Corona, Matura, Klima - Interview mit Klimaaktivistin Lena Schilling

Interview mit Lena Schilling, aktiv bei Fridays for Future und dem Jugendrat, über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Schüler*innen und die Klimabewegung

Lena, du bist im letzten Schuljahr, wie betrifft dich die Corona-Krise als Maturantin?

So wie für die meisten Menschen hat sich der Alltag massiv verändert. Statt einem geregelten Tagesrhythmus, leben wir nun in Unsicherheit. Plötzlich hieß es ab Montag sind die Schulen geschlossen. Es war weder klar, wann sie wieder öffnen, noch was das für unseren Abschluss oder unsere Lebenssituation bedeutet.  Diese Unklarheit ist neben dem Druck, der von der Matura schon grundlegend ausgeht, sehr belastend.

Welche Probleme siehst du in Bezug auf Corona & Matura. Was wären Möglichkeiten die Situation für Schüler*innen zu verbessern? 

In erster Linie sollten wir, die Schüler*innen, bei so maßgeblichen Entscheidungen, die unsere Lebensrealitäten betreffen, Mitspracherecht haben. Hätte man Schüler*innen von verschiedenen Schulen und Altersgruppen befragt, wären solche Lösungen nie denkbar gewesen.

Durch E-Learning soll die Zeit nicht "sinnlos" verstreichen, aber man kann sich wohl vorstellen was es bedeutet, wenn die ganze Familie zuhause ist und gelernt werden soll. Als Beispiele der Regierung wurden Familien in einem großen Haus mit Garten gezeigt. Das entspricht nicht der Mehrheit der Schüler*innen in Wien. Es ist illusorisch zu denken, dass alle 6- 19-jährigen freien Zugang zu einem Laptop hätten, am besten einen eigenen. Da frage ich mich wirklich, wie weltfremd unsere "Expert*innen" der Bildung sind. In einer sowieso schon fordernden Situation, allein neue Dinge zu lernen, und das mit den Geschwistern in einem Zimmer, die sich womöglich einen Laptop teilen. Wie soll das denn funktionieren? 

Das Pensum ist viel zu hoch, weil auch die Lehrer*innenschaft mit der neuen Situation umgehen lernen muss, und die Intensität von Arbeitsaufträgen wenig abschätzen kann. Es wird sich weniger abgesprochen, was dazu führt, dass viel zu viel von uns Schüler*innen verlangt wird.

Abgesehen davon sehen wir, dass die Zahl von Gewaltdelikten in Familien drastisch ansteigt. Etwa dreimal so viele Frauen sollen sich an Hilfsstellen, wegen häuslicher Gewalt, gewendet haben. Das bedeutet auch eine enorme Belastung für alle Schüler*innen, die keine Chance haben ihrer Familie zu entkommen. Die oberste Priorität muss das Schaffen von sozialer Sicherheit sein, erst dann können wir über neue Lernmethoden nachdenken. 

Um die Situation der SchülerInnen zu verbessern muss Klarheit geschaffen werden. Noch immer haben wir wenig Informationen zum Ablauf des Unterrichts in den kommenden Wochen, ab 4. Mai. außer, dass Unmengen an Schularbeiten und Leistungsüberprüfungen stattfinden, weil " wir ja eh so viel Zeit zum Lernen gehabt hätten." Das ist einfach unverantwortlich. Es braucht zeitgerechte Informationen, um zumindest ein bisschen Sicherheit zu schaffen und Rücksicht auf verschiedene Lebenssituationen zu nehmen. 

Du bist ja auch politisch recht aktiv, als Mitbegründerin des Jugendrates und bei Fridays for Future. Werden dort mögliche Forderungen von Schüler*innen und Studierenden in Bezug auf Corona auch diskutiert? 

Ja natürlich, gerade bei den Schüler*innen wird deutlich, wie überfordernd diese neue Situation ist.  Es bleibt einfach kaum Zeit für politische Arbeit, berichten mir andere Schüler*innen immer wieder. Trotzdem finden regelmäßige Online-Treffen statt, in denen wir mögliche Maßnahmen diskutieren. Letzte Woche haben wir an einem Online-Treffen mit der Bildungsdirektion teilgenommen, um unseren Standpunkt zu vertreten. 

Eine klare Forderung ist, alle Termine zeitgerecht bekanntzugeben und vor allem niemanden zurückzulassen. Chancengleichheit nicht zu differenzieren.

Darüber hinaus gibt es von Seiten der Fridays for Future Bewegung Forderungen zu den Auszahlungen von Hilfspaketen, die nur an ökosoziale Bedingungen geknüpft werden dürfen. Konkret geht es dabei um die Förderung von Fluglinien, 

Das ist der zentrale Punkt des Klima-Corona-Deals, den die Fridays for Future gemeinsam mit mittlerweile über 100 Organisationen und über 500 Wissenschaftler*innen fordern. Um auf die Forderungen aufmerksam zu machen, 

organisieren die Fridays das Camp for Future: seit Mittwoch 11.55 Uhr wird eine 

Woche lang vor dem Bundeskanzleramt für eine ökosoziale Zukunft protestiert. 

Das klingt spannend und passt sehr gut zur letzten Frage. Es ist wichtig, dass sich die Klimabewegung dafür einsetzt, dass die milliardenschweren Hilfspakete nach ökosozialen Kriterien vergeben werden. Gleichzeitig wurde bereits über massive Sparmaßnahmen diskutiert. Es ist also eine doppelte Frage: wohin fließt das Geld, und wer zahlt? Welche weiteren Möglichkeiten siehst du für die Klimabewegung und Fridays for Future sich aktiv gegen die falsche Spaltung "Klima vs. Soziales" zu stellen?

Ganz klar, sich hinter die ArbeitnehmerInnen stellen und gemeinsam mit ihnen und ArbeitnehmervertreterInnen für langfristig nachhaltige Arbeitsplätze kämpfen. Wir brauchen zukunftsfähige Arbeitsplätze, die einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Es darf kein gegeneinander geben. Es geht schließlich um eine lebenswerte Zukunft für alle, und das soll keine Floskel sein, sondern ein sehr klar definiertes Ziel. Die Frage muss lauten:

Wollen wir ein neues Wirtschaftssystem bauen, dass die Menschen in den Vordergrund stellt? 

Oder wollen wir Wachstum um jeden Preis? 

Die nächsten Monate werden wir vor vielen schwierigen Entscheidungen und Kämpfen stehen. Wichtig wäre solidarisch zueinander zu stehen und Verbündete zu suchen.