Wie weiter in der Asyl-Bewegung?

Vom Event zur Bewegung: Wie weiter für die Linke in der Asylfrage?
Die SLP-Bundesleitung im April 2016

Die Herrschenden in Österreich setzen derzeit wieder besonders brutal auf Rassismus. In den etablierten Medien wird die Hetze gegen Flüchtlinge und Muslime/Muslimas hoch gefahren und aus der Politik kommt die entsprechende Begleitung in Form von Gesetzesverschärfungen gegen AsylwerberInnen. Alle Parteien im Nationalrat nähern sich den FPÖ-Positionen an. Logischerweise nutzt der allgemeine Rechtsruck in Politik und Medien derzeit vor Allem der FPÖ und ermutigt die gewaltbereite, rechtsextreme Szene zu mehr Aktivität. Im Windschatten von SPÖ, ÖVP und FPÖ wachsen neofaschistische Organisationen wie die Identitären und rechtsextreme Mobilisierungen auf der Straße werden häufiger. Angesichts solcher Herausforderungen braucht die Linke in Österreich klare Strategien und auch gut funktionierende Bündnisse, die diese Strategien in die Praxis umsetzen.

Als Ausgangspunkt für die Überlegungen zu linken Strategien ist es wichtig festzustellen, das die allgemeine Stimmung nicht so weit rechts steht, wie das der Blick z.B. in die Gratis-Zeitungen erscheinen lässt. Die tausenden AktivistInnen, die im Spätsommer und Herbst an den Bahnhöfen, Unterkünften, Grenzübergängen und Hilfskonvois Unglaubliches geleistet haben gibt es immer noch. Natürlich lies sich der Einsatz von damals schon aus beruflichen/ausbildungstechnischen oder auch persönlichen Gründen nicht dauerhaft so fortsetzen, aber in vielen Orten gibt es Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen die ihre aufopferungsvolle Arbeit auch fortsetzen, nachdem die Medien aufgehört haben über sie zu berichten. Aber auch die vermutlich hunderttausenden, die z.B. gespendet haben werden ihre Einstellung zu Flüchtlingen nicht grundsätzlich verändert haben. Die Welle der Solidarität hat sich nicht in Luft aufgelöst.

Die riesige Demonstration mit rund 70.000 TeilnehmerInnen vom 3. Oktober 2015 in Solidarität mit Flüchtlingen war schließlich auch die größte Demo seit langem. Die Organisation der Demo lag bei der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“, einem Bündnis aus dutzende Organisationen. Dieser Tag war der bisherige Höhepunkt der Solidaritätsbewegung. Aber: Es fehlte der nächste Schritt um aus einer Demo die dringend benötigte politische Bewegung zu machen. Auf den 3.10. folgte erst mal lange nichts. Keine weitere Demo, keine Aktion oder eine AktivistInnen-Konferenz, auf der sich die tausenden HelferInnen hätten vernetzen können. Für Wochen fehlte die Stimme der Asyl-AktivistInnen völlig in der öffentlichen Wahrnehmung. Das Thema Flüchtlinge konnte so von den Rechten zurückerobert werden, die vorher von der Welle der Solidarität überrollt worden waren. Die Berichterstattung über die Anschläge von Paris und die Übergriffe der Silvesternacht konnte so die öffentliche Stimmung wieder Richtung Angst wenden, wo die Hetze gut anknüpfen konnten. Angebliche „Verbündete“ der Bewegung wie Bürgermeister Häupl oder Außenminister Kurz stimmten wieder in den allgemeinen, rassistischen Kurs ein. Seitdem geht die Debatte in Medien&Politik kaum noch um gute Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten sondern um Grenzsicherung, Abschiebungen und „Sicherheitsfragen“.

So großartig die Demo vom 3.10. war: Als keine weiteren Initiativen vom Demobündnis mehr kamen, verwandelte sich der Triumph in eine Niederlage.

Am 19. März gab es schließlich noch einmal eine Demo mit rund 10.000 TeilnehmerInnen. Diese Demo zeigte erneut, dass ein Potential für eine echte Bewegung da ist. Tatsächlich ist dieses Potential wieder größer, als es noch zu Jahresbeginn war. Die widerlichen Offensiven von FPÖ&Regierung provozieren eine Reaktion und es gehen wieder mehr Linke und AntirassistInnen auf die Straße. Die Frage ist also: wie lässt sich dieses Potential in eine Bewegung übersetzen?

 

Wer steht wo?

Eine Bewegung braucht Breite, aber sie braucht auch Klarheit über ihre politischen Ziele. Die greifbarste Forderung der Demo am 3.10. war die nach einem Rücktritt vom Mickl-Leitner. KeinE AntirassistIn würde dieser selbsternannten Asylrechtsverschärfungs-Europameisterin nachweinen, aber als politische Forderung ist das völlig unzureichend. Hinter einem „Sichtschutz“ aus rassistischer Hetze und Terrorangst bereiten die Herrschenden Angriffe auf Pensionen, Erwerbslose und Arbeitszeiten vor. Sie schüren Ängste davor, das Geflüchtete österreichischen ArbeiterInnen, Angestellten und Armen Wohnungen oder Arbeitsplätze wegnehmen würden um zu vertuschen, dass es die KapitalistInnen und ihre Vollstrecker in der Regierung sind die Arbeitsplätze vernichten und die Frage nach Wohnraum ihren Profitinteressen unterordnen. Das betrifft nicht nur die ÖVP, sondern ausdrücklich auch die SPÖ, die Grünen in Wien und natürlich die FPÖ, die derzeit wieder im Burgenland und in Oberösterreich mit Sozialkürzungen zeigt, dass sie auf der Seite der Reichen steht.

SPÖ&Grüne, denn darum die im Boot zu haben geht es der Führung der Plattform, sind keine BündnispartnerInnen im Kampf für eine andere Asylpolitik. Sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung! Der schnelle Schwenk von Häupl von Flüchtlingssolidarität vor den Wien-Wahlen zu de facto Obergrenzen und Abschiebungen heute unterstreicht diesen Punkt. Die Politik der angeblich fortschrittlichen Wiener Stadtregierung in der Frage eignet sich dazu die Ängste der Menschen und folglich den Rassismus zu schüren. Massenunterkünfte sind ein schlechtes Mittel um Geflüchtete unter zu bringen. Hunderte Menschen unter bestenfalls bescheidenen Bedingungen, ohne Erlaubnis arbeiten zu können oder Geld für Freizeitgestaltung monatelang zu „verstauen“ muss zu Konflikten führen. Das hat nichts mit Herkunft zu tun.

AnwohnerInnen solcher Unterkünfte werden bestenfalls informiert (und auch das oft nicht), aber nicht in die Planung eingebunden. Viele die so übergangen werden wenden sich dann zur FPÖ. Die Politik von Rot-Grün in Wien unterscheidet sich nur unwesentlich von der von Schwarz-Blau in Oberösterreich.

Aber: Es gibt vor Allem in den sozialdemokratischen Jugendorganisationen und auch den Gewerkschaften Viele, die gegen die Politik „ihrer“ Parteien Sturm laufen. Das ist gut so und zeigt, dass nicht alle SozialdemokratInnen und Grünen in einen Topf gehören. Diese Teile von SPÖ&Grünen müssen unbedingt Teil einer Bewegung werden und damit auch die Politik ihrer eigenen Partei auf- und angreifen. Aber die Führung dieser Parteien steht in der Asylfrage auf der anderen Seite. Politische Forderungen richten sich ausdrücklich an die Regierungen in Bund und Kommunen. VertreterInnen der Regierung haben auf Redebühnen von Demos gegen die Regierung nichts verloren.

 

Das Programm

Dieser Punkt wird deutlicher, wenn wir uns anschauen, welche Forderungen eine Asylbewegung braucht. Konkret geht es darum, den Jugendlichen und ArbeiterInnen in Österreich die Ängste vor Flüchtlingen zu nehmen. Bewusst werden von rechten PolitikerInnen die Interessen von „den Österreichern“ gegen „die Flüchtlinge“ ausgespielt. Sie sagen z.B. Wohnraum für Flüchtlinge heißt weniger Wohnraum für ÖsterreicherInnen.

In Wirklichkeit sind ArbeiterInnen&Jugendliche in Österreich schon lange von Wohnungsnot betroffen, das hat nichts mit Flüchtlingen zu tun. Die Wohnungssituation für Flüchtlinge ist noch viel schlimmer. Fakt ist: Es gibt viel zu wenig leistbaren Wohnraum! Schuld daran ist ein praktisch eingestellter öffentlicher Wohnbau und ein privater Markt, der lieber Luxuswohnungen baut statt nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu planen.

Wohnen ist dabei nur ein Beispiel. Ähnliches lässt sich über die Bereiche Arbeitslosigkeit, Gesundheitsversorgung, Bildung, Löhne.......sagen.

Und in all diesen Bereichen muss die Antwort eine gemeinsame Bewegung sein, die Flüchtlinge genauso wie ArbeiterInnen und Jugendliche organisiert und den Kampf gegen die Politik der Herrschenden aufnimmt: ganz nach dem Motto „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“ und „die Reichen sollen zahlen“.

Die Aufgabe eines prominenten Bündnisses wie der Plattform wäre es mit entsprechenden Forderungen und Aktionen diese gemeinsamen Interessen klar zu machen. Nichts hilft besser gegen Rassismus als die Erfahrung eines gemeinsamen Kampfes.

Stattdessen beschränkt sich die Plattform auf eine weitgehend moralische Politik nach dem Motto „Flüchtlinge sind gut und Rassisten sind böse“, doch damit erreicht das Bündnis nur ein kleines Spektrum. Um erfolgreich zu sein braucht die Bewegung die Unterstützung der ganz „normalen“ ArbeiterInnen, der MigrantInnen und Jugendlichen. Also braucht es Forderungen die diese Gruppen da abholen, wo sie gerade stehen: In der alltäglichen Sorge um den sinkenden Lebensstandart, der bereits 1,4 Millionen Menschen in Österreich an den Rand der Armut oder in Armut gestürzt hat. Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich um Arbeitsplätze zu schaffen, Wohnbauoffensive, Enteignung von leerstehendem Wohnraum...gehören ganz prominent in ein linkes Programm zur Asylfrage.

 

Was jetzt?

Die SLP ist Teil der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“. Wir haben versucht, uns bei Bündnistreffen einzubringen, denn das ist normalerweise der Ort für Vorschläge und Überlegungen wie sie in dieser Stellungnahme stehen. Doch in diesem Bündnis fehlt es an Demokratie. Die wichtigsten Entscheidungen, wenn nicht alle, werden von einem kleinen Organisationsteam getroffen, das gewählt wurde bevor die meisten der Organisationen dem Bündnis überhaupt beigetreten waren. Die Bündnistreffen vor der Großdemo am 3.10. waren zwar gut besucht und dauerten lange, Abstimmungen wurden aber unterbunden und Versprechen über demokratische Verbesserungen nicht eingehalten. So ein Verhalten ist Gift für den Aufbau einer Bewegung. Bewegungen brauchen Raum für Debatten über Strategien und Forderungen. Es muss möglich sein sich auch als Einzelperson in eine solche Bewegung einzubringen damit die Bewegung wachsen kann. Wichtige Entscheidungen müssen daher, auch wenn es manchmal mühsam ist, gemeinsam diskutiert und demokratisch getroffen werden. Die autoritäre Bündnispolitik des Organisationsteams mag zu schnelleren Entscheidungen führen, aber sie tötet jede Bewegung schon im Keim. Zumindest ist das Bündnis derzeit kein Ausgangspunkt für die dringend benötigte, starke Bewegung gegen die Asylpolitik der Regierung.

Aber es gibt politische Arbeitsfelder, um die herum es sich lohnt aktiv zu werden.

Zum Beispiel haben ÖGB und auch einige Teilgewerkschaften in Pressestatements die Politik der Regierung kritisiert und einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen eingefordert. Unter Anderem auf Initiative der SLP haben der GPAdjp Bundeskongress sowie die AK Wien Beschlüsse angenommen, die klar fordern, dass die Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aus dem Vermögen der Reichen bezahlt werden soll (https://www.slp.at/artikel/arbeiterkammer-wien-fordert-solidarit%C3%A4t-mit-fl%C3%BCchtlingen-7013).

Das sind wichtige Ansatzpunkte, denn es ist die Verantwortung der Gewerkschaften die notwendigen Kämpfe für Mindestlohn, Wohnbauoffensive...zu organisieren. Wir dürfen es der Gewerkschaftsführung nicht erlauben sich auf Sonntagsreden zu beschränken. Linke müssen in Betrieben, GewerkschafterInnen und auf der Straße Druck aufbauen um die Gewerkschaften in eine Bewegung für Asylrechte einzubeziehen! Derzeit formiert sich eine Gruppe von Beschäftigten im Asylbereich, die sich gegen die Bedingungen in ihren Einrichtungen und den staatlichen Umgang mit Geflüchteten im Allgemeinen wehren wollen.

An solchen Projekten beteiligt sich die SLP mit ihren Mitteln, aber es braucht mehr Kräfte um erfolgreich zu sein. Wir werben innerhalb der Linken für diese Politik und hoffen, das sich mehr Organisationen und Einzelpersonen finden die diesen Kampf mit uns führen wollen.

 

Die SLP-Bundesleitung im April 2016