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Mit Standortlogik kann die Gewerkschaft in einer globalen Wirtschaft nur verlieren
Alexander Svojtko

Nach der EU-Erweiterung 2004 wurde der Teufel an die Wand gemalt: Billigarbeitskräfte aus dem Osten würden zu Hunderttausenden ins Land strömen und die Hiesigen ins Abseits drängen. Polnische Maurer, Schweißer aus der Hohen Tatra und pannonische Eisenbieger wurden zum Albtraum all jener Gewerkschaften, die die Idee des Internationalismus längst über Bord geworfen haben. Denn auch der ÖGB hängt seit Jahrzehnten einer Standortlogik an, die in ihrer “unsere Leute zuerst”-Rhetorik manchmal kaum von FPÖ-Propaganda zu unterscheiden ist. Der Hintergrund ist beim ÖGB (im Gegensatz zur FPÖ) aber kein rassistischer, sondern das Resultat einer Beschränkung auf eine “österreichische Sichtweise”. Weil es bei etablierten Parteien und ÖGB einen Konsens dieser nationalistischen Sichtweise gibt. kam es zu einer “Übergangsphase”. Der Arbeitsmarkt wurde sieben Jahre gegen ArbeiterInnen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn abgeschottet. (Merke: Kapital genießt Grenzfreiheit, Mensch nicht!) Von Deutschland und Österreich bis zum letzten Tag in Anspruch genommen, läuft diese Frist mit dem 1. Mai endgültig aus.

Wieder wird Panik geschürt

„NEWS“ (April .2010): „Am Arbeitsmarkt ist bald die Hölle los“. AMS-Vorstand Kopf: „Die Einführung der Mindestsicherung im kommenden Herbst und die Ostöffnung des österreichischen Arbeitsmarkts ab Mai 2011 werden die Arbeitslosenquoten in die Höhe treiben.” „Der Standard“ (Oktober 2010): „Gewerkschafts-Angst vor der Ostöffnung“.

Es passt Regierung und Unternehmen gut, wenn sie, die Stellenabbau betreiben ArbeiterInnen aus Osteuropa für die wachsende Arbeitslosigkeit verantwortlich machen. 40.000 Industriejobs, die nach Krisenbeginn 2008 gestrichen wurden fehlen nach wie vor. Bund und Länder haben in vielen Bereichen einen “Aufnahmestopp”.

ÖGB vertraut auf zahnloses Gesetz

Mittlerweile war der ehemalige ÖGB-Boss und nunmehrige Arbeits- und Sozialminister Hundstorfer mit dem Gesetz gegen “Lohn- und Sozialdumping" auf den Plan getreten. Demnach sollen Unternehmen, die unter dem jeweils gültigen Kollektivvertrag bezahlen, eine Verwaltungsstrafe zahlen. Die Strafen beginnen bei mageren 500 €. Obwohl es Höchststrafen von bis zu 50.000 € gibt, werden diese wohl nicht verhängt werden. Denn der Gesetzesentwurf sieht die Möglichkeit einer bloßen „Verwarnung“ vor. Gleißner (Wirtschaftskammer) fordert: „Bei geringem Unrechtsgehalt darf es keine Strafe geben!“

Weil der ÖGB auf die Angst seiner Mitglieder sowie der ArbeiterInnen insgesamt keine kämpferischen Antworten hat, hofft man in der ÖGB-Führung auf das Gesetz. Wie wenig solche Gesetze bringen, ist bekannt: Es ist per Gesetz verboten, Frauen weniger zu bezahlen als Männern...

Schon jetzt können sich ausländische ArbeiterInnen schwer gegen ihre ausbeuterischen Arbeit-“geber“ wehren. Sie sind – v.a. wegen rassistischer Gesetze – besonders erpressbar. Der Tiroler FSGler Leist fordert „die Sicherstellung von personellen Ressourcen der Behörden zur Kontrolle des Gesetzes gegen Lohn- und Sozialdumping.” Und geht davon aus, dass „die Behörden“ ein Interesse daran haben, die schwarzen Schafe unter den Unternehmen zu finden. Doch z.B. in der Baubranche ist bekannt, dass es kaum weiße Schafe gibt. Die Behörden sehen in weiten Teilen zu.

Dass es mit der Umsetzung Probleme geben könnte, sehen auch Teile der Gewerkschaft. Praktisch werde das Gesetz nicht funktionieren, richteten Bau-Holz-Chef Holper und sein Vize Muchitsch aus. Ihr Vorschlag: Bund, Länder und Gemeinden sollten ihre Aufträge nur an „unbedenkliche“ Firmen vergeben, die in den letzten drei Jahren „keine Probleme mit der Sozialversicherung“ hatten. Das ignoriert, dass schon jetzt kaum geprüft wird und gerade in Betrieben, wo der Druck besonders hoch ist, sich Beschäftigte oft kaum beschweren können, obwohl die Gesetzesbrüche besonders schlimm sind.

Damit so ein Gesetz überhaupt Sinn machen kann, muss es von der Gewerkschaft überprüft werden. ÖGB und Fachgewerkschaften müssten regelmäßig und unangemeldet durch die Betriebe gehen, gegebenenfalls Anzeige erstatten und migrantische ArbeiterInnen mit Material in ihren Muttersprachen über ihre Rechte informieren. Es muss sicher gestellt sein, dass KollegInnen aus den EU-Staaten, aber auch aus anderen Ländern, die sich gegen ihre Ausbeutung wehren, keinerlei Nachteile (Abschiebung, Ausweisung etc.) haben, sondern volle rechtliche und soziale Unterstützung in Österreich bekommen.

Konkurrenz oder KollegInnen?

Zentrales Problem der Gewerkschaftslogik ist, dass ArbeiterInnen aus anderen Ländern als Konkurrenz und nicht als KollegInnen gesehen werden. In den Gewerkschaften gibt es kaum Arbeit für bzw. mit migrantischen KollegInnen. Zusammenarbeit mit Gewerkschaften anderer Länder beschränkt sich v.a. auf die wechselseitige Entsendung von Gästen bei Konferenzen. Manchmal wird auch gemeinsam demonstriert, wenn der Europäische Gewerkschaftsbund dazu aufruft wie am 9. April in Budapest. Aber gemeinsame Kämpfe für höhere Löhne in Ost- und Westeuropa gibt es nicht. Kämpfe gegen die triste Situation in Osteuropa werden vom ÖGB nicht wirklich unterstützt. Im Gegenteil haben sich die österreichischen Gewerkschaften auch schon als internationale Streikbrecher betätigt, z.B. als Dienste von im Ausland bestreikten Unternehmen übernommen wurden (z.B. durch die ÖBB).

Kein Gesetz der Welt wird Menschen davon abhalten zu versuchen, ihre Situation in einem anderen Land zu verbessern, wenn es in ihrer Heimat trist ist. Um Lohndumping und Arbeitslosigkeit zu verhindern braucht es in Österreich, in Osteuropa und der gesamten EU einen gemeinsamen und entschlossenen Kampf der Gewerkschaften für einen menschenwürdigen Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn.

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