Der Austro-Faschismus als eine Form von Faschismus

Moritz Erkl

In den letzten Jahrzehnten wurde der Faschismus als Phänomen der Zeit erklärt. Das ist ein Versuch, ihn als Reaktion auf die „rote Gefahr“ darzustellen – die Verantwortung wird indirekt auf ArbeiterInnenbewegung und Bolschewismus abgewälzt. Die quer durch das bürgerliche und manchmal auch „linke“ Lager beliebte Totalitarismus-Theorie setzt Stalinismus mit Faschismus gleich. Die den beiden Systemen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse werden missachtet.

Der Stalinismus prägte die „Sozialfaschismustheorie“. Die Sozialdemokratie wurde als „linker“ Flügel des Faschismus hingestellt. Laut Stalin war die Bereitschaft, die bürgerliche Herrschaft gegen ArbeiterInnen zu verteidigen, Faschismus. So simpel ist es aber nicht!

Trotzki näherte sich der Frage von einer anderen Seite. Er charakterisierte die Aufgaben und die Interessen, die der Faschismus vertritt. Unabhängig von individuellen und psychologischen Gründen hat er vor dem Hintergrund der damaligen Wirtschaftskrise und der systemimmanenten Widersprüche des Kapitalismus erkannt, dass der Faschismus die letzte Möglichkeit der herrschenden Klasse war, an der Macht zu bleiben. Das ist allerdings kostenintensiv und mit Risiken verbunden. Insofern ist er zwar für das Kapital als letzter Ausweg interessant, benötigt jedoch die Mithilfe des Kleinbürgertums. Dieses wird „zu einem Rammbock gegen die Arbeiterklasse und die Einrichtungen der Demokratie“ (Leo Trotzki, Portrait des Nationalsozialismus, 1933).

Die zentrale Aufgabe des Faschismus ist die Zerschlagung der ArbeiterInnnenbewegung und ihrer Organisationen.

„Der Faschismus ist nicht einfach ein System von Repression, Gewalttaten, Polizeiterror. Der Faschismus ist ein besonderes Staatssystem, begründet auf der Ausrottung aller Elemente proletarischer Demokratie in der bürgerlichen Gesellschaft.“ (Leo Trotzki, „Was tun?“, 1932)

Dazu braucht der Faschismus bewaffnete Formationen wie etwa die Heimwehren in Österreich oder die SA in Deutschland. Gräueltaten wie die Ermordung von Millionen von JüdInnen sind per se keine Merkmale des Faschismus. Rassismus und Terror jedoch schon. Es gab auch verschiedenste faschistische Regimes, die durchaus in Konkurrenz zueinander standen. Ein Krieg zwischen dem faschistischen Italien und Deutschland wegen dem faschistischen Österreich war nicht ausgeschlossen. Der Austrofaschismus orientierte sich an Mussolini und stand im Widerspruch zu Hitler.

Der Anschluss 1938 wurde insofern 1933 mit der Errichtung des Austrofaschismus „vorbereitet", weil der Widerstand der ArbeiterInnenbewegung schon gebrochen war. Wenn der Faschismus eine Diktatur des Kapitals ist, dann ist seine Stärke von der Stärke des Kapitals abhängig. Das erklärt auch die Schwäche des Austrofaschismus. Das deutsche Kapital war wesentlich stärker.

Bis heute hat sich die ÖVP nicht von ihrer Vorgängerpartei, der Christlich Sozialen Partei, distanziert. Sie versuchen noch immer, Faschisten wie Dollfuß, Schuschnigg usw. als Widerstandskämpfer gegen die Nazis darzustellen. Das ist blanker Hohn! In Wirklichkeit waren es ArbeiterInnen, die die Hauptlast des Widerstandes trugen und nicht irgendwelche AustrofaschistInnen oder die schwammige Zivilgesellschaft.

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