Beschäftigte in die Offensive!

Ella Kempter und Thomas Hauer

Nur 2 Tage nach den bundesweiten ÖGB-Demonstrationen mit schwacher Beteiligung (Bericht S. 8) starten offiziell die Lohnverhandlungen im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich (Sozialwirtschaft Österreich, SWÖ) und dem Metallbereich. Wieder fehlt die notwendige branchenübergreifende Koordination: Z.B. gehen die Metaller*innen mit 10,6% in die Verhandlungen, während man im Sozialbereich auf eine konkrete Prozentforderung verzichtet. Vor allem jetzt, wo Lohnverhandlungen in zentralen Bereichen anstehen, wäre es naheliegend, den Kampf gegen Teuerungen und für höhere Löhne zu verbinden und Streiks als mächtiges Mittel in einen Aktionsplan einzubauen. Die ÖGB-Demonstrationen hätten als Auftakt genutzt werden müssen. 

Ein effektiver Kampf gegen Teuerungen und für höhere Löhne…

Insbesondere die Metallindustrie hätte eine enorme Kampfkraft in Streiks, während der Gesundheits- und Sozialbereich bereits mehrfach bewiesen hat, wie er in Kämpfen die breite Unterstützung der gesamten Gesellschaft gewinnen und zum Mitkämpfen bewegen kann. Auch der Handel als größter Kollektivvertrag verhandelt im Herbst und die Gewerkschaft vida fordert vorgezogene Sonder-Kollektivvertragsverhandlungen. Insgesamt geht es damit um fast eine Million Beschäftigte. Eine gemeinsame Strategie für diese Bereiche: Terminlich gleichzeitig oder sogar gemeinsam verhandeln, gemeinsame Rahmenforderungen, gemeinsam streiken und nur gemeinsam nach Urabstimmung abschließen, hat das Potential, jene Lohnerhöhung zu erreichen, die es braucht, um den Verfall unseres Lebensstandards zu stoppen. 

… muss als Kampf um die Kontrolle der Gewerkschaften beginnen

Beschäftigte müssen jedoch erfahrungsgemäß zuerst selbst in die Offensive kommen, um die Gewerkschaft zu pushen, bei KV-Verhandlungen konsequent für eine Lohnerhöhung zu kämpfen, die sich in unserem täglichen Leben auch wirklich nach einer Lohnerhöhung anfühlt. (Die Abgleichung der aktuellen Inflation ist dabei nur das absolut Nötigste und sollte bei jeder Lohnverhandlung automatisch passieren.) Bei der üblichen Zurückhaltung der Gewerkschaftsspitzen ist es umso wichtiger, transparente und demokratisch organisierte Verhandlungen zu fordern. Statt hinter verschlossenen Türen müssen die Verhandlungen für Beschäftigte geöffnet (z.B. gestreamt) stattfinden. In Betriebsversammlungen kann der Verhandlungsverlauf bilanziert bzw. unter Kolleg*innen entschieden werden, ob Streiks notwendig sind und die Wahl eines Streikkomitees erfolgen soll. Während in der Industrie Betriebsversammlungen bei Verhandlungen oft aus Tradition stattfinden, aber nicht lebendig sind, weil sie nicht von Beschäftigten selbst mit Themen gefüllt werden, ist es im Sozial- und Gesundheitsbereich häufig eine Herausforderung, wirklich alle Kolleg*innen zu Betriebsversammlungen zu mobilisieren (siehe S.7). In von Kolleg*innen selbst organisierten Betriebsgruppen können sowohl Forderungen und Strategien, die dann in den Betriebsversammlungen eingebracht und diskutiert werden, entwickelt werden als auch informelle, quasi “Betriebsversammlungen” organisiert werden. Auch die Verbindung zu anderen Kollektivverträgen kann von unten organisiert werden: z.B. durch Solidaritätsbesuche bei Aktionen anderer Branchen, gemeinsame Aktionen von Betrieben in örtlicher Nähe und zur Information der Öffentlichkeit. Ein so erfolgreich geführter Kampf um höhere Löhne macht Mut und schafft ein Vorbild für KV-Verhandlungen anderer Bereiche, aber auch für Kämpfe um mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen z.B. im öffentlichen Gesundheits- und Sozialbereich oder für einen Generalstreik gegen Teuerungen am 9. November - gemeinsam mit Beschäftigten in Belgien (siehe S. 15).

Info:

Wir als ISA fordern die demokratische Abstimmung über Verhandlungsergebnisse - also Urabstimmungen. Damit ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass alle Beschäftigten des Bereichs zu einer Wahl aufgerufen werden, ob die Verhandlungsergebnisse akzeptiert werden sollen oder nicht. Während in Österreich die Gewerkschaftsspitze noch immer behauptet, dass sowas unmöglich ist und pro-ge Vorsitzender Urabstimmungen sogar als “Schnapsidee” bezeichnet, sind diese in anderen Ländern (z.B. Deutschland) schon längst gelebte Praxis.

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