EU: 30 Millionen arbeitslos! FPÖ hetzt - EU sieht zu

Massenarbeitslosigkeit gehört zur Normalität im neuen Europa: 2004 wird jede/r vierte Arbeitnehmer/in in Österreich zumindest einmal auf Jobsuche sein. Offiziell waren im März dieses Jahres 310.000 Personen arbeitslos. In der gesamten EU sind nach dem 1.
Von John Evers, SLP-Wien Nord

Jugend ohne Perspektive

13.563 Jugendliche bräuchten im Moment laut Arbeiterkammer eine Lehrstelle – bei 2.463 offenen Lehrplätzen. Minister Bartenstein will das Problem mit sogenannten “Lehrstellenakquisiteuren” und einem eigenen Regierungsbeauftragten lösen. Diese sollen gemeinsam zur “besseren Vermittlung von Lehrlingen in Unternehmen” dienen. Doch während es durch Steuergeschenke und Subventionen noch niemals so billig war, Lehrlinge einzustellen, fallen immer mehr junge Menschen in die Armutsfalle. Inzwischen kann etwa jede siebente Frau unter 30 von ihrem Einkommen nicht mehr leben.
Am Beispiel Post: Woher kommt die Arbeitslosigkeit?
Eintausend Beschäftigte will die Post 2004 abbauen – trotz einer Vervierfachung des Betriebsergebnisses im Jahr 2003. Seit 1999 hat dieses Unternehmen damit fast ein Viertel des Personalstands reduziert, dutzende Postämter geschlossen und auch das Porto kräftig erhöht. Ein kleines Beispiel dafür, dass die höchsten Arbeitslosenzahlen seit den 30er Jahren nicht vom Himmel fallen. Sie sind die Folge der kapitalistischen Krise, aber auch von Privatisierungs- und Kahlschlagspolitik im öffentlichen Dienst.

Immer mehr ganz prekär!

Über 220.000 Menschen sind in Österreich nur mehr “geringfügig” angestellt – eine rasch wachsende Beschäftigtengruppe. Zehntausende “Neue Unternehmer” - die freien DienstnehmerInnen - verdienen im Schnitt 903,88 Euro im Monat, bzw. 7,73 Euro in der Stunde. Dies beinhaltet allerdings keine Arbeitslosenversicherung und keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Druck, trotzdem jede Stelle anzunehmen, ist enorm: Denn nur rund jedeR fünfte freie DienstnehmerIn ist dies freiwillig, 70 % der KollegInnen sehen Probleme bei der sozialen Absicherung. Besonders betroffen sind Frauen: Seit 1997 nahm der Anteil an prekären Beschäftigungsverhältnissen bei Frauen um rund die Hälfte zu (Zum ersten Streik gegen die grenzenlose Ausbeutung freier DienstnehmerInnen siehe S. 3).

Brutale Härte gegen Betroffene

Jede zweite beim AMS gemeldete offene Stelle fällt in die Kategorie Teilzeit oder “projektbezogenes Dienstverhältnis”. Doch wer als Arbeitslose/r nicht bereit ist, dauerhaftem Lohnverlust und fehlender sozialer Absicherung zuzustimmen, wird zunehmend brutal bestraft. Rund 13.500 mal wurde im letzten Jahr arbeitslosen KollegInnen das Arbeitslosengeld gesperrt. Die Zeitung “Arbeit und Wirtschaft” schätzt, dass rund 60.000 ArbeitnehmerInnen pro Jahr von Sanktionen betroffen sind.

FPÖ hetzt – Schüssel schweigt lieber

Ende April präsentierte die FPÖ ihr “5 Punkte Programm”, in dem noch schärfere Sanktionen gegen Arbeitslose gefordert werden. Generalsekretärin Bleckmann “verwies in diesem Zusammenhang auf die gehäuften Beschwerden von Unternehmern, dass viele Arbeitslose die Arbeitssuche nicht ernst nähmen: Arbeitsuchende kämen nur zu Einstellungsgesprächen um den Stempel für das AMS abzuholen.” Schüssel schweigt zwar zur Massenarbeitslosigkeit und solcher Hetze gegen die Betroffenen. Allerdings wird die - schon im Regierungsübereinkommen festgehaltene - Abschaffung der Notstandshilfe schrittweise umgesetzt. Jeder achte Antrag auf Notstandshilfe wurde 2003 abgelehnt (85 Prozent davon waren Frauen). Gleichzeitig ist die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen in den vier Jahren Schwarz-Blau um 76 Prozent explodiert. Bilder wie in der Zwischenkriegszeit zeichnen sich ab: Ein wachsendes Heer von Arbeitslosen ohne jeden Rechtsanspruch auf staatliche Unterstützung.

EU: Projekt ohne Hoffnung für Arbeitslose

Sowohl den 20 Millionen Arbeitlosen im “alten” EU-Raum, wie den mindestens 10 Millionen ohne Job in den neuen EU-Staaten, bietet sich nach der Osterweiterung die gleiche Perspektive: “Die fortgesetzte Steigerung der Produktivität wird meist von einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen begleitet” (Kurier 27.2.04). Die EU war immer ein neoliberales Projekt, welches die Förderung von Wettbewerb als das zentrale Mittel zur Schaffung von Beschäftigung vorsieht. Real werden so KollegInnen in Ost und West in einen Krieg um Standorte gehetzt, von dem einzig die Kapitalseite durch niedrige Löhne und Abgaben profitiert. Genau hier liegt auch der Nährboden, auf dem Nationalisten und Rechtsextremisten ihre Propaganda ausbreiten können.
Gemeinsamer

Widerstand jetzt!

Schüssel und EU schweigen und schauen zu, weil sie keine Antwort für jene 800.000 Menschen haben, die heuer alleine in Österreich einen Job suchen werden. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit ist tatsächlich eine Frage, die von den Gewerkschaften und der ArbeiterInnenbewegung alleine auf internationaler Ebene gelöst werden kann. Der gemeinsame Kampf für die 30 Stundewoche bei vollem Lohn, europaweite Mindestlöhne und Kollektivverträge wäre ein erster Schritt (mehr zu Hintergrund und Alternativen auf S. 2).

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