Eine Kärntner Provinzposse?

“Kampf der Kulturen“ auf österreichisch:
John Evers, SLP Wien

35.000 Menschen (Stand 22.2.2006) haben binnen weniger Wochen die Initiative pro Kärnten/za Koroško welche die “Patenschaft“ für zweisprachige Orttafeln in Kärnten übernehmen möchte, unterschrieben. Das sind nicht nur weit mehr als dreimal so viele Menschen, die laut Volkszählung 2001 zur slowenischen Minderheit gehören (14.010), sondern auch etwa gleich viele Personen wie der Kärntner Heimatdienst (25.000) und der  Abwehrkämpferbund (10.000) gemeinsam auf sich vereinen. Alleine diese Zahlen unterstreichen bereits: Kärnten mag zwar “anders“ sein aufgrund einer Vielzahl historischer und sozioökonomischer Vorbedingungen. Kärnten ist vor allem auch in vielerlei Hinsicht (Arbeitslosenzahlen, Armut, Lohnentwicklung) soziales Schlusslicht der Republik. Doch das “Kärntner Wesen“ gerade jetzt auf die Aktionen Haiders und das Unwesen rechter Verbände zu reduzieren, bzw. Kärnten in deren Geiselhaft zu begeben, wäre völlig verfehlt. Ebenso wenig gibt es übrigens “die“ slowenische “Bedrohung“, wie Marjan Sturm vom Zentralverband der Kärntner Slowenen festhält und zurrecht beide Seiten wie folgt klar differenziert:  “Dass es innerhalb der Mehrheit und innerhalb der slowenischen Volksgruppe auch Nationalisten gibt, die eher an einer Konfliktstrategie festhalten, ist unbestreitbar. Ich halte z.B. das Konzept der politisch homogenen Volksgruppe, die von Teilen der Landes-EL (slowenische Einheitsleiste, Anm. JE) befürwortet wird für kontraproduktiv. Dass mitunter in Slowenien von einigen Politikern auch blöde und ungeeignete Wortmeldungen zu Kärnten kommen, sei ebenfalls unbestritten.“ (http://www.slo.at/zso/sturm_de_more.php?id=774_0_5_0_M)

Ungewohnte Radikalität - aber nicht (nur) von Rechts

 Während die Initiative  pro Kärnten/za Koroško lediglich im virtuellen Raum agiert und neben einer Vielzahl von Allgemeinplätzen auch Unsinn verbreitet (“Europa ist ein freier Zusammenschluss von Staaten, Menschen, Sprachen und Kulturen in einer föderalistischen demokratischen Ordnung und beinhaltet die soziale und kulturelle Gleichstellung aller und nimmt die Vielfalt als selbstverständlich wahr.“) , der sich wohl kaum mit der Wahrnehmung vieler Menschen über die Entwicklung z.B. der EU  deckt, haben gerade viele junge KärnterInnen genug von der Demütigungsstrategie gegenüber der slowenischen Minderheit. Durch absichtliches Schnellfahren provozierte Klagen gegen einsprachige Orttafeln, Demonstrationen von Jugendlichen und das eigenhändige Aufstellen zweisprachiger Schilder scheinen Ansätze eines neuen Selbstbewusstseins zu demonstrieren, dass nicht mehr bereit ist – wie etwa die gesamte SPÖ-Bundesspitze in den 70er Jahren (1972, “Ortstafelsturm“) - ggf. vor einem (von Haider aufgehetzten) rechten Mob zurück zu weichen.

Kanzler schweigt – SPÖ windet sich

Ganz anders die Kaste der etablierten Politik: Während Haider selbst in der Meinung konservativer JuristInnen und HistorikerInnen Rechtsbruch und gezielte Manipulation zur Sicherung des eigenen Überlebens betreibt, schauen Schüssel und Co. zu. Der Schwarzfunk ORF weigert sich den von ihm selbst in Auftrag gegebenen Film “Artikel 7 - unser Recht“ zu senden. Artikel 7 bezieht sich auf die staatsvertraglich garantierten Minderheitenrechte.  Doch auch nicht viel besser verhält sich die SPÖ - die ja schließlich Haider mit zum Landeshauptmann wählte. Wer glaubte unter der neuen Vorsitzenden Schaunig würde sich an der Praxis der Kollaboration mit dem rechten Rand wirklich etwas ändern, wurde bitter enttäuscht. Angesicht der Aktion ein zweisprachiges Ortschild in “St. Kanzian/Skocjan“ aufzustellen berichtet die Kleine Zeitung (20.2) unter der Überschrift “SPÖ verurteilt Rechtsbruch durch Aktivisten“: “Scharfe Kritik an der Demontage einer einsprachigen Ortstafel in St. Kanzian übt auch die Kärntner SPÖ. “Rechtsbruch ist und bleibt Rechtsbruch, egal von wem er begangen wird, und ist entschieden zu verurteilen“, erklärten LHStv. Gaby Schaunig und der SPÖ-Bezirksvorsitzende von Völkermarkt Abg. Jakob Strauss am Montag. Radikale Schritte auf beiden Seiten könnten keinesfalls gutgeheißen werden und würden die Situation in Kärnten anzünden, anstatt einen Beitrag zur Deeskalation zu leisten (…).“ Angesichts der historischen Verantwortung der SPÖ für den aktuellen Zustand der Kärntner Minderheitenpolitik, ist diese Aussage geradezu peinlich.

Ausgang offen

Tatsächlich scheint es derzeit völlig offen, ob es Haider mit dem neuerlich und bewusst “von oben“ entfachten Orttafelkampf, tatsächlich gelingt das – wohl einzige – (Grund-)Mandat für das BZÖ im Kärntner Regionalwahlkreis Ost zu erlangen. Gelungen ist ihm damit zweifellos ein Stück der unglaublichen Skandale seiner Chaostruppe zu verdecken; Medien sprechen alleine von 4,2 Millionen Euro Kosten für die sehr an die BZÖ-Parteiwerbung erinnernde Kampagne “Zukunft Soziales Österreich“ des Sozialministeriums (der standard, 22.2). Was Kärnten daher auch braucht ist, eine neue politische Kraft, welche die tatsächlich brennenden Probleme des Landes, sowie gerade das Versagen und die politische Korruption des BZÖ auf Bundes- und Landesebene aufgreift.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: