Steiermark: Rechtsextreme Kürzungspolitik in der Praxis

Moritz Erkl, Offensive gegen Rechts Graz

Nur 3 Tage nach dem verheerendsten Amoklauf der 2. Republik - während medial über die Notwendigkeit von Gewaltprävention, psychiatrischer Versorgung und Schutz von betroffenen Personen schwadroniert wurde – erreichte über 40 steirische Sozialorganisationen ein folgenschweres Mail der Landesregierung: ohne Vorlaufzeit, von einer inhaltlichen Begründung ganz zu schweigen, wurden mit Stichtag 1.7.2025 ganze 2,5 Millionen Euro an Förderungen gestrichen. Betroffen sind große Träger wie die Caritas oder die VinziWerke, aber auch diverse mittlere und kleinere Vereine, welche teilweise seit Jahrzehnten professionelle Arbeit in den Bereichen Integration, psychosoziale Beratung und Begleitung queerer Personen oder Antidiskriminierung leisten.

Bereits 2 Wochen nach Verkündung dieses Kahlschlags haben kleinere Träger Kolleg:innen entlassen oder Angebote gänzlich eingestellt, um innerhalb des bestehenden Rahmens weitermachten zu können – teils ohne die Möglichkeit, zumindest die gesetzlichen Kündigungsfristen einzuhalten. Doch auch die größeren Trägerorganisationen setzten - trotz angeblicher finanzieller Rücklagen und ohne entsprechenden medialen Aufschrei - die Stellenstreichungen um und kapitulierten vor der kapitalistischen Kürzungslogik. Doch dieser Angriff ist leider nur ein weiterer Mosaikstein in der seit Monaten verheerenden Regierungspolitik von FPÖ und ÖVP.

Rechte Politik schadet uns allen!

Im Oktober 2024 gelang es den Freiheitlichen, mit Mario Kunasek als Spitzenkandidat, den ersten Platz bei den Landtagswahlen in der grünen Mark zu erlangen (34,8%). Was folgte, war erwartbar und letztlich aus Sicht der Herrschenden – deren loyaler Rammbock die FPÖ stets war - konsequent: mit rassistischer Hetze kombinierter Sozialkahlschlag.

Als erstes traf es die steirische Kunst- und Kulturszene. Die öffentliche Kulturförderung, von der vor allem die freie Szene profitiert, wurde gekürzt. Betroffen sind vorrangig jene Bezieher:innen, die bereits in der Vergangenheit vor rechtsextremer Politik gewarnt haben, die für ein solidarisches Miteinander kämpften und gegen Rassismus, Sexismus oder Homophobie aktiv sind. Mit der politischen Neubesetzung des steirischen Kulturkuratoriums (welches gegenüber der Landesregierung Empfehlungen bezüglich der Förderungen ausspricht) wurde dieser Schritt auch für die kommenden Jahre einzementiert. Neue Kuratoriumsmitglieder sind unter anderem Willi Gabalier (der Bruder des reaktionären Musikers) oder Franz Koiner (seines Zeichens Marketingleiter der rechtsextremen Verlage Stocker und Ares). Dies ist ein Versuch, all jene, die den rechten Recken ein Dorn im Auge sind, mundtot zu machen. Ein Kuratorium, welches ursprünglich zur Förderung der steirischen Kulturlandschaft gedacht war, verkommt als Kulturkrematorium zu deren Totengräber.

Wie im Vorbeigehen überarbeitete man auch noch das Landessicherheitsgesetz. Dieses enthält nun die Möglichkeit, Menschen, die auf Grund von Obdachlosigkeit oder existenzbedrohender Armut auf Spenden von Passant:innen angewiesen sind, weiter zu kriminalisieren. Das Betteln in (organisierten) Gruppen oder mit Hunden ist nun verboten, sektorale Bettelverbote mit dem Ziel, einer vermeintlichen „Verwahrlosung der Innenstädte“ vorzubeugen ist - im jeweiligen Ermessensspielraum der Gemeinden - erlaubt.

