Aufstand in Wisconsin

Radikale Klassenkämpfe in den USA
Flo Klabacher

Über die USA rollt eine Welle von Angriffen gegen die Gewerkschaftsbewegung. In 18 Bundesstaaten planen die Regierungen Angriffe auf gewerkschaftliche Rechte im Öffentlichen Dienst. In Wisconsin wurden am 10. Februar Pläne bekanntgegeben, die im Öffentlichen Dienst Kollektivverträge praktisch abschaffen und den Gewerkschaften die kollektive Verhandlung von Arbeitsbedingungen verbieten. Die republikanische Regierung unter Gouverneur Scott Walker wollte die Gesetze schnell durchpeitschen, und war - nachdem einige GewerkschaftsführerInnen bereit waren, die Forderungen zu akzeptieren - nicht auf viel Widerstand gefasst. Um die Budgetlöcher, die u.a. durch milliardenschwere Hilfe für Banken & Großkonzerne während der Weltwirtschaftskrise entstanden, zu stopfen sollen jetzt ArbeiterInnen zahlreiche Kürzungen in Kauf nehmen.
In kurzer Zeit formierte sich jedoch die bisher größte Protestbewegung in Wisconsin & der Hauptstadt Madison. Die Bilder von den Demonstrationen & Protestaktionen erinnern an die Ereignisse in Nordafrika und viele der AktivistInnen zeigten ihre Solidarität mit den Aufständen dort mit Schildern & Transparenten. Für 15. und 16. März hatten die Gewerkschaften einige Kundgebungen in Madison geplant. Die Dynamik bekam die Bewegung aber, als Jugendliche über Facebook begannen, Schulstreiks und Demonstrationen zu organisieren. So gingen am 15. März u.a. die über 1.000 SchülerInnen der Madison East High School auf die Straße. Neben vielen Jugendlichen beteiligten sich v.a. ArbeiterInnen aus öffentlichem & privatem Bereich an den Protesten.

Wall Street ist verantwortlich! Keine Zugeständnisse!

Eine Medienkampagne, die von PolitikerInnen der Tea-Party bis zu „linken“ DemokratInnen unterstützt wurde, zeichnete im Vorfeld der Angriffe in der ganzen USA ein Bild von gierigen & überbezahlten Angestellten im öffentlichen Dienst. Ziel war es, die ArbeiterInnen gegeneinander auszuspielen. Gefordert wurden Kürzungen bei Löhnen, Pensionen & Leistungen im öffentlichen Dienst & eine Schwächung der Gewerkschaften, die einen hohen Organisationsgrad haben (36% im Vergleich zu 7% im privaten Bereich). Hinter den Angriffen steckt nicht nur das Budgetloch, sondern auch der Versuch, die Organisationen der ArbeiterInnen zu schwächen, um künftig noch härtere Angriffe durch zu kriegen.
In Madison und Milwaukee gibt es seit 15. Februar täglich Massenaktionen mit bis zu 100.000 Beteiligten, um diese Gesetzespläne zu verhindern. Am zweiten Protesttag besetzten bereits 30.000 DemonstrantInnen das Parlament in Madison, der Schulbetrieb wurde Aufgrund von Massenkrankmeldungen von LehrerInnen und SchülerInnenstreiks eingestellt. Aus ganz Wisconsin fuhren Gewerkschaftsbusse zur Demo in die Hauptstadt. In den ganzen USA fanden Solidaritätsaktionen statt.
Unter dem Druck der schnell wachsenden Proteste verließen 14 demokratische SenatorInnen den Bundesstaat, um eine gültige Abstimmung zu verhindern. Dadurch hat die Bewegung zwar Zeit gewonnen. Die Gewerkschaftsführung, die zum Teil schon vor Beginn der Proteste Verschlechterungen akzeptiert hat, nutzte diese Zeit aber vor allem, um Werbung für die DemokratInnen zu machen. Die Rolle der 14 „geflüchteten“ Abgeordneten wurde hoch stilisiert und es wurde gegen radikalere Aktionsformen wie Streiks argumentiert.

So wurde der Bewegung Schwung genommen

Walker hat die erste Protestwelle aussitzen können. Das Gesetz wurde dann illegal in einer Nacht- & Nebelaktion beschlossen. Das führte zur bisher größten Demonstration in Madison, an der bis zu 200.000 AktivistInnen teilnahmen. Socialist Alternative, die US-Schwesterorganisation der SLP, fordert seit Beginn der Proteste einen eintägigen Generalstreik im öffentlichen Dienst. Das würde den ganzen Staat lahmlegen & damit die Regierung wirklich unter Druck setzen. Solange die ArbeiterInnen ihre ökonomischen Waffen nicht einsetzen, kann die Walker-Regierung die Proteste aussitzen. Dasselbe hatte Mubarak in Ägypten vor, erst als die ArbeiterInnen zwei Tage lang Streiks organisierten musste der Diktator das Feld räumen.

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