Die neue Abschiebeverordnung

Alles beim Alten
Philipp Fleischmann

Zwei Monate nach dem Fall Omofuma gab Innenminister Schlögl am 30. 6. 1999 eine neue Richtlinie für Abschiebungen auf dem Luftweg heraus. Hier ist in nüchternem Verordnungsdeutsch nachzulesen, wie Schubhäftlinge in nächster Zeit aus Österreich abtransportiert werden –  Menschen, die nichts anderes verbrochen haben, als daß sie nach Österreich kommen wollten.
„Zulässig ist das Fesseln des Betroffenen an Händen und/oder Beinen, das Fixieren mit Händen und Beinen am Sitz (z.B. mit Bandschlingen, Klettbändern, Gürtel).“ (Ziffer 2.6) – so klingt der Originaltext. Um Kritiker beruhigen zu können wurde zwar die Verwendung von „Klebebändern, Leukoplast oder ähnlichen Produkten (...) ausnahmslos untersagt“, einen Absatz weiter oben bekommt man aber noch einmal einen unangenehmen Einblick in die österreichische Abschiebungspraxis der Neunziger: „Das zwangsweise Anlegen von Windeln udgl. ist ausnahmslos zu unterlassen“. Interessant ist auch eine Änderung gegenüber der letzten „Richtlinie“ (7. 5. 1999): Unmittelbar nach dem Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma verordnete Schlögl den Einsatz von „Integralhelmen“ als sanftere Variante – nur wenige Wochen später, am 29. 5. 1999 starb ein Schubhäftling in Gewahrsam des deutschen Grenzschutzes, weil er mit dem Motorradhelm zu fest „fixiert“ worden war. Entsprechend ist in der neuen Richtlinie nichts mehr von Motorradhelmen zu lesen.
Abschiebungen sollen zukünftig in extra angemieteten Privatflugzeugen abgewickelt werden. Am 24. Juni fand der erste Transport dieser Art statt. In einem „Learjet“ des „Internationalen Flugrettungsdienstes Austria“ wurden vier Schubhäftlinge ausgeflogen – zum stolzen Preis von ÖS 500.000,- allein für den Flug. Kooperation mit der Schweiz ist bereits abgesprochen, mit Deutschland finden Gespräche statt.
Die Vermutung liegt nahe, daß das Innenministerium sich dadurch vor unliebsamen Zuschauern schützen will. Schlögl hat zur Kontrolle der Abschiebungen einen neuen „Menschenrechts-Beirat“ eingesetzt. Dieser dürfte ein lächerliches Feigenblatt für das Innenministerium werden: Die fünf Vertreter verschiedener Ministerien und die fünf Vertreter von Menschenrechtsorganisationen haben nur beratende Rechte, werden vom Innenminister bestellt und können jederzeit von ihm abberufen werden.
Trotzdem er öffentlich unter Druck gekommen ist, setzt Schlögl seine Politik fort – und erinnert damit an die FPÖ, die ja bekanntlich „schonungslose“ Abschiebungen fordert (Standard 29./30. 5.).
Ein Element der neuen Abschiebungsverordnung ist auch die medizinische und psychologische Untersuchung vor der Abschiebung, die möglicherweise auftretende Probleme bereits vorher abschätzen soll. Die Schubhäftlinge werden so dargestellt, als ob sie eben „einfach so“ „Aggressionsneigungen“, „Neigung zu Panikattacken“ oder ähnliches haben. Daß so etwas in Zusammenhang mit dem steht, was sie in ihrem Heimatland erwartet, wird gar nicht erst in Betracht gezogen.
Die neue Abschiebepraxis ist keinesfalls ein Wendepunkt in der Asyl-politik der letzten Jahre. Die relativ breite Solidarität die es nach dem Fall Omufuma mit AsylbewerberInnen gab, wurde von den führenden „MenschrechtsvertreterInnen“ – wie bei SOS Mitmensch, oder den Grünen – leichtfertig verspielt. Sie haben es verabsäumt die breite Solidarität in eine breite Solidaritätsbewegung umzuwandeln. Beim „Gegenschlag“ von Innenministerium und FPÖ – Verhaftungsaktionen und Inserate gegen NigerianerInnen – sind sie stumm geblieben, oder haben sich von den Betroffenen distanziert. Betroffenheit angesichts der Folgen der menschenverachtenden Asylpolitik ist zuwenig – Gegenwehr ist nötig!

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