Wiener Entwurf für ein Programm des Wahlbündnisses LINKE

Version vom 16.08.2008

Die LINKE tritt erstmals bei Wahlen an. Wir sind ein offenes Wahlbündnis von aktiven ArbeitnehmerInnen und Arbeits­losen, Jugendlichen und PensionistInnen, Frauen und Männern, “In-” und „AusländerInnen“ aus verschiedenen Bereichen und Bewegungen. Wir haben keine großen Geldgeber und lehnen Privilegien ab. Uns eint die Ablehnung von Sozialabbau und Privatisierung und der Kampf um gleiche Rechte für Männer und Frauen – egal welcher Nationalität.

Wir stehen für Umverteilung von oben nach unten und eine andere, solidarische Gesellschaft, dafür, dass sich Menschen gegen Ungerechtigkeit wehren. Wir wollen eine linke Alternative zu den etablierten Parteien aufbauen. Die SPÖ hat in den letzten 18 Monaten einmal mehr gezeigt, dass sie keine Arbeitennenpartei mehr ist. Die Grünen sind zu einer ganz normalen Partei und Teil des Establishments geworden. Wir brauchen eine linke Alternative, die eine Alternative zu Populist­Innen und Rechtsextremen bietet, die sich fälschlicherweise als „Verteidiger“ der ÖsterreicherInnen präsentieren. Auch wenn wir zu diesen Nationalratswahlen antreten, wollen wir uns nicht auf die Arbeit im Parlament beschränken, sondern Teil von sozialen Bewegungen, Protesten und Kämpfen von z. B. Beschäftigten gegen Stellenabbau sein. Mit der Stellvertreterpolitik muss endlich Schluss sein.

Konkrete Schritte gegen die Teuerung: Mindestlohn von € 1.100,–netto und automatische Inflationsabgeltung statt Armut

Die Reallöhne sind heute auf dem Niveau von 1991 – die Teuerung frisst die ohnehin schwachen Lohnerhöhungen auf. Über eine Million Menschen ist armutsgefährdet, fast eine halbe Million akut arm – besonders stark Frauen und MigrantInnen. Gleichzeitig steigen die Unternehmensgewinne und die Anzahl der Euro-Millionäre. Wir brauchen Lohnerhöhungen für alle unabhängig von Geschlecht und Nationalität – die die Reallohnverluste der letzten Jahre wettmachen! Ein guter erster Schritt wäre es, nicht die Mieten, sondern die Löhne als Ausgleich für die Reallohnverluste automatisch an die Inflation anzupassen – als Ausgangsbasis für den Kampf um echte Lohnerhöhungen. Die öffentliche Hand darf Preise und Gebühren nicht weiter anheben, sondern muss z.B. bei den ÖBB die Tarife senken. Notwendig sind Aktionen, um Banken und Großkonzerne daran zu hindern, die Preise weiter anzuheben. Umgesetzt werden kann das durch eine Bewegung von unten, durch Streiks und Demonstrationen – die Gewerkschaften müssen endlich kämpfen!

Während unselbstständig Erwerbstätige immer mehr Steuern zahlen, werden die Steuern auf Gewinne und Vermögen gesenkt. Wir zahlen mit Lohnsteuer und Umsatzsteuer den Großteil der Steuereinnahmen des Bundes, während es für die Vermögenden immer mehr Steuerprivilegien gibt. Wir meinen, dass Steuern die Aufgabe haben, den Sozialstaat zu finanzieren UND eine Umverteilung von oben nach unten durchzuführen. Wir sind daher gegen unsoziale Konsumsteuern, für eine Senkung der Lohnsteuer bei niedrigen Einkommen und fordern echte Gewinn- und Vermögensbesteuerung sowie die Abschaffung des Stiftungsrechtes.

