Weltweit den Horror des Kapitalismus beenden!

Internationales Treffen des Komitees für eine ArbeiterInneninternationale
Sonja Grusch

Anfang Dezember 2005 trafen sich rund 50 Mitglieder des Komitees für eine ArbeiterInneninternationale (CWI) aus 25 Ländern und fünf Kontinenten in Belgien. Aber es war weder eine vorweihnachtliche Feier noch ein kulturelles Treffen – es war das gemeinsame Ziel, den Horror des Kapitalismus weltweit zu beenden und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, welches die Diskussionen bestimmte.

Angriffe auf soziale und demokratische Rechte

In Kirgisien liegt das Durchschnittseinkommen bei 26 Euro pro Monat, 80% der Bevölkerung leben in Armut. Dass es sich dabei nicht um eine Ausnahme handelt machten die zahlreichen Beispiele aus Asien, Afrika, Lateinamerika, aber auch Europa und den USA deutlich. Hinter der schönen Scheinwelt, die der Kapitalismus aufbaut, gibt es eine graue und oft lebensbedrohende Realität. In einer Reihe von Ländern herrscht zur Zeit offiziell ein Aufschwung. Trotzdem werden überall Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse gefahren. Weltweit kommt es z.B. unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung zu einem Abbau demokratischer Rechte um Widerstand von ArbeiterInnen und Jugendlichen zu verhindern. Aus Australien – das einen Exportboom nach China verzeichnet – berichten CWIVertreter über die de facto Abschaffung des Streikrechtes und polizeistaatliche Methoden. Es ist kaum noch möglich, legal einen Streik durchzuführen und für illegale Streiks können ArbeiterInnen künftig mit Strafen von bis zu 14.000 Euro pro Streiktag bestraft werden. Wer sich darüber beschwert bzw. die Regierung kritisiert kann auf unbestimmte Zeit auch ohne Verfahren im Gefängnis landen. Massenarbeitslosigkeit, Armut und der drastische Abbau von Sozialleistungen – egal aus welchem Land die Berichte kommen, diese gemeinsamen Erfahrungen dominieren: In Israel sinken die Reallöhne in den letzten Jahren drastisch, in Belgien soll das Pensionsalter ausgedehnt werden, in Deutschland wird der Kündigungsschutz abgeschafft. In den USA gibt es Steuergeschenke für die Reichen, in Nigeria erhöhen sich die Benzinkosten (= Transportkosten) für die Bevölkerung während der Staat durch den hohen Ölpreis Zusatzeinnahmen verbucht, welche in den Taschen korrupter PolitikerInnen und internationaler Konzerne landen.

Rettung der Weltwirtschaft durch China?

Es ist zwar möglich, dass der momentane Wirtschafts-"Aufschwung" noch einige Zeit andauern kann. Die Basis dieses Aufschwungs ist aber alles andere als stabil und kann rasch in sich zusammenbrechen. Es ist ein Aufschwung auf Pump, der mit einer hohen Staatsverschuldung und einer hohen Verschuldung der Haushalte finanziert wird. Die Sparquote ist in den USA mit 1,5% des BIP auf einem historischen Tiefstand, die ArbeiterInnen haben kaum Rücklagen auf die sie in einer kommenden Krise zurückgreifen können – dafür aber hohe Schulden. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit China weiter als permanenter Motor weltweiten Wachstums agieren kann. China verzeichnet zweifellos einen langen und starken Boom. Was bürgerliche Kommentatoren allerdings gerne vergessen ist, dass China v.a. die Angebotsseite steigert in einer Welt, in der es ohnehin schon massive Überproduktion und Überkapazitaeten gibt (Verglichen mit der Kaufkraft, nicht den Bedürfnissen). Aber wer kauft all die produzierten Güter? Die chinesischen Hungerlöhne, die die ArbeiterInnen für ihre oft 14–16 Stunden dauernde Arbeit bekommen, reichen dafür wohl kaum. China ist gerade einmal für 3% der Weltnachfrage verantwortlich. Die zunehmende ökonomische Bedeutung Chinas führt auch zu Konflikten mit den USA und auch Russland. Im Zentrum steht der Zugang zu Öl – dem wichtigsten Rohstoff – in Asien. Bedrohlich ist die Perspektive einer kommenden Krise tatsächlich für die ArbeiterInnen weltweit, die bereits jetzt – in Zeiten eines sogenannten Aufschwunges – mit sinkendem Lebensstandard und Angriffen konfrontiert sind. In Berlin lebt bereits ein Drittel aller Kinder in Armut! Die Polarisierung zwischen arm und reich nimmt zu, die Hälfte aller ArbeitnehmerInnen weltweit kann von ihrem Lohn nicht leben. Die Polarisierung entlädt sich zum Teil plötzlich – wie z.B. bei den Jugendunruhen in Frankreich.

