Aufstand in Kindergarten und Hort: Ein Kampf für uns alle! - 5 Punkte für ein anderes Bildungssystem

Sarah Moayeri

Allein durch die Ankündigung der Protestaktionen von GPA und younion am 12. und 14. Oktober sah die Bundesregierung sich in den vergangenen Wochen schon gezwungen, mehr Geld für die Finanzierung von Kindergärten anzukündigen. Ob diesen Worten Taten folgen werden, wird sich noch zeigen. Und es wird auf den Druck ankommen, den wir von unten aufbauen werden. Die turbulenten letzten Tage mit der Krise der Regierung und dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler eröffnen die Chance, jetzt in die Offensive zu kommen und Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen zu erkämpfen. Die Instabilität der etablierten Politik ist offensichtlich - Neuwahlen werden wahrscheinlicher und wir haben die Möglichkeit, alle Parteien unter Druck zu bringen. Kurz macht zwar einen Schritt zur Seite, aber das Regierungsprogramm bleibt. Dass Kurz 1,2 Milliarden für Nachmittagsbetreuung verhindert hat ist nur die Spitze des Eisbergs der unsozialen Politik, die wir insgesamt bekämpfen müssen. Bauen wir jetzt den Druck auf, damit diese 1,2 Milliarden sofort in das Bildungssystem investiert werden!

Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung für die Missstände in den Kindergärten und im gesamten Bildungsbereich zu. Aber Fakt ist: Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierungen, auch die Wiener Stadtregierung, und die etablierten Parteien sind verantwortlich für die Probleme bei Bildung und Kinderbetreuung, die sich während Corona noch verschärft haben. Getroffen haben diese Missstände besonders Frauen: Die Beschäftigten in dem Bereich sind überwiegend weiblich und fehlende Kinderbetreuungsplätze führen zu Mehrfachbelastungen und weniger Möglichkeiten eines unabhängigen Lebens für Frauen, die in diesem System den überwiegenden Anteil an unbezahlter Haus- und Pflegearbeit leisten. 

Die Missstände sind seit Jahren bekannt - Es braucht jetzt mehr Geld, Personal und höhere Löhne!

Dass so viele den Beruf nach wenigen Jahren wieder verlassen, liegt an den katastrophalen Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen. Pädadog*innen, die im Durchschnitt 25 Kinder betreuen, mit 1.600 Euro als Einstiegsgehalt abspeisen zu wollen ist eine Frechheit! Der Personalmangel wird also nicht durch eine “Ausbildungsoffensive” nachhaltig bekämpft werden können. Nur wenn es drastische Lohnerhöhungen, einen Mindestpersonalschlüssel und mehr finanzielle Mittel gibt, werden Kolleg*innen auch in dem Beruf bleiben. Ausbildung und Praktika gehören auch angemessen bezahlt!

Echte Streiks und eine Ausweitung der Bewegung werden zur Durchsetzung der Forderungen nötig sein

Die Protestaktionen sind ein wichtiger erster Schritt, um die Forderungen für die Elementarpädagogik in die Öffentlichkeit zu tragen. Schon in der Vergangenheit gab es Protestaktionen zum Thema, die aber nicht weitergegangen und auf der symbolischen Ebene stehen geblieben sind. Die Gewerkschaftsführungen haben das Potential nicht voll ausgeschöpft - weder bei der Mobilisierung noch bei der Formulierung von klaren, konkreten Forderungen. Wir müssen uns deshalb vernetzen und Druck von unten auf die Gewerkschaftsführung aufbauen. Es braucht jetzt einen Kampf um die volle Durchsetzung konkreter Forderungen wie die nach einem Personalschlüssel von mindestens 1 zu 7, Lohnerhöhungen und Erhöhung der Ausgaben auf mindestens 1% des BIP kämpfen. Erste Schritte der Gewerkschaft nach den Protestaktionen müssen Betriebsversammlungen in allen Kindergärten und Horten und Vernetzungstreffen in allen Bundesländern sein, damit Kolleg*innen demokratisch darüber entscheiden können, wie der Kampf weitergeführt werden kann. Um den höchstmöglichen Druck aufzubauen, werden auch ganztägige Streiks notwendig sein. Eine Vernetzung von Kolleg*innen die wir jetzt aufbauen kann auch die Basis für eine demokratisch organisierte Streikbewegung sein, die die lahme Gewerkschaftsführung vor sich her treiben kann. Beginnen kann das mit der Organisierung in einer Einrichtung und der Vernetzung mit anderen Kolleg*innen entweder über persönliche Kontakte oder Social Media. Auf dieser Basis können Treffen und Aktionen organisiert werden, um so die Basis für einen demokratisch organisierten Arbeitskampf zu legen. Eine Möglichkeit so eine Bewegung möglichst breit von unten zu organisieren wären z.B. Versammlungen, bei denen Delegierte aus alle Kindergärten über Ziele und Strategie des Arbeitskampfes diskutieren. 

