Welche Partei brauchen ArbeitnehmerInnen und Jugendliche heute?

Referat gehalten auf den Sozialismustagen der SLP am 1.4.2006 im Rahmen der Debatte „Welche Partei brauchen ArbeitnehmerInnen und Jugendliche heute?“ mit Sascha Stanicic, Mitglied der WASG-Berlin, Bundessprecher der SAV, Werner Murgg, Abgeordneter zum ste
Sonja Grusch

Am 4. April 2005 – also vor fast exakt einem Jahr – kam es zur Spaltung von FPÖ und BZÖ. Viele haben damals das Ende der FPÖ und der rechtsextremen Gefahr prognostiziert. Wir haben gewarnt und erklärt, dass die rechtsextreme Gefahr nicht gebannt ist und die FPÖ selbst dadurch noch weiter nach rechts gehen wird. Wir haben – leider – recht behalten. Bei den Wiener Gemeinderatswahlen im Oktober 2005 erhielt die FPÖ fast 15% und bei den kommenden Nationalratswahlen ist ein Ergebnis jenseits der 10% nicht ausgeschlossen – und das unter einer noch weiter nach rechts gerichteten Führung und einem widerlich rassistischen Kurs. Die FPÖ kann sich als Opposition aufspielen, weil es keine relevante linke Kraft gibt. Auf dieser Basis kann sie von der jetzigen ÖGB-Krise profitieren und bei den kommenden Nationalratswahlen Proteststimmen sammeln.

Die Ursache liegt darin, dass es keine linke Alternative gibt!

Die SPÖ wird diese „linke Alternative“ nicht sein – Gusenbauer hat klar gemacht, dass er (mit Ausnahme der Studiengebühren) nicht für einen wesentlich anderen Kurs steht. Das ist z.B. bei der Frage der Postprivatisierung deutlich geworden, wo die SPÖ nicht gegen die Privatisierung ist.

Am 25. März war in Wien eine Veranstaltung der Sozialistischen Jugend (der SPÖ-Jugendorganisation) auf der Gusenbauer gesprochen hat – quasi ein Heimspiel, wo er risikolos und wahltaktisch durchaus sinnvoll den „Linken“ hätte heraushängen lassen können. Auf die wirklich aufgelegte Frage nach „Bush oder Chavez“ hat er keine Sympathie für Chavez gezeigt sondern stattdessen die neue chilenische Präsidentin gelobt – obwohl die Sozialdemokratie in Chile beteiligt am Sozialabbaus ist. Das ist nur ein kleines Beispiel – aber es zeigt, das die SPÖ nicht einmal mehr aus populistischen Gründen auf linke Signale setzt. Die praktische Politik sieht sowieso anders, nämlich neoliberal, aus.

Die SLP ist davon überzeugt, dass eine wirkliche linke Alternative notwendig ist – das sie sich aber von früheren „Bündnisprojekten“ wesentlich unterscheiden muss. Wir waren und sind zur Zusammenarbeit mit anderen linken Gruppen, Organisationen und Parteien bereit – wir haben 1996 in einem Wahlbündnis mit der KPÖ kandidiert (das keineswegs unproblematisch war). Wir haben in der Widerstandsbewegung 2000, in der Antifaschistischen Bewegung und im Rahmen unserer Frauenarbeit immer gezeigt, dass es uns nicht um Organisations-Chauvinismus, sondern um solidarische Zusammenarbeit und ein klares Programm geht. Wir halten es aber für unbedingt notwendig, aus den bisherigen linken Projekten – in Österreich und International – zu lernen und Fehler zu vermeiden.

Das Beispiel von Deutschland und der Gründung der WASG zeigt, dass Klassenkämpfe und soziale Bewegungen notwendig sind, um eine solche neue Partei aufzubauen. Die Proteste gegen Hartz IV waren ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der WASG. Die Intervention einer solchen neuen Struktur in diese Kämpfe, bzw. die Organisierung und Führung solcher Bewegungen ist darüber hinaus nötig, damit eine solche Struktur sich weiterentwickeln kann, eine aktive Basis bekommt und sich die Führung nicht meilenweit von der Basis wegbewegt.

