Geschenkt ist nix - Arbeitszeitverkürzung erkämpfen

Die Herrschenden haben den ArbeiterInnen noch nie etwas geschenkt, jede Verbesserung wurde erkämpft.
Manuel Schwaiger

In den letzten 150 Jahren wurden in zahlreichen Staaten gesetzliche oder kollektivvertragliche Beschränkungen der Arbeitszeit pro Woche und pro Tag eingeführt. Doch die Herrschenden haben der arbeitenden Mehrheit der Bevölkerung noch nie etwas geschenkt, jede Verbesserung, jede Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnkürzung, musste hart erkämpft werden.

Am Beginn der kapitalistischen Gesellschaft, in der Zeit während der industriellen Revolution, gab es keine Regelungen der Arbeitszeit. Der Arbeitstag dauerte zwischen 12 und sogar 16 Stunden, die Arbeitswoche hatte sechs Tage – und zwar für Männer, Frauen und Kinder. Die Arbeits- und Lebenssituation der ArbeiterInnen und ihrer Familien war menschenunwürdig.

So überrascht es nicht, dass die Forderung nach einer Begrenzung der Arbeitszeit eine der ersten Forderungen der sozialistischen und der ArbeiterInnen-Bewegung war. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es im Mutterland der industriellen Revolution, England, zu ersten Beschränkungen des Arbeitstages auf zehn Stunden. Die Maßnahme wäre nie umgesetzt worden ohne den Druck der ArbeiterInnen, die sich zu Tausenden auf öffentlichen Versammlungen und mit Kampfmaßnahmen in der wachsenden ArbeiterInnenbewegung für die Verkürzung der Arbeitszeit aussprachen.

Der 1. Mai, bis heute Kampftag der internationalen ArbeiterInnenbewegung, erinnert an einen Streik in Chicago für den 8-Stunden-Tag, der von den Behörden gewaltsam niedergeschlagen wurde.

Auch in Österreich war die Einführung des 8-Stunden-Tages Ergebnis der Organisierung und Kampfbereitschaft von Beschäftigten. Erstmals wurde eine solche Beschränkung in der revolutionären Phase nach dem 1. Weltkrieg eingeführt, als sich auch in Österreich ArbeiterInnen in Räten organisierten und die Verwaltung zahlreicher Betriebe übernahmen. Die Herrschenden waren zu Zugeständnissen gezwungen, da sie sonst ihre Entmachtung durch die ArbeiterInnenräte fürchteten. Doch die Arbeitszeitbeschränkung blieb ihnen ein Dorn im Auge. Die Arbeitszeit wieder zu erhöhen war eine der ersten Maßnahmen zuerst der Austrofaschisten und dann der Nazis – so schnellten die Profite der Industriellen in die Höhe. Die Lage der ArbeiterInnen verschlechterte sich, wer protestierte wurde verfolgt oder gar ermordet.

Mit dem Ende des Faschismus erstarkten die ArbeiterInnenbewegung und die Gewerkschaften wieder. Vor dem Hintergrund des Nachkriegsaufschwunges, der Systemkonkurrenz mit dem „Ostblock“ und einer selbstbewussten ArbeiterInnenbewegung sank zwischen 1958 und 1975 die Arbeitszeit pro Woche von 48 auf 40 Stunden, immer bei vollem Lohn, die Reallöhne verdoppelten sich.

In den 1970er-Jahren kam es in Deutschland zwischen einzelnen Gewerkschaften und den Industriellen zu einigen der längsten Arbeitskämpfe der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zuvor war die Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen, es kam zu Massenentlassungen in der Druckindustrie und einem Abbau von 10% der Stellen in der Metallindustrie. Die Gewerkschaftsführung, die sich in den vorrangehenden Jahren auf jeden noch so faulen Kompromiss eingelassen hatte, kam nun unter den Druck der Basis. Zwischen 1978 und 1984 kam es dann zu einer Reihe von Streiks in mehreren deutschen Bundesländern, vor allem in der Metall- und Druckindustrie. Die Streiks führten zu einer Reihe von Verbesserungen, etwa zu der Einführung der 6. Urlaubswoche in mehreren Branchen sowie einer je nach Branche unterschiedlich starken Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Nicht nur DruckerInnen und MetallerInnen konnten solche Verbesserungen erzielen - die Angst vor Streiks ließ in diesen Fragen auch die Unternehmerverbände z.B. beim Einzelhandel und bei Banken und Versicherungen einknicken. Jedoch wurden die Streiks durch die Gewerkschaftsführung praktisch ausnahmslos zu früh abgebrochen und gingen mit umfangreichen Zugeständnissen bei „flexibleren“ Arbeitszeiten einher.

Dass eine 35-Stunden Woche dennoch durchsetzbar ist, zeigte die Stadtregierung von Liverpool in den 1980er Jahren. In dieser waren AktivistInnen von Militant, der damals in der britischen Sozialdemokratie aktiven Vorgängerorganisation unserer britischen Schwesterpartei Socialist Party, führend. Neben einer ganzen Reihe anderer sozialer Maßnahmen wurde die Arbeitszeit pro Woche bei den öffentlich Bediensteten auf 35 Stunden begrenzt.

Für die Bosse sind Arbeitszeitregulierungen nie wirklich dauerhaft, sondern nur Zugeständnisse. In Österreich schreien Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer nach „Arbeitszeitflexibilisierung“ und meinen damit den 12-Stunden-Tag.

Niemand schenkt uns etwas. Wenn wir diese Verschlechterungen verhindern und wieder Verbesserungen erreichen wollen, dann müssen wir uns dafür politisch organisieren, demonstrieren und streiken.

 

Der ganze Schwerpunkt zum (Klassen)kampf um die Arbeitszeit:

  • Der (Klassen)kampf um die Arbeitszeit von Karin Karin Wottawa

https://www.slp.at/artikel/der-klassenkampf-um-die-arbeitszeit-8651

  • Her mit der 30h Woche bei vollem Lohn! Von Christian Bunke

https://www.slp.at/artikel/her-mit-der-30-stunden-woche-bei-vollem-lohn-8652

  • Marx aktuell: "Normalität" des Achtstundentagen von Thomas Hauer

https://www.slp.at/artikel/marx-aktuell-%E2%80%9Enormalit%C3%A4t%E2%80%9C-des-achtstundentages-8653

  • Zahlen und Fakten: Arbeitszeit in Österreich

https://www.slp.at/artikel/zahlen-und-fakten-arbeitszeit-in-%C3%B6sterreich-8654

  • Geschenkt ist nix – Arbeitszeitverkürzung erkämpfen! Von Manuel Schweiger

https://www.slp.at/artikel/geschenkt-ist-nix-arbeitszeitverk%C3%BCrzung-erk%C3%A4mpfen-8655

 

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