Über den Streik bei Siemens PSE

Roman Dietinger von der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften führte mit Zentralbetriebsrat Ataollah Samadani das folgende Interview

Wie lange bist du bei Siemens PSE beschäftigt und seit wann bist du Betriebsrat?

Ataollah Samadani:Seit 1984 bin ich bei Siemens und seit 1988 bin ich Betriebsrat.

Am 28. September diesen Jahres fand eine Betriebsversammlung im Austria Center statt, an der 1.500 KollegInnen (von 2.800) teilnahmen. Sie protestierten gegen die geplante Ausgliederung und den Verkauf der Auftragsentwicklung für den Bereich COM Enterprise. 97,3% ermächtigten den Betriebsrat in einer geheimen Abstimmung weitere Kampfmassnahmen bis zum Streik einzuleiten. Was führte zu diesem eindeutigen Ergebnis? Was befürchten die KollegInnen?

Von der Ausgliederung sind rund 200 PSE-KollegInnen betroffen. Es war das Gefühl da, zusammen halten zu müssen. Die Ausgliederung erfolgt unter dem Begriff Carve out und das bedeutet zerschneiden, zerlegen, filetieren. Allein der Name ist so menschenverachtend, dass jeder Protest gerechtfertigt ist. Es ist also darum gegangen zu verhindern, dass die Einheit der PSE gefährdet wird.

Gibt es Beispiele früherer Ausgliederungen bei Siemens? Wenn ja, was haben diese für die betroffenen KollegInnen gebracht?

Ausgliederungen, die ich kenne, haben grundsätzlich nur Verschlechterungen, Arbeitslosigkeit und Elend mit sich gebracht. Die PSE ist kerngesund. Daher sehe ich nicht ein, warum 200 KollegInnen ausgegliedert werden um später vielleicht an irgend wem verkauft zu werden. Das ist die mieseste Art, die Leute los zu werden ohne dass die Restrukturierung etwas kostet: Ich gliedere aus, die neue Firma macht Pleite und aus (z.B. BenQ).

Es gibt Gerüchte, dass das PSE-Management versuchte KollegInnen einzuschüchtern um diese von der Teilnahme am Warnstreik abzuhalten. Mit einer Rund-Mail sei die Teilnahme verboten worden. Kannst du das bestätigen?

Ja, das kann ich bestätigen. Es wurde auch versucht, dem Betriebsrat firmenschädigendes Verhalten vorzuwerfen. Berücksichtigt man die neuerlich bekannt gewordenen Korruptionsaffären im Hause, dann versteht man warum der Fisch vom Kopf stinkt.

Am 8.11. wurde dennoch ein eintägiger Warnstreik abgehalten. Wie war die Stimmung an diesem Tag? Was haben die KollegInnen während dieses Streiks getan? Gab es Protestversammlungen?

Die Stimmung war sehr gut. Gut für die Leute. Es war ein Gefühl der Stärke da. Erstmals haben die ArbeitnehmerInnen die Linie vorgegeben und nicht die Konzernlenker. Wir haben an diesem Tag mit einer Betriebsversammlung im Sinne des ArbVG begonnen, dann haben wir uns kollektiv von unserem Standort entfernt und sind koordiniert (mit Autobussen) zu einem anderen Standort gefahren, wo wir gemeinsam mit Wolfgang Katzian und Karl Proyer unsere Beratungen fortgesetzt haben. Gegen 16:00 sind wir wieder zurückgefahren und haben die Arbeitsniederlegung nach einer Schlusskundgebung beendet. An diesem Tag haben die Protestierenden in einer geheimen Abstimmung beschlossen, dass sie in der 46. Woche nur noch Dienst nach Vorschrift machen werden. Alles in einem war das ein gelungener Warnschuss.

Wie hat das Management auf den Streik reagiert?

Ratlos, und das ist gut so.

Gibt es Unterstützung seitens der Gewerkschaft? Wenn ja, wie sieht diese aus?

Ja, natürlich. Das Präsidium der GPA hat ja den Streik genehmigt und das ist noch weiter gültig. Seit Beginn der Auseinandersetzungen begleitet uns Martin Horvath als zuständiger Sekretär.

Wie wird es weiter gehen? Sind weitere Kampfmassnahmen geplant?

Gestern (20.11.) hat es die erste Schlichtungsrunde bei den Sozialpartnern gegeben. Das ist notwendig geworden, weil die GPA auf Antrag von unsEinspruch gegen die Wirtschaftsführung der Siemens-PSE erhoben hat. Inhaltlich will ich jetzt keine Stellungnahme abgeben.

Der ÖGB ist in der schwersten Krise seit seiner Gründung. Was erwartest du von der ÖGB-Reform? Wird deiner Einschätzung nach der im Jänner stattfindende ÖGB-Kongress die groß angekündigte Erneuerung bringen? Was sollte unbedingt geändert werden?

Für eine andere Politik brauchst Du andere Leute. Das wird wieder ein Reförmchen werden. Ich werde dann von einer Reform reden, wenn die Mitglieder mehr Rechte bekommen, demokratische Wahlen stattfinden und die Betriebsgruppen konstituiert werden.

rd: Danke für das Interview