Eine Bewegung durch Schulterschluss mit anderen Kämpfen und Kolleg*innen aufbauen

So wichtig die Protestaktionen sind, hätte ein gemeinsamer Streik- und Aktionstag von Beschäftigten aus den privaten und öffentlichen Kindergärten noch mehr Kraft und Wirkung gehabt. Die Gewerkschaftsführungen wirken mit einem solchen Zugang, nämlich zwei unterschiedliche Aktionen zu organisieren, dem Problem eines “Fleckerlteppichs” nicht entgegen. Das zeigt sich in unterschiedlichen Arbeitsbedingungen, Gehältern, Gesetzen, Finanzierung usw., aber eben auch verschiedenen Kollektivverträgen. Es wäre Aufgabe einer kämpferischen Gewerkschaft, diese Spaltungen zu bekämpfen und für einheitliche Regelungen (Löhne, Personalschlüssel, Finanzierung) zu streiten. Gemeinsam sind wir stärker: Das gilt für den gesamten Elementarbildungsbereich, aber auch darüber hinaus: Kolleg*innen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich haben vor der Pandemie für bessere Bedingungen gestreikt, nächste Woche werden Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen gegen die Kürzungen im Wiener Pflichtschulbereich demonstrieren. Diese Proteste müssen wir zusammenführen, um Milliarden mehr für Bildung, Gesundheit und Soziales zu erkämpfen. Dazu braucht es auch die Solidarität von Eltern, Klient*innen, Patient*innen usw - die Solidarität der gesamten Arbeiter*innenklasse kann dabei helfen den nötigen Druck aufzubauen und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Denn eine gute, flächendeckende und kostenlose Kinderbetreuung ist in unser aller Interesse. 

Die Reichen sollen zahlen

Die Bundesregierung will mit ihrer neuen Steuerreform wieder Geschenke an die Reichen und Konzerne machen. 700 Millionen Euro Steuergeschenke an die Konzerne, statt der notwendigen 1,2 Milliarden für Bildung. Allein mit der Kapitalertragssteuersenkung bekommt beispielsweise der reichste Mann Österreichs Didi Mateschitz jetzt jedes Jahr 19 Millionen Euro von der Regierung geschenkt. Das zeigt die Prioritäten der Regierung, egal welchen Anstrich sie in Zukunft haben wird: Während sie den Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich aushungern lässt, macht sie Politik für die Reichen und Superreichen. Von ihrem Geld und den Profiten der Konzerne könnte die Umsetzung der Forderungen für bessere Elementarbildung leicht finanziert werden. Im Kapitalismus steht Profit an erster Stelle, Bildung und Soziales hat da Nachrang. Um damit Schluss zu machen müssen wir uns organisieren und Widerstand aufbauen. 

Für eine Revolutionierung des Bildungssystems

Kolleg*innen sagen zurecht: Kindergärten sind Bildungseinrichtungen, keine Aufbewahrungsstätten. Qualitativ hochwertige Kinderbetreuung, flächendeckend, kostenlos und öffentlich: Das braucht es dringend und das ist im Interesse von Beschäftigten, Eltern und Kindern. Wenn wir bessere Rahmenbedingungen dafür erkämpfen wollen müssen wir uns aber auch die Frage stellen: Was für ein Bildungssystem wollen und brauchen wir eigentlich? Corona hat verdeutlicht: Bildungseinrichtungen - vom Kindergarten bis zur Schule - sind in diesem System tatsächlich dafür da, Kinder aufzubewahren, damit die Eltern in der Arbeit Profite für ihre Bosse erwirtschaften. Es geht darum, Kinder und Jugendliche “fit” zu machen für den Kapitalismus - ein System, in dem sie vor allem funktionieren müssen und in dem ihre Bedürfnisse nicht zählen. An unzähligen Stellen im Bildungssystem läuft etwas falsch - und die Entscheidungen über unsere Bildung wird von abgehobenen Politiker*innen und “Expert*innen” gefällt. Wir brauchen eine Revolutionierung des Bildungssystems, verbunden mit einer gesamten, sozialistischen Systemalternative. Ein demokratisch organisiertes Bildungssystem würde den individuellen Bedürfnissen von Kindern nachkommen, Talente fördern und dazu da sein, tatsächlich “fürs Leben” zu lernen. Die wahren Expert*innen: Beschäftigte, Eltern, Schüler*innen sollten demokratisch und gemeinsam über die Gestaltung von Bildungseinrichtungen entscheiden. Bildungseinrichtungen ohne Profit- und Leistungslogik - organisiert nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen und Pädagog*innen.

Als Sozialistische Linkspartei und mit unserer sozialistisch-feministischen Initiative ROSA kämpfen wir für eine solche sozialistische Alternative. Der Kapitalismus ist verantwortlich für die vielen Krisen die wir gerade erleben: Corona, Klimakatastrophe, Wirtschaftskrise. Er ist nicht in der Lage, uns das zu ermöglichen was wir brauchen: Bildung, soziale Sicherheit, Gesundheit, leistbaren Wohnraum, Jobs von denen wir leben können. Es braucht ein sozialistisches System, in dem Wirtschaft und Gesellschaft unter die Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innenklasse überführt werden, um eine Welt ohne Ausbeutung, Umweltzerstörung, Rassismus, Sexismus und Unterdrückung aufbauen zu können. 

Komm zu diesen Veranstaltungen und Aktionen und diskutier mit uns, wie nächste Schritte im Kampf um Verbesserungen für die Elementarbildung und darüber hinaus aussehen können:

  • Diskussion: Streik im Kindergarten - Wie können wir gewinnen?
    Mittwoch, 13. 10. | 18.30 Uhr | Pappenheimgasse 2/1 (bei “Büro” läuten)
  • Veranstaltung von ROSA: Sexismus hat System - wie wir Geld für Kindergärten, Soziales und Gewaltschutz erkämpfen können
    Freitag, 15.10. | 18:00 | Pappenheimgasse 2/1 (bei "Büro" läuten), Wien
  • Großdemo zur Wiener Bildungs"reform"
    Dienstag, 19.10. | 16:30 | Heldenplatz, Wien
  • Aktion: Her mit den 1,2 Milliarden für Bildung statt für Konzerne!
    Freitag, 22.10. | 16:00 | Bundesbüro der Grünen | Mariahilfer Straße 37-39, Wien