Wenn Grundrechte mit Füßen getreten werden: Profit bestimmt über Wohnraum

Helga Schröder

Wenn Wohnen dem Markt überlassen wird, gibt es zu wenig, zu teuren und zu schlechten Wohnraum.

Kein Wahlkampf ohne das Thema „Wohnen“. Denn obwohl die Anzeigenseiten voll sind mit Wohnungsinseraten ist es kaum möglich, eine leistbare und lebenswerte Wohnung zu finden. Das Problem ist rasch erkannt, die Lösungen der herrschenden Politik aber sind dürftig.

Die SPÖ, früher verantwortlich für den Wohnbau im „Roten Wien“ und MieterInnenschutz, ist seit vielen Jahren aktiver Teil der Aushöhlung des Mietrechtsgesetzes. Dadurch wurden insbesondere die Mietzinsbeschränkungen so weit ausgehöhlt, dass nichts mehr davon übrig ist. In den verbliebenen wenigen Bereichen mit regulierter Miethöhe im Altbau ist auch diese Regulierung aufgrund befristeter Mietverträge de facto nicht vorhanden. Wer die Miethöhe bei der Schlichtungsstelle anficht, bekommt sicher keine Verlängerung. Die Verfahren bei Schlichtungsstellen sind völlig zahnlos, überhöhte Betriebskosten werden bestenfalls festgestellt, aber keine Rückzahlung angeordnet. Gegen Mobbing und unterlassene Instandhaltungen haben MieterInnen keine effektive Handhabe. Zahlreiche Novellen wurden zum Vorteil von VermieterInnen durchgeführt.

Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte konnten leicht beseitigt werden, weil sie auf Reformen im Rahmen der kapitalistischen Logik beschränkt waren und das Eigentum nicht angetastet haben. Das zeigt die Grenzen von Reformen des Mietrechts. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und Spekulation mit Wohnraum deshalb besonders profitabel. Und wenn die herrschenden PolitikerInnen von „Reform“ reden, wissen wir inzwischen, dass dahinter eine Verschlechterung für uns steckt. Von Versprechungen der etablierten Parteien ist nichts zu erwarten.

Als ersten Schritt ist es mangels öffentlichen Wohnbaus nötig, direkt dort, wo Private Profite mit Wohnraum machen, Verbesserungen zu erkämpfen. Das bedeutet echten MieterInnenschutz, Mietzinsobergrenzen sowie das die Vermieter nur erwiesene Kosten in Rechnung stellen dürfen und die Abschaffung von MaklerInnengebüren. Hier stoßen wir aber bald an Grenzen. Bei einkommensbezogener Obergrenze haben die KapitalistInnen die Möglichkeit, nur an Menschen mit hohen Einkommen zu vermieten. Bei absoluten Obergrenzen können sie auch einfach keine Wohnungen mehr vermieten. Das ist schon jetzt der Fall. Wohnungen werden nicht vermietet, sondern verkauft. SpekulantInnen kaufen Häuser zu Spottpreisen, wandeln in Eigentumswohnungen um und verkaufen dann die einzelnen Wohnungen. Jene, die es sich leisten können, kaufen diese für ihre Kinder, oder vermieten einzelne Zimmer oder die gesamte Wohnung, oft an Studierende (unter Umgehung des Mietrechts als „Wohngemeinschaft“), auf Plattformen an TouristInnen (wimdu etc.) und erhoffen sich so eine Altersvorsorge. Menschen, die aus (berechtigter) Angst um ihre Zukunft im Alter ihr Geld in „Vorsorgewohnungen“ stecken, werden so zu unfreiwilligen Steigbügelhaltern des Großkapitals. Auch die BettgeherInnen des 19. Jahrhunderts sind wieder da: Dubiose Firmen vermieten Matratzen und Stockbetten um hunderte Euro (ebenfalls unter Umgehung des Mietrechts) als „Beherbergungsbetrieb“ an ArbeiterInnen. Das Mietrecht geht also am Weg zu den BewohnerInnen verloren. Auch Leerstände sind nicht die Ursache, sondern ein bloßes Nebensymptom. Die SpekulantInnen machen Profite nicht mit Leerständen, sondern mit Verkauf. „Freiräume“ und hippe Bobo-Projekte bleiben privilegierte Zugänge (und teilweise sogar profitable Zwischenvermietung als „Start up“), solange sie vom Gutdünken der Eigentümer abhängen.

Verbesserungen wie Abschaffung von MaklerInnengebühren, effektive kostenfreie Rechtsvertretung sind ebenso wichtige erste Schritte wie effektive, klare, uneingeschränkte Mietobergrenzen für ALLE Wohnungen. Das alles muss aber erkämpft werden und geht nicht ohne Antastung des Profits mit Wohnraum. Und da kommt natürlich sofort die geheuchelte Reaktion der Reichen, es würde nun HäuslbesitzerInnen ihr schwer Erarbeitetes gestohlen. Tatsache ist: Wer in eigener Wohnung bzw. Haus wohnt oder allenfalls einen Zweitwohnsitz hat, macht keinen Profit. Die selbsternannten VerteidigerInnen der kleinen HäuslbesitzerInnen sind in Wahrheit diejenigen, die Menschen aus ihren Häusern delogieren lassen. Die HeuchlerInnen wissen genau: Es geht nicht um die BesitzerInnen von Eigentumswohnungen, Häusern oder Zweitwohnsitzen, sondern um jene großen Vermögen an Wohnraum, mit denen Profit gemacht wird und das eben nicht „erarbeitet“ ist, sondern ererbt oder mit der Arbeit anderer angehäuft ist. Es geht um die Esterházys, nicht um die die Resi-Tante.

Es gibt keine Lösung der Wohnmisere ohne Beseitigung der kapitalistischen Wurzeln.

Der Aufbau eines parallelen öffentlichen Wohnungsmarktes reicht nicht aus, sondern es muss auch der private beseitigt werden. Wenn wir das Eigentum an Großgrundbesitz, die Vermögen der Superreichen und die Profite von Immobilien- und Investmentkonzernen unangetastet lassen, landen wir auch beim öffentlichen Wohnbau bei dem beschriebenen Dilemma: Länder und Gemeinden müssen den Grund kaufen, um darauf Wohnraum errichten zu können. Wenn man sich an die Spielregeln des Marktes hält, ist es unmöglich, Wohnraum wirklich leistbar zu errichten.

Außerdem ist der angebliche „öffentliche“ Wohnbau längst in privater Hand und bietet eine profitable Spielwiese für SpekulantInnen, Baufirmen, PolitikerInnen und Auftragnehmer. Die Arbeitsbedingungen für die am Bau Beschäftigten sind teilweise wie jene des 19. Jahrhunderts. Dahinter stecken AuftraggeberInnen auch aus dem „öffentlichen“ Bereich wie etwa die Stadt Wien und ihre ausgegliederten Unternehmungen. Diese vergeben Aufträge an große Bau-Unternehmen, die wiederum Sub-Sub-Aufträge vergeben und alle schieben die Verantwortung ab.

Auch das System der Förderungen bringt keinen leistbaren Wohnraum. Für „geförderte“ Genossenschaftswohnungen muss man zigtausend Euro hinblättern. Wer das nicht kann, hat Pech. Die Förderungen fließen an private Bauträger. Nichts geht an betroffene Wohnungssuchende oder Menschen, die den Großteil ihres Einkommens fürs Wohnen aufwenden müssen. Für Wohnungssuchende bedeuten diese Förderungen nur eines: Beschränkten Zugang zu den Wohnungen. Sozial ist daran nichts, weil sich viele nicht einmal den Genossenschaftsanteil leisten können.

Ausreichend leistbarer Wohnraum kann nur mit dem Erkämpfen von wirklich öffentlichem Wohnbau geschaffen werden. Das heißt, nicht Kauf des Grundes von Großgrundbesitzern, nicht Millionenförderungen an Bauträger und Immobilienkonzerne und nicht milliarden- und millionenschwere Aufträge an Architekturbüros und Baukonzerne. Öffentlicher Wohnbau heißt Enteignung des dafür nötigen Grundes, wenn er im Eigentum von großen Unternehmen und GroßgrundbesitzerInnen ist. Ordentliche Wohnungen werden gebaut auch durch die Anstellung aller Beschäftigten – von ArchitektInnen über IngenieurInnen bis MaurerInnen und FliesenlegerInnen– direkt im öffentlichen Dienst zu ordentlichen Bedingungen und Löhnen. Die Planung, Vergabe und Verwaltung der Wohnungen durch demokratisch legitimierte Vertretungen und Organisationen der betroffenen Wohnungssuchenden und BewohnerInnen stellt sicher, dass alle, die eine Wohnung brauchen, auch eine bekommen. Leistbare Wohnungen für alle finden sich im Dreieck des Kampfes für echten öffentlichen Wohnbau, effektiven MieterInnenschutz samt Mietobergrenzen und Abschaffung privater Profite mit Wohnraum als Voraussetzung für beides. Was der Markt nicht kann, kann eine sozialistische Wohnungspolitik.

 

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