Wer bildet aber nun die Basis einer solchen neuen Struktur?

Rund um die Jahrtausendwende wurde viel über die „Zivilgesellschaft“ oder auch die „Multitude“ (wer sich noch an „Empire“ erinnert) geredet. Die ArbeiterInnenklasse gäbe es nicht mehr, manche meinten sogar, die ArbeiterInnenklasse selbst wäre „verbürgerlicht“. Der Spruch „Totgesagte leben länger“ passt hier ganz gut – denn es gibt die ArbeiterInnenklasse immer noch: jene Menschen die nichts zu verkaufen haben, als ihre Arbeitskraft, die angewiesen sind auf einen Job.

Die ArbeiterInnenklasse stellt den Großteil der Bevölkerung – und in den letzten Jahren zunehmend die zentrale Kraft in politischen Bewegungen. In Frankreich gab es schon 2005 (und auch in den Jahren davor) massive Jugendproteste. Die Proteste im Frühjahr 2006 gegen das CPE aber bekommen eine besondere Qualität durch die Beteiligung der ArbeiterInnenklasse, durch die Streiks.

Wir haben es auch 2000 in der österreichischen Widerstandsbewegung gesagt: Die Demonstrationen sind wichtig, aber wir müssen die Herrschenden dort treffen, wo es ihnen weh tut. D.h. nicht nur die Strassen stilllegen, sondern die Produktion. Die ArbeiterInnenklasse ist die stärkste Kraft in der Gesellschaft, die eine Veränderung bewirken kann – und daher auch der Kern einer solchen neuen Struktur. In Brasilien z.B. ist die PSOL – die Partei für Sozialismus und Freiheit – Teil von Kämpfen gegen Sozialabbau und hat eine starke Basis in der ArbeiterInnenklasse.

Wie soll eine solche Struktur aufgebaut sein?

Wir glauben, dass es eine demokratische Partei sein muss. Nicht eine Partei mit abgehobenen, privilegierten Bonzen an der Spitze. Wozu Abgehobenheit führt, hat der Bawag/ÖGB-Skandal überdeutlich gezeigt. Wir brauchen eine Struktur, die es ermöglicht, dass Einzelpersonen genauso mitarbeiten, wie schon existierende Organisationen. Es sollte Fraktions- und Tendenzrechte, sowie starke Minderheitenrechte geben.

In Britannien gibt es in den letzten Monaten starke Entwicklungen in der Gewerkschaftsbewegung. Die Erfahrungen mit New Labour haben dazu geführt, dass sich immer mehr GewerkschafterInnen für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei einsetzen. Bei der Gründungsveranstaltung der Kampagne für eine neue ArbeiterInnenpartei, die auf Initiative der Socialist Party, der Schwesterpartei der SLP, stattgefunden hat, waren über 450 Menschen anwesend, von denen ein großer Teil GewerkschaftsfunktionärInnen und regionale BasisaktivistInnen waren. Dort wurden auch Strukturen beschlossen, die sehr viel Raum für die Entwicklung einer solchen neuen Partei geben – welche negativen Auswirkungen zu enge Strukturen am Beginn einer solchen neuen Partei bedeuten können, zeigt sich zur Zeit in der WASG.

Die Erfolge der KP-Steiermark in den letzten Jahren sind – nicht nur in Österreich – mit viel Interesse beobachtet worden. Ernest Kaltenegger sticht angenehm heraus aus dem Einheitsbrei der etablierten, privilegierten und korrupten PolitikerInnen. Ein Vergleich mit Joe Higgins von Socialist Party, der Schwesterpartei der SLP in Irland, ist insofern durchaus zulässig. Joe ist Abgeordneter zum irischen Parlament und bekannt als „der Rote den man nicht kaufen kann“. Aber es gibt auch Unterschiede zwischen der Socialist Party und der KP-Steiermark. Gen. Murgg hat in seiner Antrittsrede zum Leobner Gemeinderat am 13.4. 2005 die drei Eckpfeiler der Methoden der KP-Steiermark umrissen: Umverteilung auf kommunaler Ebene, Verteidigung des kommunalen Eigentums, konkrete Hilfestellung vor Ort.

