Fußball zwischen Kommerz und Korruption

Im Profifußball werden die Fans an die Seite gedrängt
Seán McGinley, Viernheim

Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich wird überall eine diffuse „Fußball-Begeisterung“ inszeniert und zelebriert. Doch das sportliche Großereignis findet zu einer Zeit statt, in der viele Fans eine zunehmende Entfremdung verspüren gegenüber dem, was aus dem Fußball geworden ist – überteuerte Eintrittskarten, zwielichtige FunktionärInnen sowie SponsorInnen und TV-Sender, deren Interessen immer Vorrang haben vor denen der Fans.

Spektakulärstes Beispiel hierfür ist der FIFA-Skandal, der zum Rücktritt von Sepp Blatter, dem langjährigen Präsidenten des Fußball-Weltverbandes und zu Ermittlungen gegen FIFA-Funktionäre führte. Vieles deutet darauf hin, dass die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland beziehungsweise Katar durch Schmiergeldzahlungen zustande kam. Auch in Bezug auf die WM 2006 in Deutschland und die EM 2012 in Polen und der Ukraine gibt es entsprechende Hinweise. Doch die FIFA behindert die effektive Aufklärung – so setzte man zwar mit Michael Garcia einen Sonderermittler zur Untersuchung der WM-Vergabe an Russland und Katar ein, verweigerte aber eine Veröffentlichung seines Berichts, so dass Garcia entnervt zurücktrat.

Nicht nur bei der Vergabe von großen Turnieren lassen sich die FußballfunktionärInnen mit korrupten Zahlungen kaufen. Der Sportartikelhersteller Nike soll seiner Bewerbung um den Exklusivvertrag als Ausstatter des brasilianischen Nationalteams mit der großzügigen Übernahme von dubiosen „Marketing-Gebühren“ in Höhe von vierzig Millionen Dollar Nachdruck verliehen haben.

Sterben für die WM

Solche Vorgänge verdeutlichen, wie sehr der Fußball zu einem Milliardengeschäft geworden ist, dessen Geschicke von Personen geleitet werden, die in einer völlig anderen Welt leben als die allermeisten Fußballfans – und auch in einer völlig anderen Welt als beispielsweise die zehntausenden zumeist migrantischen BauarbeiterInnen, die unter menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Bedingungen brutalster Ausbeutung die Stadien für die WM in Katar bauen. Der Internationale Gewerkschaftsbund schätzt, dass es bis zum Anstoß der WM 2022 7000 Todesfälle geben wird. Wenn die OrganisatorInnen den Fußball und die WM mal wieder öffentlichkeitswirksam als schönes, friedlich-fröhliches Fest verkaufen, das Menschen aus aller Welt vereint, wird das volle Ausmaß des Zynismus und der Heuchelei deutlich.

Faninteressen zählen nicht

Von daher ist es verständlich, dass kaum ein Fußballfan auf der Welt ein gutes Wort für die MachthaberInnen des Weltfußballs übrig hat. Doch auch die nationalen Verbände treiben diesen Prozess fleißig voran. In Deutschland und England gab es vergangene Saison Fan-Proteste gegen steigende Ticket-Preise. Fans von Borussia Dortmund boykottierten das DFB-Pokalspiel in Stuttgart, wo eine Stehplatzkarte 19,50 Euro kostete. Beim Champions-League-Duell in London gegen Arsenal setzten AnhängerInnen von Bayern München ein Zeichen gegen unverschämte Ticketpreise, und bei einem englischen Ligaspiel verließen Liverpool-Fans in der 77. Minute das Stadion, um dagegen zu protestieren, dass eine Karte für die Haupttribüne künftig 77 Pfund (97,65 Euro) kosten soll. Menschen mit geringem Einkommen können sich solche Preise einfach nicht leisten.

Hinzu kommt die Zerstückelung des Spielplanes, die kurzfristige Bekanntgabe von Spielterminen aus Rücksicht auf TV-Übertragungen, die nun hierzulande dazu geführt haben, dass die Erste Bundesliga auch montags spielt – so dass berufstätige Fans kaum die Möglichkeit haben, am Montagabend ein Auswärtsspiel ihres Vereins zu besuchen.

In Deutschland haben gut organisierte Fan-Strukturen, die über Vereinsgrenzen hinweg Proteste organisiert haben, dafür gesorgt, dass diese Entwicklung nicht so rasant vonstatten gehen konnte wie beispielsweise in England. Aber die Tendenz ist dennoch klar – diesen „Abwehrkampf“ werden die Fans auf Dauer nicht gewinnen können, weil die Kommerzialisierung des Fußballs eine logische Folge des kapitalistischen Gesellschaftssystems ist – um Ersteres zu bekämpfen, müssen wir Letzteres überwinden.