Dem System den Stecker ziehen

Von Zwentendorf bis in den Hambacher Forst – es gibt keinen sauberen Strom im Kapitalismus.
Moritz Bauer

40 Jahre nach dem Sieg gegen das AKW Zwentendorf ist der Atomausstieg längst nur noch hohle Phrase. Sogar Japan baut wieder fleißig. Der durchliberalisierte Energiemarkt sorgt dafür, dass auch Atomstrom durch österreichische Kabel fließt: Über 50% des Stroms in Österreich werden importiert, der Großteil aus Atomstrom-Ländern wie Deutschland oder Tschechien. Der Kapitalismus kommt nicht von Kernenergie los. Auch sonst werden Umweltstandards runtergefahren – zugunsten schmutziger Energieträger. Der Hintergrund: Die Wirtschaftskrise. Auch der aktuelle „Aufschwung“ geht auf Kosten von Umwelt und Klima. Und das, obwohl der Weltklimarat uns nur noch bis 2030 gibt, um radikale Maßnahmen gegen den Klimawandel umzusetzen – bevor auch die schlimmsten Folgen unumkehrbar werden.

Auch die Frage des Hambacher Forsts zeigt, dass das System nicht nur unfähig ist, tatsächlich sauberen Strom zu produzieren, sondern aktiv dagegen arbeitet: Der deutsche Energiekonzern RWE will den Wald roden, um dort Braunkohle abzubauen. Und das nicht einmal für den deutschen, sondern für den internationalen Markt. Denn Deutschland ist Stromexporteur. Von diesen Exporten sind viele Staaten abhängig.

Auch die Stromkonzerne hierzulande sind untrennbar mit dem globalen Markt verbunden und im (Teil-)Besitz anderer Unternehmen. RWE besitzt beispielsweise 1/3 der Kelag aus Kärnten. Der (Atom-) Energieerzeuger EnBW hält 1/3 der EVN aus Niederösterreich. Deren aktueller Kraftwerksneubau Rosenburg stellt ebenfalls einen zerstörerischen Eingriff in Auwald und Flusslandschaft dar. Die französische EfG, welche fast 1/4 des Stroms der EU liefert, besitzt 1/4 der Energie Steiermark.

Was also tun? Viele steigen auf „Ökostrom“ um, auch, weil Greenpeace und Co. dazu aufrufen. Insgesamt wird europaweit aber bereits jetzt mehr Strom aus erneuerbaren Energien eingespeist, als es „Ökostrom“-KundInnen gibt – dadurch wird hier auch kein Ausbau von erneuerbarer Energie bewirkt. Außerdem wird der Großteil der Energie für Industrie und Verkehr verwendet (in Österreich mehr als 60%) während nur ca. 1/4 in private Haushalte fließt. Individuelle Kaufentscheidungen ändern also nichts am großen Bild. Konzerne werden immer den kurzfristig billigsten Strom nutzen, um Profite zu machen. Ökostrom ist also auch keine Lösung für den Klimawandel innerhalb des Kapitalismus. Am Markt muss auch der „sauberste“ Strom nach den Regeln der Profitorientierung spielen.

Was wir stattdessen benötigen, ist eine Reorganisation des gesamten Energiesektors. Dieser darf nicht dem Profit dienen, sondern den Menschen und der Umwelt. Die Technologie dafür ist da, ein rascher Umstieg ist möglich. Und das ohne Verlust von Arbeitsplätzen: Die Klimakiller gehören enteignet und ihre Milliarden für Jobs im Bereich erneuerbarer Energien eingesetzt. Die Proteste im Hambacher Forst könnten Startpunkt für internationale Mobilisierungen gegen Klimawandel, Ausbeutung und Kapitalismus sein!

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