Gewalt in der Pornographie

Lila Ramharter

JedeR, der/die sich im Internet bewegt, hat wohl – willentlich oder nicht – bemerkt, dass Pornographie mittlerweile allgegenwärtig ist. Doch nicht nur das:

Die Gewalt in der Pornographie hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. 1995 sind etwa 5700 Hardcore-Filme veröffentlicht worden, 2005 waren es etwa 13600.

Nun mag man sich fragen, was Pornographie mit sozialistischer Politik zu tun hat. Doch wie so oft kann man bemerken, dass es nicht ausreicht, sich mit wirtschaftlichen und sonstigen medial stark vertretenen Themen auseinander zu setzen, da der Kapitalismus – und seine Auswirkungen – bis in die kleinsten Details unseres Lebens vordringen.

Weshalb kommt es zu dieser Zunahme an Gewalt?

Simpel ausgedrückt, es gibt mehr Nachfrage und daher auch mehr Angebot. Die gesteigerte Nachfrage zu erklären ist allerdings bereits weniger einfach, da hier mehrere Faktoren zusammenspielen:

Die Grundlage bildet der einfache Zugang zu Pornographie im Internet. Während mittlerweile etwa 12% (etwa 4,2 Millionen) aller Seiten im Internet pornographischen Inhalt haben, benötigt man nur bei 3% dieser einen Altersnachweis. Das heißt, wer über einen Internetzugang verfügt, kann ohne sonderlichen Aufwand so viel und auch so ausgefallene Pornographie sehen, wie er/sie möchte. Das führt wiederum zum nächsten Faktor, nämlich Gewöhnung. Wie bei vielen Dingen kommt es auch bei Pornographie mit der Zeit zu einer gewissen Abhärtung. Soft-Pornos – also die einfache Darstellung nackter Menschen – reichen nach einer Weile nicht mehr aus, man steigt um zu Hardcore (explizite Darstellung von Geschlechtsverkehr) und von da zu Gewalt- oder anderen speziellen Pornos.

Zusätzlich wird die gesteigerte Nachfrage nach Gewalt – die ja ihres Zeichens eine Form von Macht über den Partner darstellt – ausgelöst durch den zunehmenden Stress und die Machtlosigkeit am Arbeitsplatz, die aufgrund der Wirtschaftskrise auf die ArbeitnehmerInnen zukommt bzw. bereits zugekommen ist. Wer am Arbeitsplatz immer mehr Demütigungen erfährt, neigt dazu, sich Machterlebnisse in anderen Bereichen des Lebens zu suchen. Das ist einerseits gut zu erkennen an der Zunahme von Mobbing – sowohl in Schule als auch Arbeit – aber auch bei der Pornographie.

Pornographie und Gesellschaft – ein Wechselspiel

Allerdings wird nicht bloß die Porno-Industrie von der Gesellschaft beeinflusst, sie beeinflusst wiederum auch die Gesellschaft und unser Sexualverhalten – und das nicht wenig.

Das wohl beste Beispiel hierfür ist Analverkehr und seine Überrepräsentation in der Pornographie sieht es aus, als gehöre Analverkehr (und zwar in der degradierenden Art und Weise, wie er hier dargestellt wird) zu einem gesunden Sexualverhalten 'einfach dazu'. Frauen und auch Männer, die kein Verlangen danach verspüren, müssen befürchten, als prüde oder altmodisch zu gelten.

Um aber die tatsächlichen Auswirkungen und Gefahren zu begreifen, muss man sich etwas mit den Statistiken beschäftigen: Mittlerweile liegt das Durchschnittsalter, in dem Burschen das erste Mal Pornographie sehen, bei elf Jahren. Das ist ein Alter, in dem die meisten noch keinen aktiven Kontakt mit Sexualität hatten und auch der Aufklärungsunterricht – so er denn überhaupt angeboten wird – noch nicht stattgefunden hat. Insofern muss der junge Konsument – in Ermangelung von 'Vergleichsmaterial' - annehmen, dass das hier Gebotene die natürliche Sexualität widerspiegelt. Und auch die Sprache, die in der Pornographie gebraucht wird - Frauen werden grundsätzlich als Nutten, Schlampen oder Schlimmeres bezeichnet - kann sich sehr negativ auswirken. Es kommt so zur sexuellen Gewalt die Verbale dazu, die nicht selten in den Sprachschatz aufgenommen wird.

