Grundsicherung: Was will die SPÖ

Sonja Grusch

Gleich vorneweg: ich weiß auch nicht, was sich die SPÖ genau unter ihrem Grundsicherungsmodell vorstellt. Dazu gibt es nämlich bestenfalls schwammige Informationen. Im Wahlprogramm schreibt die SPÖ: „Darüber hinaus wollen wir eine bedarfsorientierte Grundsicherung einführen, die die bestehenden sozialen Sicherungssysteme durch eine Leistungsuntergrenze ergänzt.“ Und in seinen „10 Projekten für Österreich“ stellt Gusenbauer klar: "Wir wollen kein arbeitsloses Grundeinkommen, wir wollen eine Mindestsicherung, die erst dann greift, wenn alle andern Wege aus der Armutsfalle gescheitert sind."

SPÖ: Keine Infos über ihr Grundsicherungsmodell

Soweit – so gut. Das knüpft an schwammige Versprechen aus dem SPÖ-Wahlkampf über „Fairness“ an. Der Versuch, genauere Informationen über das SPÖ-Modell zur Grundsicherung zu erhalten, sind bisher gescheitert. In der SPÖ-Zentrale erklärt man, dass die dazu existenten Unterlagen „alt und überholt“ sind – und verweißt auf die Zuständige im SPÖ-Parlamentsklub, Gabriele Kotzegger „die hier auch detaillierte Auskunft bezüglich der bedarfsorientierten Grundsicherung geben kann“. Aber auch hier gibt es keine Informationen. Die zuständige Mitarbeiterin verweißt auf das – wenig aussagekräftige – Wahlprogramm und erklärt, genaueres könne man nicht herausgeben, da man ja nun in Koalitionsverhandlungen stecke. Die Frage stellt sich: Warum dürfen Parteimitglieder, WählerInnen und auch einfach Interessierte nicht die Details des SPÖ-Vorschlages kennen lernen? Dazu fallen mir eigentlich nur zwei Erklärungsmöglichkeiten ein: Entweder es gibt überhaupt kein Modell, sondern nur eine nett klingende Forderungen für den Wahlkampf die Stimmen bringen sollte. Und nun ist die SPÖ in Verlegenheit, weil sie wieder erwarten stärkste Partei geworden ist. Oder das SPÖ-Modell ist so sozial nicht, sondern orientiert sich am extrem unsozialen Hartz-Modell aus Deutschland. Dort hatte eine rot-grüne Regierung eine Art „Grundsicherung“ eingeführt, die zum Teil das Arbeitslosengeld „ersetzt“ hat. Gekoppelt ist diese Leistung an massive Demütigung und Angriffe auf die Arbeitslosen. Sie müssen oft ihre „zu teure“ Wohnung aufgeben, in Diskussion war, die Sparbücher der Kinder aufzulösen und es wurde ein ganzer Sektor von 1-Euro-Jobs geschaffen, die vollwertige Jobs vernichtet haben.

Haus weg?

Es gibt Indizien, die in diese Richtung weisen: Der Salzburger SP-Landesrat Erwin Buchinger (übrigens Bruder des AMS-Chefs Herbert Buchinger) erklärt zum SP-Modell: "Wer die Grundsicherung in Anspruch nehmen will, muss auf jeden Fall arbeitswillig sein." Und: "Wer ein Haus besitzt, ist nicht arm". Was bedeutet das konkret für die berühmten „Häuslbauern“? Das mühsam gebaute (vielleicht noch nicht mal fertige) Einfamilienhaus (das vielleicht noch mit Krediten bzw. Hypotheken belastet ist) muss im Falle von Arbeitslosigkeit verkauft und zu Geld gemacht werden – erst dann gibt es Anspruch auf die „Grundsicherung“. Die Familie muss inzwischen woanders hin übersiedeln.

Anpassung nach unten?

