Eine neue Qualität: Bericht vom Flüchtlingsmarsch von Traiskirchen nach Wien

Tilman M. Ruster

Am 25.11. um 7h morgens trafen sich die ersten AktivistInnen vor dem Erstaufnahmezentrum für AsylwerberInnen in Traiskirchen. Anlass war die katastrophale Situation von Flüchtlingen im Allgemeinen und im Lager Traiskirchen im Besonderen. Das gleichzeitig ein internationaler Aktionstag gegen das bestehende Asylrecht in Europa war, war gut so. Warme Kleidung und Verpflegung für die unterversorgten Flüchtlinge stand bereit.

Die Initiative für diesen Marsch ging von den BewohnerInnen des Erstaufnahmezentrums selbst aus. Diese Initiative wurde von antirassistischen AktivistInnen in Österreich aufgenommen.

Von Anfang an versuchten die Behörden den Marsch zu sabotieren. Eine Maßnahme dabei war die Ankündigung einer Kontrolle am Morgen des Marsches. Alle AsylwerberInnen müssen da normalerweise anwesend sein. Auf den Druck von Medienberichten hin sagte das Innenministerium zwar die Teilnahme an der Demo sei ein ausreichender Grund der Kontrolle fern zu bleiben, allerdings hat sich das Innenministerium insbesondere gegenüber den Flüchtlingen selten als vertrauenswürdig erwiesen.

Entsprechend groß war die Sorge und daher war es für viele schwierig, an der Demo teilzunehmen. So zogen wir erst mit Verspätung, um 11h los. Ca. 200 Flüchtlinge, vor allem aus Pakistan und Afghanistan, nahmen teil! Ein unglaublicher Erfolg, wenn mensch die verschiedensten Einschüchterungsversuche des Hauspersonals bedenkt. Die Tatsache, dass so viele sich dennoch anschlossen zeigt die Verzweiflung über die Situation in Traiskirchen.

Die BewohnerInnen des Ortes Traiskirchen reagierten sehr unterschiedlich. Die Wut über Politikerkorruption, Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut sind in der ehemaligen Heimatstadt der Semperitwerke groß. Oft wurde die Arbeitergemeinde von SPÖ und ÖGB-Spitze im Stich gelassen. Die Wut wird von den Herrschenden geschickt auf die Flüchtlinge gelenkt um von den wahren Ursachen abzulenken. Das drückte sich auch an diesem Tag in Form von negativ Reaktionen auf die Demo aus. Das verdeutlicht den bisherigen Erfolg der Strategie des Innenministeriums: Durch künstlich hergestellten Mangel und ständige Überbelegung im Lager und wenigen sinnvollen Möglichkeiten zur Beschäftigung der Flüchtlinge kann es zu Spannungen mit den Einheimischen kommen. Die Verantwortung dafür liegt weder am Charakter der Flüchtlinge noch der AnwohnerInnen, sie liegt bei den Behörden.Sogar ein Vertreter der Polizei meinte im Gespräch: "Wer sagt, dass Traiskirchen ein Kriminatlitätsproblem wegen den Flüchtlingen hat, der lügt einfach."

Doch es gab auch positive Reaktionen von TraiskirchnerInnen, einige waren sogar extra zur Auftaktkundgebunge kommen und begleiteten die Demo ein Stück.

Das Lager in Traiskirchen stellt eine ständige, gewollte Überforderung aller Betroffenen dar. Der Marsch der Flüchtlinge wollte auch darauf aufmerksam machen.

Über die gesamten ca. 40km Strecke war die Stimmung auf der Demo unglaublich kämpferisch. Beinahe ständig wurden Demosprüche gerufen und nie kam spürbare Müdigkeit auf. Diese unglaubliche Energie der Flüchtlinge steckte auch die österreichischen UnterstützerInnen an.

Sie ist das deutlichste Zeichen der Wut über die Verhältnisse in Traiskirchen und die verachtende Art wie mit ihnen umgegangen wird.

Im Verlauf der Strecke kam es zu immer mehr positiven Reaktionen. PassantInnen winkten uns zu, hupten zur Unterstützung oder sprachen ein paar aufmunternde Worte.

Angesichts der aktuellen Diskussion um das Asylwesen war das Medieninteresse sehr groß. Viele Flüchtlinge kamen in Interviews zu Wort, etwas was sonst selten in den bürgerlichen Medien vorkommt. Enstsprechend ausgiebig nutzen die AsylwerberInnen dieses Forum für ihre Forderungen.

Im Dunkeln, zwei Stunden später als geplant erreichten wir den Asylgerichtshof im 10. Bezirk. Schon ab der Stadtgrenze stießen immer wieder AktivistInnen in Gruppen oder alleine zur Demo zu. Am Gerichtshof warteten dann schließlich mehrere hundert DemonstrantInnen auf uns. Gemeinsam zogen wir weiter über den Karlsplatz, über den Ring vorbei am Parlament zum Votivpark, wo Flüchtlinge ein Protestcamp errichteten. Die BewohnerInnen des Camps sind fest entschlossen zu bleiben, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Unter diesem Link sind sie nachzulesen: http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2012/11/25/bewegungsfreiheit-fur-alle-fluchtlinge-we-will-rise/

SLPlerInnen waren seit 7h morgens dabei. Auch weiterhin werden wir das Camp unterstützen und uns politisch einbringen. Ein nächster Schritt wäre eine große Demo in Wien. Dabei brauchen wir die Unterstützung aller antirassistischen Organisationen.

Die Forderung der SLP bleibt: Gleiche Rechte für alle die hier leben!