Di 20.12.2005
Die Frage ist nicht, ob Planung als Methode in der Wirtschaft eingesetzt wird. Die Fragen sind, zu welchem Zweck geplant wird, für die Abdeckung der Bedürfnisse der Menschheit oder für die Erzielung des größtmöglichen Profits und von wem, von untereinander in Konkurrenz stehenden Konzernen oder von der organisierten arbeitenden Bevölkerung.
Als Beispiele für die Unfähigkeit einer geplanten Wirtschaft dienen die Sowjetunion und der Ostblock, der nach 1989 zusammenbrach. Bilder von niedrigem Lebensstandard und maroden Betrieben bestimmen bei allen Berichten das Bild dieser Länder. Nach bundesdeutschen Maßstäben war der wirtschaftliche Zustand kläglich, doch im Weltmaßstab sah das anders aus. Den Massen in der Sowjetunion ging es damals besser als der Mehrheit der Weltbevölkerung, die Grundbedürfnisse waren gedeckt. Allerdings konnten die Staaten nicht den sozialistischen Anspruch einlösen, den Kapitalismus zu überholen und ein produktiveres System aufzubauen, sondern gerieten ab den 70er Jahren in eine Krise und blieben immer mehr hinter den entwickelten kapitalistischen Ländern zurück.
Die revolutionären Sozialisten in Rußland, die Bolschewiki, hatten nie die Vorstellung, allein im rückständigen Rußland eine fortgeschrittene Gesellschaft, den Sozialismus, aufzubauen. Sie sahen die Revolution in Rußland als den ersten Schritt einer internationalen Revolution. Ohne die Verbindung mit der entwickelten Technik Westeuropas und der USA und der dortigen Arbeiterklasse, so meinte Lenin, wäre die Revolution vom Scheitern bedroht. Zur Unterentwicklung kamen die Folgen des Bürgerkrieges hinzu, als sich der Arbeiterstaat gegen die bewaffnete Konterrevolution und ausländische Interventionstruppen behaupten mußte. Trotz dieser Umstände stürzte sich die von der Revolution begeisterte Industriearbeiterschaft in die Arbeit und schaffte es mit enormen Anstrengungen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Doch auf politischer Ebene war die Macht der demokratischen Arbeiterräte ausgehöhlt. Nur die Verkürzung der Arbeitszeit und die Beseitigung der materiellen Not ermöglichen eine Teilnahme der Arbeiterklasse an der Verwaltung und Planung und somit den demokratischen Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft.
Die revolutionäre Regierung hatte zeitweilig Privilegien eingeführt und Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt, um die wenigen Spezialisten bei Laune zu halten und den Krieg zu überstehen. Es bildete sich auf der Grundlage der Mangelwirtschaft eine abgehobene Schicht von Funktionären heraus, die ein Interesse am Erhalt ihrer Privilegien entwickelte. Unter ihrem Repräsentanten Stalin entriß diese bürokratische Schicht der Arbeiterklasse in wenigen Jahren die politische Macht und thronte als besondere soziale Schicht auf der Planwirtschaft.
Aus Gründen der politischen Machterhaltung war sie gezwungen, die Planwirtschaft von oben zu regulieren. Sie schuf einen Polizeistaat und ein entsprechendes geistiges Klima. Kritik und freie Meinungsäußerung, die notwendigen Mechanismen für den Aufbau einer Planwirtschaft, wurden außer Kraft gesetzt.
Die Bürokratie wurde somit zu einer Bremse der wirtschaftlichen Entwicklung. Doch trotz dieser Bremse erlebte die Sowjetunion einen unvergleichlichen Aufschwung. Von einem rückständigen Agrarland mit hoher Analphabetenrate wurde das Land bis zum 2. Weltkrieg in einen Industriestaat mit einem ausgebildeten Proletariat verwandelt.
Im II. Weltkrieg eroberten die deutschen Truppen den gesamten industrialisierten Westen der UdSSR. Trotzdem gelang es, die Industrie am Ural-Gebirge innerhalb weniger Monate neu aufzubauen und durch eine gewaltige Steigerung der Produktion die sowjetische Kriegsmaschine derart ins Laufen zu bringen, daß die Rote Armee die Niederlage Hitler-Deutschlands nahezu im Alleingang besiegelte.
Ein kapitalistisches Land hätte diese Entwicklung nicht vollziehen können. Nur das Nicht-Vorhandensein der Konkurrenz und des Profitprinzips, die zentrale Zusammenfassung der gesamten Volkswirtschaft und die ungeheure Motivation der sowjetischen ArbeiterInnen und Bauern konnten dies schaffen.
Auch nach dem Krieg wurde die Sowjetunion in zwei Jahrzehnten wiederaufgebaut und konnte zum Lebensstandard halb-entwickelter kapitalistischer Länder wie Portugal oder Griechenland aufschließen. Das Wachstum der Sowjetunion war größer als das der kapitalistischen Länder, obwohl sich das Land nicht auf die Ausbeutung der „3. Welt“ stützte, sondern aus politischen Gründen sogar wirtschaftlich unvorteilhafte Verbindungen einging, z.B. durch den Kauf von kubanischem Zucker weit über dem Weltmarktpreis.
Doch ohne die Einbeziehung der Produzenten und Konsumenten auf allen Ebenen muß die geplante Wirtschaft letztendlich scheitern. Trotzki, zusammen mit Lenin einer der Führer der Russischen Revolution und Gegner der stalinistischen Bürokratie, erklärte dies schon 1936 in seinem Buch „Verratene Revolution“:
„Das Geschwür des Bürokratismus, das in der Großindustrie vielleicht nicht so offen ist, zerfrißt außer den Genossenschaften die Leicht- und Nahrungsmittelindustrie, die Kolchosen, die kleine örtliche Industrie, d.h., alle die Wirtschaftszweige, die der Bevölkerung am nächsten stehen ... Gigantische Fabriken nach fertigen westlichen Mustern kann man auch auf bürokratisches Kommando errichten, freilich dreimal so teuer. Aber je weiter der Weg geht, umso mehr läuft die Wirtschaft auf das Problem der Qualität hinaus, die der Bürokratie wie ein Schatten entgleitet. Die Sowjetproduktion scheint wie vom grauen Stempel der Gleichgültigkeit gezeichnet. In einer nationalisierten Wirtschaft setzt Qualität Demokratie für Erzeuger und Verbraucher, Kritik- und Initiativfähigkeit voraus, d.h., Bedingungen, die mit einem totalitären Regime von Angst, Lüge und Kriecherei unvereinbar sind.“