Auswirkungen der Privatisierung

Verluste bleiben öffentlich
David Mum

Waren es am Anfang hauptsächlich Betriebe der „Grundstoffindustrie“, so sollen nun auch andere Unternehmen und soziale Einrichtungen privatisiert werden. In England fiel das unlängst durch das Eisenbahnunglück auf der privatisierten Bahn auf, dem 70 Menschen zu Opfer fielen.
Unglücksursache war ein übersehenes Signal. An derselben Stelle überfuhren schon achtmal Züge ein rotes Signal. Eine Studie der Lokführerge-werkschaft hat nun ergeben, dass in diesem Bahnhof 48% der Signale schlecht sichtbar sind. Der Sparpolitik der Regierungen und der Privat-isierung wurde die Sicherheit der Kunden und des Personals geopfert.
Durch eine EU-Richtlinie soll nun überall der Eisenbahnverkehr liberalisiert werden, d.h. dass auch private Betreiber die Schienen benutzen dürfen. Es liegt aber in der „Natur“ dieser Transportart, nach einem zentralisierten, planvollen, staatlichen Betrieb zu verlangen, wie durch die Notwendigkeit eines einheitlichen Fahrplans und Betriebes.

Geschichte der Eisenbahn

Die Geschichte zeigt, dass privatkapitalistische Eisenbahnen nur die Ballungszentren verbunden haben. Entlegene Regionen wurden von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt, da der Betrieb nicht so hohe Gewinne für die Betreiber brachte. Ein Vergleich mit der damaligen Praxis klingt so wieder aktuell: „Durch das skrupellose Herauswirtschaften von hohen Gewinnen werden die rechtzeitige Erneuerung und sichere Unterhaltung der Bahnen vernachlässigt (...), die weniger dicht besiedelten, vor allem landwirtschaftliche, Gebiete wurden eisenbahnmäßig durch die Privatgesellschaften nicht erschlossen. Anderseits wurden parallel zu den gewinnbringenden Linien Wettbe-werbslinien gebaut, die vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus als Fehlinvestitionen angesehen werden mußten und nur der Dividendenjagd dienten.“ – zitiert nach Ferdinand Wöckel.
Belgien baute die Bahnen als einziges europäisches Land von Anfang an staatlich. Obwohl es 20 Jahre nach England und 10 Jahre nach Deutschland mit dem Bau begonnen hatte, besaß es 1890 das dichteste Bahnnetz der Welt.  Die Irrationalität privater Bahnen führte letztlich zur Forderung nach Verstaatlichung.

Privatisiert: sinnvoller Betrieb?

In Österreich verkaufte der Staat ab 1854 eine Strecke nach der anderen, um sich zu sanieren. Ankäufer waren private, vor allem französische Unternehmer. Der Staat bekam dadurch nicht einmal die Hälfte der Baukosten wieder herein. Die privaten Betreiber erpreßten in der Folgezeit von der Regierung Subventionen, ohne die sie den Verkehr nicht aufrechterhalten wollten. Diese erreichten Mitte der 70er Jahre 5% der gesamten staatlichen Ausgaben. Daher entschloß sich die Regierung zum Rückkauf der Bahnen, der bis 1906 abgeschlossen war.
Die Bahnliberalisierung droht dieselben Entwicklungen wieder zu bringen. Auf den Hauptstrecken wird es viele Betreiber geben und Nebenbahnen werden ausgedünnt oder geschlossen. Der Drang alles dem Markt zu überlassen, kann eine, wenn auch auszubauende, funktionierende Infrastruktur sehr schnell dem Verfall preisgeben, denn die privaten Betreiber wollen nur schnelles Geld auf Kosten der Belegschaft und der Substanz machen.

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