Gemeinsam kämpfen – gemeinsam gewinnen!

Konzerngesponserte Party-Umzüge haben wenig mit dem Aufstand am Christopher Street Day 1969 zu tun.
Flo Klabacher

Der Kapitalismus braucht Spaltung, um von den wirklichen Problemen abzulenken. Er braucht das Idealbild der traditionellen Familie, um Hausarbeit an unbezahlte Frauen auszulagern. Auch wenn Teile der herrschenden Klasse Profite aus dem LGBTQ-“Markt“ schlagen und Liberale wie Neos oder Grüne eine rechtliche Gleichstellung herstellen wollen: Insgesamt setzen herrschende Klassen weltweit vermehrt auf Sexismus, Rassismus – und auch Hetze gegen LGBTQ-Personen.

Das Referendum zur „Ehe für alle“ in Irland entlarvte das Märchen, dass Arbeiter*innen, weil „primitiv“ und ungebildet, besonders anfällig für homophobe Hetze seien. Im Gegenteil, die Vorsitzende der größten „Yes“-Kampagne erklärte: „Es schien, dass Haushalte mit viel Geld, vor denen zwei Autos geparkt waren, einfach weniger offen für eine Ja-Stimme waren“. Die Viertel, die am stärksten von der Wirtschaftskrise getroffen waren, stimmten mit den größten Mehrheiten von bis über 90% für eine Legalisierung. Kein Zufall: In genau diesen Gegenden wurde zeitgleich der Kampf gegen die geplante Wassersteuer geführt, die eine enorme Belastung für Arbeiter*innenfamilien darstellen würde. Ein Boykott der Steuer, begleitet von Massendemonstrationen und Nachbarschaftstreffen, angeführt von den Sozialist*innen der „Socialist Party“ (irische Schwesterpartei der SLP), wurde zur größten sozialen Bewegung seit Jahrzehnten. Dieser Kampf zeigte den Arbeiter*innen und sozial Schwachen deutlich, dass nicht Kolleg*innen und Nachbar*innen mit LGBTQ-Hintergrund, sondern die Parteien und Vertreter*innen des Kapitals ihre Gegner*innen sind. Während diese Bewegung im Gange war, fand das Referendum zur „Ehe für alle“ statt. In ihrer Kampagne legte sie einen Fokus darauf, den Zusammenhang vom Wassersteuer-Angriff und dem Versuch, Betroffene durch Homo- und Transphobie zu spalten, aufzuzeigen. Die Arbeiter*innenklasse in all ihrer Vielfalt nutzte das Referendum, um den konservativen Eliten einen Schlag zu versetzen. Viele wurden dabei zum ersten Mal in ihrem Leben politisch aktiv: Die Kampagne wurde zu einer sozialen Bewegung.

Die bürgerlichen Konzepte von Familie und Ehe müssen in einer freien Gesellschaft überwunden werden. In der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft muss jedoch die volle rechtliche Gleichstellung von LGBTQ-Personen auch bei der Ehe eine Forderung der Arbeiter*innenklasse sein. Denn wehren sich verschiedene Gruppen gegen Benachteiligung und Unterdrückung, wird für Betroffene sichtbar, dass sie im Kampf gegen die Eliten nicht alleine sind und eine Verbindung der Kämpfe sie schlagkräftiger macht – Solidarität ist eine starke Waffe. Das erkannten auch die Aktivist*innen von „Lesbians and Gays Support the Miners“ (LGSM) bzw. „Lesbians Against Pit Closures“: LGBTQ-Aktivist*innen wurden von Massenmedien ganz im Sinne der Thatcher-Regierung als „Perverse“ beschimpft. Sie erkannten: Nicht nur sie, sondern auch die um ihre Jobs kämpfenden Bergarbeiter*innen wurden von Thatcher und Medien attackiert. Sie begannen, Geld für die Streikenden zu sammeln, besuchten ihre Treffen und organisierten Soli-Events. Nach jahrelangem Kampf wurde die Bewegung der Bergarbeiter*innen besiegt. Doch die Solidarität der LGBTQ-Aktivist*innen wurde von den Gewerkschaften erwidert. Sie führten Pride-Paraden an, setzten in der Labour-Party eine pro-LGBTQ-Position durch und legten so den Grundstein für rechtliche Verbesserungen für LGBTQ-Personen in Großbritannien.

Auch im vermeintlich reaktionären Polen führte die Tatsache, dass man sich der selben reaktionären Regierung und ihren Angriffen gegenüber sah, dazu, dass 2006 Bergarbeiter und ihre Familien die Pride vor Angriffen von Faschisten schützten.

Dass sich die rechtliche Situation verbessert und sich immer mehr Leute gegen die Diskriminierung von LGBTQ-Personen stellen ist gut und wichtig. Doch es bedeutet nicht, dass sich die Situation aller Betroffenen verbessert. Die Auswirkungen der Krise treffen uns als Lohnabhängige alle, aber bestimmte Gruppen besonders. Hohe Arbeitslosigkeit, teure Mieten, prekäre, schlecht bezahlte Jobs, Arbeitslosigkeit, Armut – je weiter unten wir auf der sozialen Stufenleiter stehen, desto härter betrifft uns das. Der größte Teil der LGBTQ-Personen ist Teil der Arbeiter*innenklasse und überproportional stark betroffen. Denn trotz rechtlicher Verbesserungen existiert die Diskriminierung in der harten Realität (durch Chef*in, Vermieter*in,…) weiter und wird durch die rechte Hetze noch angefeuert. Gibt es ausreichend Jobs und Wohnungen, fehlt eine Grundlage für die Diskriminierung. Eine wirkliche Gleichstellung erreichen wir nicht mit Pride-Partys, sondern durch den stolzen Kampf gegen den krisenanfälligen Kapitalismus. Der Mensch als Mensch in seiner Buntheit und Vielseitigkeit kann sich erst in einer Gesellschaft entfalten, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht Profite das Wesentliche sind – eine demokratisch geplante, sozialistische Wirtschaft.

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