Geplant soll auch eine Vereinheitlichung der Sozialleistungen der einzelnen Länder sein – klingt aufs erste gut. Aber: in den meisten Bundesländern greift das Land auf die Einkommen/Vermögen von Angehörigen zurück, wenn jemand Sozialhilfe bezieht. Eltern, Kinder und Ehepartner werden zur Kasse gebeten, teilweise gibt es auch das Modell, dass die Sozialhilfe wieder zurückbezahlt werden muss, sobald man wieder ein Einkommen bezieht. Nur in Wien ist die Sozialhilfe – noch – eine Unterstützung, die nicht zurückbezahlt werden muss oder die sich das Land von Angehörigen holt. (Der oft demütigende Gang zum Sozialamt ist allerdings überall gleich). Welches Modell wird sich wohl bei einer Vereinheitlichung durchsetzen? Schon jetzt wird für BezieherInnen der Notstandshilfe das PartnerInneneinkommen herangezogen. In der Praxis bedeutet das, dass v.a. Frauen oft keine oder nur sehr wenig Notstandshilfe erhalten, wenn der Partner über ein – gar nicht so hohes – Einkommen verfügt. Frauen werden vom Partner noch abhängiger gemacht – denselben Effekt hat auch Hartz IV in Deutschland.

Kommt Hartz IV?

Buchinger selbst meint in Bezug auf Hartz IV: "Es geht durchaus in diese Richtung, das stimmt. 70 bis 80 Prozent des deutschen Konzeptes sind ja auch gut, es hapert dort aber an der Umsetzung." Hartz IV hat in Deutschland hunderttausende Menschen ohne finanzielle Unterstützung gelassen, weil das Arbeitslosengeld gestrichen wurde. Das Arbeitslosengeld II, das man nun erhält, liegt unter 400.- Euro/Monat. Hartz IV ist auch die Brechstange, um Löhne auf breiter Front zu senken. Die EmpfängerInnen des Arbeitslosengelds II werden gezwungen, jede “zumutbare Arbeit” anzunehmen. Zumutbar sind Ein- bis Zwei-Euro-Jobs oder auch Jobs, die bis zu 30 % unter dem Kollektivvertragslohn bezahlt werden. Seit dem 1. August 06 kann jedem/r EmpfängerIn von Hartz IV, der/die innerhalb von 12 Monaten drei Mal eine „zumutbare„ Beschäftigung oder Qualifizierung ablehnt, jegliche Zahlungen – also auch Wohnkostenzuschüsse - gestrichen werden. Erwachsene bis 25 Jahre bekommen bereits ab der zweiten Job-Ablehnung alle Gelder gekürzt und sollen weiterhin bei ihren Eltern wohnen. Stattdessen gibt es dann nur noch Lebensmittelgutscheine. Zur Erinnerung: als zumutbar gilt seit Hartz IV jede Arbeit, die nicht „sittenwidrig“ ist. Dabei ist es für die Jobcenter egal, ob ein Lohn unter dem Existenzminimum liegt. Hartz IV hat die Menschen noch tiefer in die Armut getrieben und unzählige kollektivvertraglich bezahlte Jobs in 1-Euro-Jobs umgewandelt. Das droht auch in Österreich, wenn die Grundsicherung nur ein weiterer Versuch ist, durch ein Kombilohnmodell die Lohnkosten für die Unternehmen zu senken.

Düstere Perspektive

Wie gesagt – das SPÖ-Modell ist nicht bekannt. Aber was bisher bekannt ist, lässt nicht hoffen, sondern eher fürchten. Die SPÖ hat in der Vergangenheit dort, wo sie an der Macht war/ist massiven Sozialabbau betrieben. Sie hat bestenfalls mit einer Hand ein bisschen gegeben, um mit der anderen tief in unsere Taschen zu greifen. Wenn die SPÖ ein Grundsicherungsmodell fordert, dann ist daher Vorsicht geboten. Die Gewerkschaften sind aufgefordert, genau zu beobachten, was auf uns zukommt. Haberzettel darf seine Unterschrift zu einem Koalitionspakt als Gewerkschafter nur dann geben, wenn keine Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen geplant sind (was wohl nicht der Fall sein wird). Und die Gewerkschaft muss sich jetzt schon darauf vorbereiten, gegen kommende Angriffe zu kämpfen.