Ein Jahr Aufbruch

Zum Geburtstag gilt es, aus den Fehlern zu lernen und das Potential zu nützen.
Tilman M. Ruster, SLP und Mitglied der Aufbruch-Koordination

Im Juni 2016 war es soweit: Nach langer Vorbereitung fand der Gründungskongress von Aufbruch statt. Über 1000 Leute machten die größte linke Konferenz in Österreich seit langem aus. 1000 Leute, die vor allem eine Einsicht einte, die auch das Motto der Konferenz war: „So wie bisher kann es nicht weitergehen!“. Klar war, dass dem ständigen Rechtsruck der bürgerlichen Parteien und den verstärkten Angriffen der Herrschenden auf unsere Lebensstandards seit Beginn der Krise eine linke Antwort entgegengestellt werden musste und immer noch muss. Sonst war eigentlich wenig klar für die AufbrecherInnen, wie sich besonders in den folgenden Wochen zeigte. Wollen wir eine neue Linkspartei werden? Wenn ja, wie kommen wir dahin? Wollen wir uns auf außerparlamentarischen Widerstand begrenzen? Wie könnte der aussehen? Leider wurden diese und andere Debatten kaum in organisierter und demokratischer Form geführt.

Trotzdem hatten sich fast 30 Gruppen bis zum Sommer gebildet. Rund um einen Aktionstag zum Thema Reichtum Mitte August wurde das Aufbruch-Potential gut deutlich: Staßenfeste, politische Stadtführungen, Kundgebungen... fast alles wurde gut angenommen und es gab viel Beteiligung. Sehr erfolgreich waren auch Aktionen wie die gegen die Kündigung einer Kollegin bei Müller, die sich für einen Betriebsrat stark gemacht hatte. Die schnelle Mobilisierung von über 30 AufbrecherInnen binnen eines Tages zeigt die Schlagkraft, die Aufbruch hat, wenn sie richtig abgerufen wird. Beim Vorbereiten entstanden hier und da Strukturen, die tatsächlich arbeitsfähig und stabiler waren. So argumentierten wir auch damals schon: Struktur-Debatten sollten eben nicht statt praktischer Arbeit stattfinden, sondern entlang der Notwendigkeiten, die sich aus den praktischen Erfahrungen ergeben. Stattdessen gibt es leider oft eine ungesunde Arbeitsteilung zwischen Praxis und Theorie.

Heute, ein Jahr nach der Gründung, ist Aufbruch kleiner geworden. Es wäre aber falsch, die Gründe dafür in wenig erfolgreichen Strukturdebatten zu suchen. Worum es eigentlich geht, zeigt das Beispiel der Grazer Aufbruch-Gruppe. In Graz entstand im Frühjahr 2017 mit der Bewegung gegen das Murkraftwerk ein spannendes Arbeitsfeld für Aufbruch. Politische Arbeit in einer sozialen Bewegung verlangt viel von einer so jungen Gruppe, aber die Herausforderung wurde angenommen. Mit eigenen Vorschlägen für Programm und Methode der Bewegung gelang es der Gruppe, einen linken Pol aufzubauen. Darüber ist die Gruppe gewachsen und konnte sich gleich ein Profil als aktivistische und kämpferische Kraft aufbauen. Die Bewegung hat sichtbar vom Aufbruch profitiert und die Gruppe auch von der Erfahrung. Diese Erfahrung und diese Aufbau-Möglichkeit brauchen wir in ganz Österreich. Bewegungen lassen sich aber kaum „starten“. Das „spontane Element“ sich frisch politisierender Leute lässt sich nicht künstlich herstellen. Wir können aber analysieren, wo Widerstand entstehen könnte und uns bewusst dort aufbauen.

Viele AufbrecherInnen sind im Sozialbereich tätig. Auch haben viele von uns sich über Asyl-Fragen und besonders die Bewegung von 2015 politisiert. Wir können als Teil unserer Kampagne versuchen, Treffen von FlüchtlingsbetreuerInnen und Geflüchteten zu organisieren. Auf Demonstrationen, bei eigenen Aktionen und vor Unterkünften können wir dafür mobilisieren. Auf den Treffen können wir Aktionen planen und zwar in organisierter, längerfristig angelegter Form, denn die wird es brauchen. So ein Format würde die Chance verbessern, für Beschäftigte und Geflüchtete gleichermaßen Verbesserungen zu erkämpfen und gleichzeitig neue AktivistInnen für Aufbruch gewinnen. Diese Beispiele lassen sich auch auf Erwerbslose, DruckerInnen, SchülerInnen, UmweltaktivistInnen, feministische AktivistInnen und Andere übertragen, die in letzter Zeit durch Demos und Aktionen auf sich aufmerksam gemacht haben. Aufbruch sollte flexibel genug sein, um Widerstand gegen die Politik der Reichen, wo immer er ausbricht, unterstützen zu können.

Im Pflege-Bereich haben sich bereits AufbrecherInnen zusammengetan und gemeinsam überlegt, wie sie weitere KollegInnen ansprechen und vor allem Widerstand organisieren könnten. Das sollten wir wiederaufleben lassen. „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“ ist nach wie vor ein guter Slogan, um zu zeigen, dass genug für alle da ist - und um die erwähnten und andere Kämpfe zu verbinden.

Das weitgehende Ausbleiben von sozialen Bewegungen macht den Aufbau von Aufbruch oft mühsam. Das ändert aber nichts daran, dass es notwendig ist, sich weiter für eine neue, starke Linke einzusetzen. Aus Sicht der SLP geht es darum, eine kämpferische, demokratische und sozialistische ArbeiterInnenpartei aufzubauen. Das betonen wir seit vielen Jahren. Ob Aufbruch ein Schritt in diese Richtung gelingt, bleibt offen. Sicher ist aber, dass dort ehrliche Kräfte am Werk sind, mit denen wir weiter zusammenarbeiten wollen.

 

Alle Stellungnahmen der SLP unter: http://slp.at/themen/aufbruch

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