Jobs durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Kampf gegen Stellenabbau

Arbeitslosigkeit, prekäre (unsichere, schlecht bezahlte, miese) Jobs, Teilzeitjobs auf der einen Seite, Überstunden und Stress auf der anderen Seite. Die beginnende Krise der Weltwirtschaft zeigt sich bereits in den Ankündigungen von Personalabbau bei z.B. Siemens, Glanzstoff, Infineon, Magna…. Die Angriffe auf den Lebensstandard von unselbstständig Beschäftigten, PensionistInnen und jetzt schon Armen nehmen ebenso zu wie die Schikanen gegen Arbeitslose. Wir wollen nicht für ihre Krise zahlen und müssen daher unsere Lebensgrundlage aktiv verteidigen. Durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn können Jobs geschaffen werden. Wir meinen eine Arbeitszeitverkürzung, die sinnvolle Jobs schafft, niemanden mehr in Leiharbeitsfirmen abschiebt und nicht einfach durch Mehrarbeit mehr Stress für die Beschäftigten bedeutet. Wir haben die Gewinne der Konzerne erarbeitet, wa­rum sollen wir nicht davon profitieren? Wir unterstützen Belegschaften und KollegInnen, die sich gegen Werksschließungen, Personalabbau und Verschlechterungen wehren und fordern als ersten Schritt die Übernahme solcher Betriebe durch die öffentliche Hand unter Zuhilfenahme des Vermögens der ehemaligen BesitzerInnen.

Die letzten Regierungen haben durch Stellenabbau und v.a. durch die Privatisierungspolitik in den letzten Jahrzehnten viele Arbeitsplätze vernichtet. Bei der ehemaligen Verstaatlichten galt das Prinzip: Gewinne privatisieren, Verluste verstaatlichen. So wurde fast das gesamte Eigentum der ehemals verstaatlichen Industrie sowie der Banken im Besitz von Staat und Ländern (die ja eigentlich uns allen gehört haben) an österreichische bzw. internationale Konzerne und Kapitalgruppen verhökert. Das Ergebnis von Privatisierung ist immer Stellenabbau, schlechtere Leistungen und weniger Sicherheit – im Zentrum steht der Profit.

Wir meinen, dass die öffentliche Hand eigentlich nicht die Aufgabe haben sollte, die Bedürfnisse der Wirtschaft, sondern jene der Menschen zu erfüllen – d.h. eine leistbare Grundversorgung. Deshalb sind wir für ein öffentliches Investitionsprogramm in Wohnen, Gesundheit und öffentlichen Verkehr, Bildung und soziale Einrichtungen. Außerdem können in staatlichen Betrieben bessere Standards bei Arbeitszeit, Bezahlung und Sicherheit gesetzt werden als in der Privatwirtschaft. Wenn wir fordern, dass die öffentliche Hand Betriebe übernehmen und führen soll, dann meinen wir nicht einfach eine Neuauflage der Verstaatlichten der 50er-80er Jahre. Wir meinen einen Staat, in dem nicht eine kleine Gruppen von UnternehmerInnen und Reichen die Macht hat, sondern einen, der sich an den Bedürfnissen der Menschen nach sicheren und ordentlich bezahlten Jobs orientiert. Wir meinen auch, dass solche Betriebe nicht von einem Management gelenkt werden sollen, das nur in die eigene Tasche arbeitet, sondern von den echten ExpertInnen – es muss demokratische Kontrolle von unten nach oben und die Kontrolle seitens der Beschäftigten sowie der Bevölkerung gesichert sein.

Jeder Mensch hat das Recht auf die bestmögliche und kostenlose soziale und gesundheitliche Versorgung

Bei den Öffentlichen Diensten ist in den letzten Jahrzehnten viel gekürzt bzw. privatisiert worden – zum Nachteil der KonsumentInnen ebenso wie der Beschäftigten. Die privaten Ausgaben für Gesundheit machen bereits rund 1/3 der Gesundheits­ausgaben aus. Da die öffentliche Hand immer weniger in den Bereichen Pflege übernimmt, wird diese Arbeit in die Familien verschoben. Die Mehrarbeit muss im Wesentlichen von Frauen – unbezahlt – erledigt werden. Wir sind für die Rücknahme aller Kürzungen der letzten Jahre bei öffentlichen Leistungen (inkl. Pensionsreform) und für einen umfassenden Ausbau des Sozial- und Gesundheitswesens. Dies schließt die bestmögliche medizinische Betreuung und kostenlose und umfassende Pflege und Betreuung mit ein. Das heißt aber auch eine entsprechende Aufstockung beim Personal in allen sozialen Bereichen und eine massive Erhöhung der Bezahlung der (zum überwiegenden Teil weiblichen) Beschäftigten. Vereine und Betriebe, die Dienstleistungen der sozialen, gesundheitlichen und infrastrukturellen Grundbedürfnisse anbieten, müssen zur Gänze durch die öffentliche Hand übernommen werden. Finanziert werden kann das durch das Eintreiben der Steuerschulden der Unternehmen (allein fast 1 Milliarde bei den Krankenkassen), sowie ­durch eine offensive Umverteilung von oben nach unten durch z.B. Abschaffung der Höchstbemessungsgrundlage, Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, Vermögenssteuer und Abschaffung diverser Steuerprivilegien für Unternehmen und Vermögende.

Freier Bildungszugang für Alle

Bildung wird immer mehr zum Luxus. Wir sind der Meinung, dass Bildung ein Grundrecht ist und fordern daher die Abschaffung von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen an den Universitäten. Die Klassen an den Schulen müssen verkleinert, mehr LehrerInnen angestellt und die LehrerInnenausbildung verbessert werden. Eine gemeinsame Schule aller 6- bis 18-Jährigen hinsichtlich Allgemeinbildung verbunden mit dem Erlernen eines Flächenberufs ist außerdem die beste „Integration“ für MigrantInnen. Wir meinen, dass es ein Recht auf die Förderung der Muttersprache gibt und treten für Bildungseinrichtungen – Schulen, Universitäten etc. – ein, deren Ziel nicht einfach nur die Vermittlung von Wissen ist, sondern dass Menschen sich kritisch, unabhängig und selbstbewusst entwickeln können.

Wohnen ist ein Menschenrecht

Wohnen ist nicht nur ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, es ist ein Menschenrecht. Trotzdem werden Wohnungen und Häuser immer mehr zu Spekulationsobjekten für Immobilienkonzerne, Banken und Versicherungen. Mieten und Kreditraten verschlingen einen Großteil unseres Einkommens, obwohl die Löhne und Gehälter real sinken und die Pensionen gekürzt werden. Wir fordern echte Mietzinsobergrenzen und meinen, dass nicht mehr als 10% des Einkommens für Wohnen draufgehen dürfen, um ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Einerseits steht Wohnraum aus Spekulationsgründen leer, andererseits werden Menschen delogiert oder müssen in viel zu kleinen und schlechten Wohnungen leben. Trotzdem werden Wohnungen im Gemeinde- und Staatsbesitz weiter privatisiert und damit der Profitmacherei ausgeliefert. Für uns ist Wohnen ein Menschenrecht – wir sind gegen jegliche Privatisierung im Bereich Wohnen und meinen, dass insbesondere Spekulationsobjekte von der öffentlichen Hand übernommen werden müssen. Kommunen, Land und Bund dürfen sich nicht an einer neoliberalen Sparlogik orientieren, sondern müssen ausreichend Mittel für neue, leistbare und menschenwürdige Wohnungen zur Verfügung stellen.

Es muss endlich Schluss sein mit der systematischen Benachteiligung von Frauen

Wir wollen keine Sonntagsreden mehr, sondern endlich gleiche Bezahlung. Wir wollen den massiven Ausbau der öffentlichen ­Dienste, um die unbezahlte Arbeit von v.a. Frauen in Haushalt und Pflege zu reduzieren, sowie kostenlose flächendeckende Kinderbetreuung. Das Geld, das steuerschonend in Stiftungen geparkt ist reicht, um den Sozialbereich umfassend auszubauen.

Schluss mit der Hetze gegen MigrantInnen – Abschaffung aller diskriminierenden Sondergesetze für MigrantInnen

MigrantInnen werden zu Sündenböcken für die Konsequenzen neoliberaler Politik gemacht. Aber es sind nicht die sogenannten “AusländerInnen”, die schuld sind an Arbeitslosigkeit und Einsparungen im Gesundheitswesen. Wir treten für gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen ein: das bedeutet Wahlrecht, Zugang zu sozialen Leistungen wie öffentlicher Wohnbau und voller Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn MigrantInnen aufgrund der rassistischen Gesetzeslage in die Illegalität gedrängt werden, schadet das damit verbundene aufgezwungene Lohndumping auch ÖsterreicherInnen. Die LINKE ruft den ÖGB dazu auf, für einen “Heißen Herbst” zu sorgen, bei dem unselbstständig Beschäftigte – egal welcher Nationalität – gemeinsam für SPÜRBARE Lohnerhöhungen eintreten. Menschen flüchten nicht leichtfertig – wir treten entschieden gegen die Hetze gegen AsylwerberInnen ein und fordern ein Ende der Abschiebepolitik und ein Bleiberecht. Für uns läuft die Trennlinie nicht zwischen Nationalitäten, sondern zwischen Arm und Reich.