Es ist Ernest Kaltenegger hoch anzurechnen, dass er inzwischen wohl rund 70.000 Euro aus seinen Politikerbezügen als Zuschuss bei sozialen Notfällen hergegeben hat. Im Gegensatz zu den völlig überbezahlten ÖGB-FunktionärInnen hat er nicht den Bezug zum Leben normaler Menschen verloren. Das ist eine Basis, auf der WählerInnen gewonnen werden können. Aber es ist schwer, auf dieser Basis AktivistInnen zu gewinnen – die Partei wächst nicht mit den Wahlerfolgen und Möglichkeiten mit.

Im Gegensatz dazu ist ein Schwerpunkt der Socialist Party in Irland, der Schwesterpartei der SLP, Kampagnenarbeit: gegen Wasser- und Müllgebühren, mit den Gama-ArbeiterInnen und gegen Abschiebungen. Alles Kampagnen, die auf der Einbeziehung und Aktivierung von Menschen beruhen.

Die Socialist Party und der Wahlerfolg von Joe Higgins, der mit 21,5 % der Erststimmen 2002 wiedergewählt wurde, zeigen auch, das ein sozialistisches Programm kein Hindernis ist – im Gegenteil. Es geht hier nicht um einen dogmatischen „wir müssen in jedem Text x-Mal das Wort Sozialismus verwenden“ Anspruch. Es geht um die Frage, welche Antworten wir auf Fragen, welche Lösungen wir für Probleme haben. Und es geht darum, das in einer Sprache zu machen, die nicht nur für AkademikerInnen und „Linke“ verständlich ist.

Arbeitslosigkeit, Frauenunterdrückung, Rassismus, die Zerstörung der Umwelt, die Tatsache, dass täglich 100.000 Menschen verhungern, Kriege aber auch die Zunahme reaktionärer Kräfte – all das ist im Rahmen des Kapitalismus nicht lösbar. Der Kapitalismus ist in einer Krise – die Spielräume für ein paar Brosamen vom Tisch der Reichen ist kleiner, weil die Konkurrenz härter wird. Die Hoffnung auf einen Kapitalismus „mit menschlichem Anlitz“ entpuppt sich jeden Tag mehr als Illusion.

Wir halten ein sozialistisches Programm für notwendig, um ernstzunehmende Antworten geben zu können – aber ein solches Programm ist für uns keine absolute Vorbedingung für eine solche neue Partei. Wir werden dafür eintreten, aber einen Eintritt in eine solche Partei nicht allein davon abhängig machen.

Eine solche Partei neue Partei für ArbeitnehmerInnen und Jugendliche ist notwendig und braucht:

  • Offene, demokratische Strukturen
  • Die Beteiligung, Initiierung und Führung von sozialen Kämpfen und Arbeitskämpfen
  • Ein sozialistisches Programm, um tatsächlich Lösungen für die anstehenden Probleme bieten zu können.

Zur Zeit gibt es in Österreich leider keine konkreten Ansatzpunkte für eine solche Partei – Sie wird nicht nur aus dem Zusammenschluss verschiedener linker Organisationen entstehen. Die kommenden Klassenkämpfe werden hier eine zentrale Aufgaben haben. Und in diesem Zusammenhang auch die weitere Entwicklung des ÖGB: Die jetzige Führung versucht wieder einen der ihren an die Spitze zu bringen. Aber wir brauchen einen Kurswechsel des ÖGB und eine andere Führung: für einen kämpferischen Kurs und für demokratische Strukturen.

Eine Kampagne für einen solchen Kurswechsel, für einen demokratischen und kämpferischen ÖGB kann ein sehr konkreter Ansatzpunkt für die Entwicklung einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche sein. Und kann damit die Grundlage für eine ernstzunehmende linke Kandidatur bei den Nationalratswahlen legen, die eine echte Alternative zur neoliberalen Politik der etablierten Parteien und zum Rassismus der FPÖ bieten kann.