Als nächstes traf es die Traumastation der Elisabethinen. Dieses in der Steiermark einzigartige Angebot für Betroffene von Traumafolgestörungen weist ob seiner geringen Kapazität bereits jetzt eine Wartezeit von bis zu 12 Monaten auf – nun soll es geschlossen werden. Unzählige Menschen, die aufgrund von zB. Kriegen und (häuslicher) Gewalt Unterstützung durch ein multiprofessionelles Team erfahren haben, verlieren hier einen überlebenswichtigen Anker.

Wenig verwunderlich machte die FPÖ neben den Einsparungen im Sozialbereich auch in weiterer Folge nicht vor dem Migrationsbereich halt. Die Erstaufnahmezentren für vertriebene Ukrainer:innen wurden geschlossen, dutzende Familien (teilweise mit Kleinkindern und Babys) stranden nach wie vor am Grazer Hauptbahnhof. Unter widrigsten Bedingungen fristen sie daraufhin teilweise wochenlang ein menschenunwürdiges Dasein auf der Straße oder in den unzureichenden Notquartieren - obdachlos und trotz diverser nicht erfolgter Versprechen ohne Schutz. Hinzu kommt, dass man den aus ihrem Elend fliehenden Menschen selbst in den dafür installierten Hilfsangeboten oft mit rassistisch unterfütterten Vorurteilen und Ressentiments begegnet.

Während man sich in der Steiermark nun auf kommende Kürzungen im Bildungsbereich einstellt, verkündete die Landesregierung im September noch die Novellierung des steiermärkischen Sozialunterstützungsgesetzes (StSUG, in anderen Bundesländern Mindestsicherung). Dies stellt den bis Dato unverhohlensten Angriff auf all jene armutsbetroffenen Menschen dar, die auf Grund ihrer prekären Lebenssituation auf soziale Transferleistungen angewiesen sind. Selbst vor der an Diskriminierungen ohnehin nicht sparsamen bürgerlichen Verfassung dürften die hier vorgenommenen Verschlechterungen nicht standhalten.

Der neue Gesetzesentwurf – welcher im Februar 2026 in Kraft treten soll – sieht unter anderem eine Kürzung des Höchstsatzes für alle Bezieher:innen um 5% (§8 Abs. 2 und 3) sowie Einsparungen bei der Wohnkostenpauschale und der Kinder- bzw. Alleinerzieher:innenzuschläge vor. Des Weiteren wird in der neuen “Bereitschaftsverpflichtung” (§7 Abs. 1) festgehalten, dass Bezieher:innen “alles” unternehmen müssen, um dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen (vor allen Dingen Deutschkenntnisse). Damit einher gehen massive Sanktionierungsoptionen – welche nun auch keine Rücksicht mehr auf den Erhalt des eigenen Wohnraums nehmen. Das bereits in der Vergangenheit an Diskriminierungen reiche StSUG (Bezieher:innen müssen gegenüber der zuständigen Behörde eine schamvolle Offenlegung ihres schützenswerten Rechts auf Privatsphäre durchführen) verliert damit weiter seinen eigentlichen Zweck: die Sicherung der Existenzgrundlage zur Förderung eines menschenwürdigen Lebens.

Es regt sich Widerstand

Während also FPÖ und ÖVP beinahe im Monatstakt weitere Angriffe auf Arbeiter:innen, Migrant:innen, Frauen und Queere Personen verkünden, regt sich Widerstand. Bereits seit Sommer 2024 warnte die Offensive gegen Rechts (OGR, ein Bündnis linker Organisationen und Einzelpersonen) davor, dass eine Regierungsbeteiligung der FPÖ Angriffe auf alle in der Steiermark lebenden Personen nach sich ziehen wird. Bei unzähligen Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen haben wir klar gemacht, dass moralische Empörung allein nicht ausreicht. Neben öffentlichem Protest (welcher der berechtigten Wut vieler Menschen einen Ausdruck verleihen kann), braucht es ebenso betrieblichen und gewerkschaftlichen Widerstand.

Bei den durch die OGR gemeinsam mit betroffenen Trägern organisierten Demonstrationen gegen die Einsparungen im Kultur- (20.4.2025) und im Sozialbereich (1.7.2025) haben wir in Reden und Aussendungen auf die Notwendigkeit verwiesen, die Einsparung als das zu bezeichnen, was sie sind: rechtsextrem und im Interesse einer reichen, kleinen Minderheit.

Gerade große Träger wie die Caritas betonen aus Angst vor weiteren Einsparungen ihre „politische Unabhängigkeit“ und versuchten verzweifelt, an einen Verhandlungstisch zurückzukehren, an dem sie nie saßen. Jetzt, 3 Monate nachdem die Kürzungen im Sozialbereich schlagend wurden, ist die Bilanz dieser Taktik verheerend. Ohne entsprechenden Aufschrei wurden unzählige Kolleg:innen entlassen, keine der beschlossenen Einsparungen wurde zurückgenommen.

Die Kolleg:innen konnten sich auch auf keinen gewerkschaftlichen Widerstand verlassen. Neben dem Aufruf, sich an den Protesten zu beteiligen, verharrte der ÖGB in betroffener Passivität. Es kam zu keinen Betriebsversammlungen, geschweige denn zu weiteren Kampfmaßnahmen wie Streiks.

Und auch die KPÖ - immerhin die stärkste linke Kraft in Österreich, welche in Graz mit Elke Kahr auch die Bürgermeisterin stellt - glänzte vielerorts vor allem durch ihre Abwesenheit. Zwar kritisierte man die Kürzungen in Artikeln oder auf Social Media und Abgeordnete und Funktionär:innen nahmen auch an den Demonstrationen teil - ein Angebot für betroffene Kolleg:innen, die Organisierung von Widerstand in den Betrieben, geschweige denn die Übernahme einer Führungsrolle in den Protesten, blieben jedoch aus. Nach wie vor scheut man sich davor, Rassismus und Rechtsextremismus klar zu benennen und Antifaschismus als gelebte und letztlich unumgängliche Praxis zu verankern.

Aus Fehlern lernen

Während die FPÖ munter ihren autoritären Umbau staatlicher Institutionen vorantreibt, verharren die Organisationen der Arbeiter:innen in Schockstarre. Es ist davon auszugehen, dass diese Angriffe erst den Beginn darstellen. Um so wichtiger ist es nun, künftigen Widerlichkeiten mit einer entschlossenen Strategie zu begegnen. Bereits jetzt und vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft müssen Betriebsrät:innen und ÖGB-Funktionär:innen mit Betriebsversammlungen und der Planung von Widerstand beginnen.

Vor dem Hintergrund der Grazer Gemeinderatswahlen 2026 kommt hier vor allem der KPÖ eine zentrale Rolle zu. Der karitative Ansatz - Menschen in Notlagen durch Deckelung der eigenen Gehälter unbürokratische finanzielle Hilfe zu leisten - reicht schon lange nicht mehr aus. Was wir brauchen, ist die Organisierung von kollektivem Widerstand, welcher die durch Inflation, Hetze und Sozialabbau gebeutelten Menschen ermächtigt, sich selbst gegen die Angriffe zu wehren.

Im Jahr 2025 – mit der Erfahrung vergangener Kämpfe wie jener gegen die Kürzungsmaßnahmen 2011 oder gegen klimaschädliche Projekte wie das Murkraftwerk im Rücken und vor dem Hintergrund der Kriminalisierung von Antifaschismus weltweit – ist es notwendig, den Widerstand gegen Rechtsextremismus und Kürzungen mit Forderungen zu verbinden, welche über den reinen Abwehrkampf hinausgehen und das grundlegende Elend anprangern: ein kapitalistisches System, welches selbst in einem der reichsten Länder der Welt unzähligen Menschen die Lebensgrundlage entzieht und trotz zur Schau getragener Krokodilstränen - wie etwa beim Grazer Amoklauf – bereit ist, Betroffene ohne mit der Wimper zu zucken sterben zu lassen.

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