Friedentaube und Sozialreformer Obama?

Friedensnobelpreis, Gesundheitsreform und rechter Widerstand
Irene Müller

Selten hatte ein US-Präsident so viele Hoffnungen auf sich vereint wie Barack Obama. Innerhalb der USA gelang es ihm mit der Losung für einen grundlegenden politischen Wandel - „Change We Can Believe In“ - breite Schichten der Bevölkerung zu mobilisieren. Zehntausende Menschen beteiligten sich als WahlkampfhelferInnen sowie durch private Spenden an Obamas Wahlkampagne. Diese starke Politisierung, die schließlich auch an der Rekordwahlbeteiligung und Obamas großem Wahlerfolg deutlich wurde, fand nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vergangenen acht Jahre neoliberaler Bush-Politik statt. Besonders unter ArbeiterInnen und Teilen des Mittelstandes, die nun auch die Folgen der Wirtschaftskrise am härtesten zu spüren bekommen, war die Wut auf die unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik Bushs besonders groß.
Außerhalb der USA hofften vor allem Menschen in den am meisten vom US-Imperialismus betroffenen Ländern wie Irak, Afghanistan oder Iran, sowie die globale Antikriesbewegung auf einen außenpolitischen Kurswechsel der USA unter Obama.

Barack Obama ein Friedensbringer?

Zur allgemeinen Überraschung hatte auch das norwegische Friedensnobelpreis-Kommittee den Erwartungen an eine, nunmehr friedlichere, US-Außenpolitik Ausdruck verliehen, und Obama zum diesjährigen Träger des namhaften Preises ernannt. Diese Entscheidung ist mehr als seltsam, wenn man bedenkt, dass Obama Präsident eines Landes ist, das seit Jahren zwei Angriffskriege gegen Afghanistan und Irak führt, deren Ende derzeit nicht einmal absehbar ist. Zudem wurde kurz zuvor bekannt, dass die USA ihre Truppen in Afghanistan nun um weitere 34.000 SoldatInnen aufstocken wollen. Rückzugspläne sehen anders aus. Das Nobelpreiskommittee verteidigt seinen Entschluss mit der Begründung, dass Obama „auch in schwierigen Konflikten Dialoge und Verhandlungen wieder zu bevorzugen“ würde. Tatsächlich hat Obamas Kriegspolitik bisher keine qualitative Veränderung zu jener der Bush-Regierung bedeutet. Vielmehr spiegelt die überwiegende Unterstützung dieser Entscheidung seitens bürgerlich-liberaler Medien die anhaltende Hoffnung vieler Menschen auf die von Obama versprochene Kehrtwende zu Frieden und globaler Gerechtigkeit wieder.
Obamas Beliebtheit sinkt bereits. Und zwar weil im Grunde alles beim Alten bleibt!
Dennoch verliert Obama unter seiner eigenen Bevölkerung kontinuierlich an Unterstützung. Von  70% am Tag seines Amtsantrittes ist sie mittlerweile auf 50% gesunken. Hauptgrund für Obamas Popularitätseinbußen ist – neben Irak und Afghanistan - seine Sozial- und Wirtschaftspolitik. Mit großzügigen „Finanzierungshilfen“ für Banken und Unternehmen setzt er Bushs Politik, zugunsten von Großunternehmern und Industriellen, fort. Beispielhaft dafür ist sein Rückzieher in Sachen Gesundheitsreform. Als eines der Kernthemen des Wahlkampfes ist Obama mit dem Versprechen einer adäquaten Gesundheitsversorgung für alle US-BürgerInnen angetreten. Doch sein Engagement für eine flächendeckende Gesundheitsversorgung ist mittlerweile den Interessen der privaten Gesundheitsindustrie gewichen. Anstatt eines staatlich regulierten Gesundheitssystems in dem Beiträge und Finanzierung in einer öffentlichen Institution zusammenlaufen („Single Payer System“), für das er sich vor seiner Präsidentschaftskandidatur aussprach, beschränkte er sich auf den Versuch neben privaten Versicherungen auch einen öffentlichen Anbieter zu schaffen („Public Option“). Angemessene Gesundheitsversorgung unabhängig von Einkommen und Gesundheitszustand, kann jedoch nur ein öffentlich kontrolliertes Gesundheitssystem gewährleisten, das die Profitlogik des Marktes und damit auch die Milliardengewinne privater Versicherungsunternehmen unterbindet. Der aktuelle Entwurf sieht nun nicht einmal mehr eine staatliche Versicherungsoption als Konkurrenz zu privaten Versicherungen vor. Dieses „Zugeständnis“ hat sich die Krankenversicherungs-Industrie - mit dem Geld von Millionen ArbeitnehmerInnen - bereits teuer erkauft. Nicht nur die Demokraten kassierten 2008 über die Hälfte ihrer „Spenden“, sondern auch Obama bekam für seinen Wahlkampf mit 18 Millionen Dollar mehr als jeder andere Kandidat.
In den letzten Monaten hat die Obama-Administration bewiesen, dass die Demokraten unter Obama weiterhin uneingeschränkt an das US-Kapital gebunden sind und weder Reformen im Interesse der ArbeitnehmerInnen in den USA durchführen, noch die Kriege in Afghanistan und Irak beenden werden. Die Geschichte hat immer wieder bewiesen, dass dazu die Organisierung einer breiten Bewegung von ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen notwendig ist, die auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Universitäten für die Durchsetzung ihrer Interessen kämpft.

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