Die Rolle von SozialistInnen

Die Rolle, die die unterschiedlichen Sektionen des CWI im Kampf der ArbeiterInnen und Jugendlichen für ihre Rechte spielen, war für mich wirklich beeindruckend. Die Irische Sektion des CWI – die Socialist Party – ist z.B. aktiv im Konflikt bei Irish Ferries, wo versucht wird, unter dem Motto "besser solche Jobs als gar keine" 543 Jobs durch Niedriglohnjobs zu ersetzen: Beschäftigte sollen künftig 3,60 Euro pro Stunde verdienen bei einer Arbeitswoche von 84 Stunden. Der Konflikt hat Auswirkungen auf ganz Irland und darüber hinaus: Sind die Unternehmer erfolgreich, werden rasch Nachahmer kommen. Bei den großen Protestdemonstrationen am 9. Dezember mit über 100.000 TeilnehmerInnen, die de facto ein halbtägiger Streik waren, haben die Gewerkschaften wohl auch deshalb keine PolitikerInnen als RednerInnen zugelassen, weil sie wussten das Joe Higgins, Abgeordneter der Socialist Party, der irischen Sektion des CWI, als einziger auch die Politik der Regierung kritisieren und als nächsten Schritt für einen eintägigen Generalstreik aufrufen würde.

Internationale Solidarität ist mehr als eine Phrase

Aus Griechenland kamen Berichte über die Arbeit mit MigrantInnen, aus Sri Lanka über die Kandidatur von Siritunga Jayasuriya von der United Socialist Party, der Sektion des CWI (mehr siehe Internationale Notizen). Aus Pakistan und Sri Lanka folgten Redebeiträge über die Arbeit nach Tsunami und Erdbebenkatastrophe. In beiden Fällen hat das CWI international Spenden gesammelt und die Hilfe immer auch mit politischen Kampagnen verbunden, damit die Opfer – künftig – nicht auf Almosen angewiesen sind, während die Regierungen von Pakistan und Sri Lanka weiter Milliarden ins Militär stecken. Und in beiden Fällen haben wir Hilfe auch unabhängig von der Nationalität und Religion organisiert: in Sri Lanka für SinghalesInnen ebenso wie für TamilInnen, in Pakistan ebenso wie in Kaschmir.

Die ArbeiterInnenklasse braucht eine Partei

Das Vertrauen in die etablierten Parteien wird immer geringer. Überall sinkt die Wahlbeteiligung, oft stehen lediglich zwei große Parteien oder Lager zur "Auswahl" die sich kaum voneinander unterscheiden. Das Fehlen von ArbeiterInnenparteien ist ein wesentliches Hindernis für erfolgreiche Kämpfe der ArbeiterInnenklasse weltweit. Eine Einschätzung und Bilanz verschiedener neuer Formationen – der PRC (Partei der Kommunistischen Neugründung) in Italien, der SSP (Schottische Sozialistische Partei), des Linksblocks in Belgien etc. – ist daher notwendig. Im Zentrum standen aber die Diskussionen über die jüngeren Entwicklungen in Deutschland rund um WASG und Linkspartei.PDS (mehr siehe Internationale Notizen) und in Brasilien rund um die PSOL. In beiden spielen Mitglieder des CWI eine zentrale Rolle. Interessant auch die Entwicklungen in Belgien. Bei den Generalstreiks in den letzten Monaten gegen die Angriffe auf das Pensionssystem hat die belgische Sektion des CWI die Notwendigkeit einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche betont. Von ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen aus verschiedenen Bereichen gibt es sehr positive Reaktionen und auch bereits konkrete Initiativen.

Und weil es nicht möglich ist, die Diskussionen und Berichte einer Woche hier vollständig wiederzugeben, lohnt es, mehr auf www.socialistworld.net (auf Englisch, deutsche Übersetzungen teilweise auf www.slp.at bzw. www.sozialismus.info) nachzulesen.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: