Angriff auf das Gesundheitssystem

Panikmache aus politischem Kalkül. Hinter den Attacken steht vor allem eins: Profitgier.
Harald Mahrer

Die Presse schießt aus allen Rohren. Die Krankenkassen wären nahezu pleite, die Kosten würden explodieren, überhaupt wird das Gesundheitssystem unfinanzierbar. Die Politik beteuert, die angedachten Reformen hätten vor allem eins im Sinn: Das beste Gesundheitssystem der Welt zu sichern. Irgendwie kommt das bekannt vor, war da nicht mal was mit dem Pensionssystem?

Gesundheitssystem pleite?

Am Anfang verbreiten die neoliberalen “ReformerInnen”  wie so oft Lügen. Die Kosten des Gesundheitssystems sind in den letzten zehn Jahren in absoluten Zahlen gestiegen, der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist mit rund 10% jedoch gleich geblieben. Die Gesundheitsausgaben liegen in Österreich knapp über dem OECD-Schnitt, jedoch niedriger als in Deutschland oder Frankreich. In den USA liegen die Gesundheitsausgaben zum Beispiel bei ca. 15% des BIP. Dort sind jedoch die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit niedriger als in Österreich, dafür betragen die privaten Ausgaben ein Vielfaches.  Dahin fährt auch in Österreich der Zug. Gesundheit soll zunehmend privatisiert werden, private Versicherungen und Gesundheitsdienstleister sollen mit Krankheit und Leid Geschäfte machen dürfen.
Für die Zukunft wird eine Kostenexplosion vorhergesagt. Der Anteil der öffentlichen Gesundheitsausgaben am BIP soll sich bis 2050 verdoppeln, jener für Pflegeleistungen sogar nahezu verdreifachen. Es geht um viel Geld, die Privaten reiben sich die Hände. Doch wohin geht das Geld heute?

Pharmaindustrie verdient

Während 1997-2005 die Kosten für Krankenhäuser (+33,9 %) und ÄrztInnen (+35,2%) nur unwesentlich stärker gestiegen sind als die Beiträge der Versicherten (+31,2%), sind die Kosten für Medikamente (+ 70,6%) explodiert. Die Pharmaindustrie argumentiert mit immer höherem Forschungsaufwand. Auffällig sind jedoch die Superprofite der Konzerne. Pfizer beklagt dieser Tage den Rückgang der Profite von 3,39 Mrd. US$ auf nur 2,78 Mrd. US$, obwohl seit 2004 23% der Belegschaft (ca. 25.000 Jobs) abgebaut wurden. (Quelle: New York Times, 18. April 2008) Novartis meldete einen Anstieg des Profits um 10% auf 2,38 Mrd. US$. Dies sei unter anderem ein Erfolg des Sparkurses des Konzerns (Reuters 21.04.2008). Die 240 MitarbeiterInnen von Novartis in der Forschungsabteilung in Wien, denen gerade ein “Sozialplan” mit auf den Weg in die Arbeitslosigkeit gegeben wurde, wird es freuen, “ihren Beitrag geleistet zu haben”.
Gleichzeitig werden “ExpertInnen” nicht müde, Einsparungen in der Verwaltung (=bei der Belegschaft) der Sozialversicherungen einzufordern. Die Kosten für die Verwaltung machen gerade 3% des Gesamtvolumens aus, während fast 22% für Medikamente aufgewendet werden. Laut Rechnungshofbericht sind die Krankenkasse überhaupt nur wegen der Regierungsmaßnahmen der letzten 10 Jahre im Minus (z.B. müssen die Krankekassen nun USt für Medikamente an den Finanzminister zahlen).

Vermögen besteuern. Aber wie?

Die Regierung hat – etwas halbherzig aber doch – eine Vermögenszuwachssteuer zur Finanzierung des steigenden Finanzierungsbedarfs im Gesundheitswesen beschlossen. Das wäre ein wichtiger Schritt, schließlich ist der Anteil der Vermögensbesteuerung am Gesamtsteueraufkommen in Österreich skandalös niedrig. Nur etwa 0,5% des Steueraufkommens kommen aus der Besteuerung von Vermögen, in den alten Ländern der EU (EU-15) liegt dieser Anteil etwa 4 Mal so hoch bei ca. 2,1%. Allerdings ist fraglich ob sie praktisch jemals kommt.
Gesundheit kostet Geld, soviel ist klar. Die SLP fordert daher zur ausreichenden Finanzierung eines flächendeckenden Gesundheitssystems, ohne soziale Barrieren (z.B. durch Selbstbehalte):

  • Erweiterung der Bemessungsgrundlage zur Sozialversicherung für Unternehmen auf die gesamte Wertschöpfung.
  • Abschaffung aller Selbstbehalte, kostenloser Zugang zum Gesundheitswesen für alle in Österreich lebenden Menschen.
  • Verstärkung der Prävention. Positive Anreize für Versicherte zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen (z.B in der Arbeitszeit).
  • Anhebung der Vermögensbesteuerung auf EU-Niveau
  • Vergesellschaftung der Pharmaindustrie unter demokratischer Kontrolle durch Belegschaft und Gesellschaft. Nur so können Gelder effizient in der Forschung für bessere Medikamente eingesetzt werden und Preistreiberei verhindert werden.
  • Vergesellschaftung des Bankwesens, um die großen Vermögen unter Kontrolle zu haben und stark progressiv besteuern zu können.
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