Do 03.10.2013
Glaubt man rechten amerikanischen KommentatorInnen, dann ist bereits der Vorschlag, allen BürgerInnen Zugang zum Gesundheitswesen zu geben „socialism“ und das Böse schlechthin. Und für manche „Linken“ ist Cuba ein sozialistisches Paradies und die DDR war „Frühsozialismus“.
Wir sehen das anders. Albert Einstein schrieb 1949: „Unbegrenzte Konkurrenz führt zu einer großen Verschwendung von Arbeit und zu der Verkrüppelung des sozialen Bewusstseins der Individuen […] Diese Verkrüppelung des Individuums halte ich für das größte Übel des Kapitalismus. […] Ich bin überzeugt, dass es nur einen Weg gibt, diese schwerwiegenden Übel zu überwinden, nämlich durch die Errichtung einer sozialistischen Wirtschaft […] In einer solchen Wirtschaft werden die Produktionsmittel von der Gesellschaft besessen und in einer geplanten Weise eingesetzt.“ Der Kern einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise. Die Konkurrenzwirtschaft führt zu Überproduktion, Krisen und Chaos. Im Mittelpunkt einer sozialistischen Wirtschaft steht nicht mehr das Profitstreben, sondern die planmäßige Orientierung auf die sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen etc. Bedürfnisse der Gesellschaft und der Menschen. Pläne gibt es auch im Kapitalismus. Jedes Unternehmen ist gezwungen zu planen. Doch diese Pläne sind zwischen den Betrieben aus Konkurrenzgründen nicht abgestimmt und dienen nur der Profitsteigerung. Daran ändern auch keine homöopathischen Eingriffe á la „Gemeinwohlökonomie“ etwas. Solange die Produktionsmittel (Maschinen, Grund, Arbeitsgeräte etc.) im privaten Besitz sind, wird für privaten Gewinn gewirtschaftet. Die Bedürfnisse der Gesellschaft und die individuellen Bedürfnisse sind im Profitsystem nicht von Bedeutung. Was gemeinsam für allgemeines Interesse geplant werden soll, muss auch allen gehören. Nur wenn „die Produktionsmittel von der Gesellschaft besessen“ werden, ist sinnvolles Wirtschaften im Interesse der Menschen möglich.
Es gab (und gibt) Staaten, in denen der größte Teil der Wirtschaft in staatlicher Hand waren/sind. War das Sozialismus? In Österreich machte der Anteil der Verstaatlichten teilweise bis zu einem Drittel der Wirtschaft – dabei v.a. die „Schwergewichte“ (Stahl, Elektrizität, Bergbau etc.) – aus. Dies lag v.a. an den besonderen Bedingungen nach dem Krieg. Die Betriebe selbst wurden aber von keiner Regierung (auch nicht der „sozialistischen“ Alleinregierung) als Teil einer allgemeinen Gesellschaftsveränderung betrachtet. Sie wurden bürokratisch geführt und dienten v.a. als billige Zulieferbetriebe und damit als indirekte Subventionen für die Privatwirtschaft. Mit Sozialismus hat das nichts zu tun. Auch die historischen wie aktuellen „sozialistischen“ Länder haben mit Sozialismus wenig mehr als den Namen gemeinsam. Denn: Sozialismus braucht Demokratie, wie der Körper Sauerstoff. Eine bürokratisch von oben geplante Wirtschaft kann bestenfalls kurzfristig funktionieren. In den stalinistischen Staaten gibt/gab es keine unabhängigen Parteien, Gewerkschaften, ArbeiterInnenorganisationen. Denn die jeweils herrschende Kaste an der Spitze der „kommunistischen“ Parteien fürchtet sich vor einem Eingreifen der Massen in die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Wo Kritik als Verrat betraft wird, gibt es keinen Sozialismus. Eine sozialistische/kommunistische Gesellschaft kann nur eine durch und durch demokratische Gesellschaft sein. Nur so kann wirklich im Interesse aller gewirtschaftet werden, nur so können alle gemeinsam entscheiden, in welche Richtung man sich entwickeln will.
Aber funktioniert das? Sind Menschen nicht faule EgoistInnen, die nur auf ihr eigenes Vorwärtskommen aus sind? Menschen werden von der Gesellschaft geformt, in der sie leben. Wir lernen von klein an, dass Egoismus gut und Solidarität schlecht ist, dass man nach oben buckeln und nach unten treten muss, um durchzukommen. Aber selbst in dieser Gesellschaft gibt es Solidarität. Unzählige Menschen sind in Gewerkschaften organisiert, weil sie wissen, dass sie nur gemeinsam etwas erreichen. 43,8 % der ÖsterreicherInnen leisteten 2006 freiwillige unbezahlte Arbeit für die Gemeinschaft (Pflege von Angehörigen nicht mitgerechnet). Tagtäglich zeigen Menschen, dass sie solidarisch sind. Die Gesellschaft, in der wir leben, verunmöglicht letztlich, dass diese solidarische Grundhaltung auch Grundlage der Wirtschaft wird. Eine demokratische, sozialistische Gesellschaft würde das volle Potenzial der Menschen freisetzen.