Keine Benachteiligung von Lesben, Schwulen, Transgender und Bisexuellen

Die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit Sexualität und Partnerschaften. Diese werden oft nur als „normal“ gewertet, wenn sie der Aufrechterhaltung des Systems dienen – d.h. wenn sie Kinder hervorbringen. Für uns gibt es keine „richtige“ und „falsche“ Form von Sexualität und Familie – vorausgesetzt sie findet auf freiwilliger und gleichberechtigter Grundlage statt. Wir treten daher gegen jede Diskriminierung von homosexuellen Menschen und Beziehungen ein, insbesondere gegen jede strafrechtliche Verfolgung. Ob eine Familie ein sicherer und liebevoller Platz ist, hängt nicht vom Geschlecht der PartnerInnen und Eltern ab. Daher sind wir für die Gleichstellung von homosexuellen Beziehungen mit heterosexuellen – z.B. in den Bereichen Adoption, Versicherung, Besuchsrecht…

Gegen jede Form von PolitikerInnenprivilegien – LINKE-Abgeordnete beziehen nur Durchschnittseinkommen

Wir wollen nicht, dass Politik über unsere Köpfe hinweg von einer kleinen, überbezahlten Elite gemacht wird. Wir stehen für demokratische Entscheidungen durch Betrof­fene und kämpferische und demokratische Gewerkschaften. RepräsentantInnen der LINKE wollen keine Spitzeneinkommen, sondern nur ein Durchschnittsgehalt – der Rest wird für Kampagnen verwendet.

Nein zur EU der Banken, Konzerne und Generäle

Gegen die neoliberale EU-Verfassung, Aufrüstung, Zerstörung der Umwelt und kapitalistische Profitwirtschaft brauchen wir eine internationale Bewegung, die von Gewerkschaften, ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen getragen wird. Wir treten dafür ein, dass EU-Verträge – insbesondere der „EU-Reform-Vertrag“ – einer Volksabstimmung unter­zogen werden müssen. Wir lehnen den Krieg gegen den Irak ab, sind gegen die Teilnahme an Militärbündnissen und ­gegen den Einsatz von österreichischen oder EU-Truppen bei Auslandseinsätzen (z. B. Tschad).

Für eine lebenswerte Umwelt statt zerstörerischer Profitinteressen

Verschmutztes Wasser, Schadstoffe im Essen, Luft, die man kaum atmen kann, immer mehr Kinder mit Hautproblemen, und das Wetter spielt verrückt: das ist das Ergebnis einer Wirtschaftslogik, in der es nur um Gewinne, nicht um die Bedürfnisse der Menschen geht. Wenn der öffentliche Verkehr massiv ausgebaut wird und für Private kostenlos bzw. extrem günstig ist, dann ist das die beste Antwort auf die globale Erwärmung. LKWs transportieren Waren auf der Straße und zerstören die Umwelt, weil nicht die Transportunternehmen, sondern wir alle die Kosten dafür tragen. Wir meinen: wer die Umwelt zerstört – und das sind in erster Linie Konzerne – soll auch für die Kosten aufkommen. Anstatt die Profite der Unternehmen in immer höhere ManagerInnengehälter oder Dividenden zu stecken, fordern wir die Umstellung der Produktion auf umweltschonende Technologie sowie die Aufstockung der Gelder für Forschung im Bereich Umweltschutz.

Für eine demokratische Gesellschaft ohne Ausbeutung von Mensch und Natur und ohne Unterdrückung – wir nennen das eine sozialistische Gesellschaft.

Warum sollen Aktienkurse und Gewinne wichtiger sein als unsere Bedürfnisse nach einer sauberen Umwelt, gesunder Nahrung, einem sicheren Job und einem ­menschenwürdigen Dasein? Wir treten für eine andere, eine gerechte und solidarische Gesellschaft ein – das Ziel der ArbeiterInnen­bewegung seit ihren Ursprüngen. Wenn wir Sozialismus sagen, dann meinen wir demokratische Gesellschaften, in denen die Menschen selbst entscheiden und die Bedürfnisse und nicht die Profite im Zentrum stehen.