahlungsbescheids besteht unsere Aufgabe nun darin, den Boykott dadurch auszuweiten, indem wir die Menschen, die schon der ersten Gebührenerhebung nicht nachgekommen sind, überzeugen, standhaft zu bleiben und sich auch gegenüber denen, die beim ersten Mal gezahlt haben, für den Zahlungsboykott stark zu machen. Letztere haben nämlich vielleicht nur deshalb das Geld überwiesen, weil sie Angst vor Repressalien hatten oder schlecht informiert waren. Aber auch sie sollten sich unserer Bewegung anschließen. Eine höhere Zahl an boykottierten zweiten Zahlungsbescheiden wäre auch angesischts der Tatsache, dass die Parlamentswahlen immer näher rücken, für „Irish Water“ einfach nur fatal.

Den Druck aufrecht erhalten

Das Gesetz, das durch den „Dáil“ gepeitscht worden ist und in dem detalliert beschrieben wird, wie „Irish Water“ die Neuregelung durchzusetzen gedenkt beziehungsweise im Falle von Zahlungsverzug reagieren wird, sollte in Verbindung mit den finanziellen Zuschüssen, die das Sozialministerium gewähren würde, wie eine letzte Botschaft aus Zuckerbrot und Peitsche wirken, um am Ende die Zahlungsmoral doch noch zu steigern. Beides hat ganz offensichtlich nicht gewirkt.

Dieses Gesetz ist keine besonders effektive Waffe zur Bekämpfung der Taktik des Boykotts – sondern eine Blamage. Angesichts der nun verbrieften hohen Beteiligung am Boykott gegen die Wasser-Abgabe können wir davon ausgehen, dass noch mehr Politiker, die am Anfang nichts gegen diese Abgabe einzuwenden hatten, mit Versprechungen an die Öffentlichkeit treten werden, diese Abgabe wieder abzuschaffen. Damit würden sie lediglich auf den Druck reagieren, den das gesamte Polit-Establishment zu diesem Thema derzeit zu spüren bekommt.

Allerdings dürfen wir uns davon nicht einlullen lassen. Schließlich wollen diese Politiker mit diesen Versprechungen nur in die nächste Regierung gewählt werden, verlassen können wir uns auf sie jedoch nicht. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass jede künftige Regierung – wie immer sie auch aussehen mag – von Seiten der „Troika“ und der Konzerninteressen unter immensen Druck geraten wird – nicht zuletzt auch von Denis O’Brien (reichster gebürtiger Ire mit Wohnsitz auf Malta; Erg. d. Übers.). Wenn wir es schaffen, die Beteiligung am Boykott bis zu den Parlamentswahlen und darüber hinaus hochzuhalten, dann lassen wir den Politikern damit nur wenig Raum für ihre Manöver und jeder noch so kleine Versuch, eine verhasste Abgabe wieder abzuschaffen, wird mit großer Wahrscheinlichkeit zur ernsthaften Schwächung der konservativen „Fine Gael“ sowie der vollkommen gerechtfertigten straken Schwächung der sozialdemokratischen „Labour Party“ führen, die beide bisher die Regierung stellen.