Allerdings kommen ja nicht nur männliche Jugendliche mit Pornographie in Berührung. Und so wie diesen ein Bild von Macht über die 'zu verachtenden, unterwürfigen' Frauen vermittelt wird, sehen junge Mädchen diese Bilder mit direktem Bezug auf den eigenen Körper, auf die eigene Sexualität.

Ein entscheidender Faktor hier ist die Art und Weise, wie Frauen in der Pornographie dargestellt werden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist die 'Porno-Frau' jung, schlank und komplett rasiert.

Das Wort 'Nein' ist im Sprachschatz der 'Porno-Frau' nicht vorhanden und sie ist durchgehend bereit und sogar lüstern, alles zu tun und hinzunehmen, was der Mann möchte.

Das kann sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf die Sexualität von Frauen haben: Direkte Auswirkungen dann, wenn besonders junge Mädchen diese Bilder sehen und – so wie auch junge Männer – annehmen, dass dies die normale Sexualität wieder spiegelt. Viele junge Frauen kommen so zu dem Schluss, sich degradieren zu müssen, um dem Mann zu gefallen. Indirekte Auswirkungen hingegen gehen vom Partner aus. Immer mehr junge Frauen geben an, dass ihr Freund – oder auch One-Night-Stands – 'Porno-Sex' an ihnen ausprobieren möchten.

Pornographie ist ein kapitalistisches Phänomen

Alle diese beschriebenen Folgen sind leider keine Ausnahmen, sondern allgegenwärtig. Die Pornoindustrie ist kein abgeschlossenes System sondern Teil unserer Gesellschaft. Sie richtet sich nach kapitalistischen Maßstäben, versucht Märkte zu bedienen aber v.a. diese auszubauen und auch neue Märkte zu schaffen. Eine Lösung für dieses Problem gibt es innerhalb des Kapitalismus daher nicht. Typische kapitalistische Methoden wie Verbote bewirken – wie man leider anhand der Kinderpornographie sehen kann – eher das Gegenteil (laut der Internet Watch Foundation ist die Anzahl von pornographischen Darstellungen mit Kindern im Internet allein 2006 um das vierfache gestiegen). Gerade die Tatsache, dass etwas verboten ist, macht es auch interessanter.

Es muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Pornographie mit der systematischen Ausbeutung und Unterdrückung von vor allem Frauen Hand in Hand geht. Es geht um Machtstrukturen und Unterdrückungsmechanismen ohne die Kapitalismus nicht funktionieren kann. Erst mit einer breiten Bewegung und einer grundlegenden Umstrukturierung der Gesellschaft kann etwas verändert werden.

Heute ist auch wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Einerseits sexuelle Aufklärung ab einem frühen Alter, um Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, Pornos im richtigen Kontext zu sehen - wobei ein verpflichtender Altersnachweis auf pornographischen Webseiten dabei nur ein Hlfsmittel sein kann. Und andererseits auch Aufklärung und Hilfe besonders für junge Frauen, da es leider eine weit verbreitete Meinung ist, Pornographie sei eine Form der sexuellen Befreiung.

Wenn SozialistInnen gegen Pornographie sind hat das nichts mit Prüderie zu tun, sondern richtet sich gegen diese spezielle Form Sexualität darzustellen. Selbst in einer sozialistischen Gesellschaft wird dieses Problem nicht sofort verschwinden, doch NUR in einer sozialistischen Gesellschaft kann es gelöst werden.

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