Uni Proteste 2009: Widerstand ist machbar!

... aber nicht ohne Strukturen und linkes Programm!
Michael Gehmacher

Zum Jahresende machen bürgerliche Medien traditionell einen Rückblick auf das vergangene Jahr. Dabei wurde heuer der Begriff „Audimaxismus“ zum Wort des Jahres 2009 gewählt. 2008 war das „Wort des Jahres“ noch „Lebensmensch“. Der Wechsel, vom Namen der Beziehung zweier Rechtsextremisten zueinander, hin zu einem Begriff aus einer sozialen Protestbewegung, macht einen Wandel in der österreichischen Innenpolitik deutlich. In den vergangen Jahren prägten der Aufstieg des Rechtsextremismus bzw. der Kampf dagegen die Innenpolitik. Haider und Co nervten omnipräsent in allen Medien. 2009 kamen die Proteste der SchülerInnen, KindergärtnerInnen, StudentInnen, und viele andere Proteste in die Schlagzeilen. 2009 prägte der soziale und politische Widerstand die Innenpolitik. Die Bewegung an den Unis war dabei wohl die wichtigste. Aber vielleicht war 2009 erst der Anfang? Vieles spricht dafür. Vor allem die SchülerInnen, StudentInnen und KindergärtnerInnen organisierten ihren Protest an den offiziellen Institutionen wie ÖH oder ÖGB vorbei. Wenn angesichts der Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der defensiven Haltung der ÖGB-Spitze auch Erwerbsarbeitslose, MigrantInnen und ArbeiterInnen diesem Beispiel folgen, stehen größere soziale Kämpfe bevor. Eine Bilanz und ein Ausblick der StudentInnenbewegung ist daher eine wichtige Vorbereitung auf die kommenden sozialen Auseinandersetzungen.   

Warum die Uni brannte ...

Am Anfang stand die Akademie der Bildenden Künste. Der Streik und die Besetzung dort wurden von den meisten eher als exotisch wahrgenommen. Sie blieben in der Wahrnehmung der bürgerlichen Medien weitgehend unbeachtet. Das unter „Bolognaprozess“ berühmt-berüchtigte Studiensystem gibt es bis jetzt an der Akademie der Bildenden Künste kaum. StudentInnen und Lehrende dort müssen sich noch nicht mit Master /Baccalaureatsabschlüssen und den bei vielen StudentInnen verhassten ECTS-Punkten herumschlagen. Im Streik und in der Besetzung der „Bildenden“ sahen viele KollegInnen die Chance, den unbeliebten „Bolognaprozess“ noch einmal umzudrehen. Ein wichtiges Element der Bewegung, denn in wenigen Tagen entstand eine Kampfbereitschaft gegen ein System, das an vielen Unis schon lange üblich ist. Überfüllte Hörsäle und miese Studienbedingungen waren sicher ein zentraler Motor. Schnell richtete sich aber der Kampf gegen das System Bologna.
 „Endlich! Was ihr macht’s, wär schon vor vielen Jahren nötig gewesen“ meinte etwa eine französische Jusstudentin, als sie von den Protesten erfuhr.
Viele hielten den „Kampf gegen Bologna“ für verloren. „Die StudentInnen sind viel zu unpolitisch“ hörte man da oft. Das schnelle Aufflammen und die Wucht des Protestes, haben aber gezeigt, dass es bis zum Schluss möglich ist, Kämpfe zu führen, wenn die Betroffenen dazu bereit sind. Eine wichtige Erfahrung für die Zukunft, wenn es darum geht soziale Angriffe abzuwehren, Fabrikschließungen zu verhindern oder Ähnliches: Trotz aller Schwierigkeiten ist es bis zum Schluss möglich gegen Verschlechterungen zu kämpfen. Wichtig ist aber auch, diese richtig zu organisieren um den Kampf zu gewinnen.

Von der „Bildenden“ zum Audimax ...

Streik und Besetzung an der „Bildenden“ öffneten ein kleines Protestfenster, durch welches in der Folge viele durchmarschierten. Am 22.10. 09 kam es zu einer kleinen Solidaritätsdemonstration im Wiener Votivpark, gleich bei der Wiener Uni. Die spontane Demo ging durch die Uni, besuchte verschiedene Vorlesungen und endete nach einer Stunde mit der Besetzung des größten österreichischen Hörsaals, dem Audimax. Die OrganisatorInnen der Demo hatten dabei keine langfristige Aktion im Kopf. Entscheidend war, dass das Angebot, einen besetzten Hörsaal zu nutzten, innerhalb von wenigen Stunden von Tausenden, die aktiv werden wollten, angenommen wurde. Vor allem über SMS aus dem besetzten Hörsaal wurden Leute mobilisiert. Das Rektorat beging dann einen wichtigen taktischen Fehler: Am späten Nachtmittag wurde die Polizei geholt und versuchte mit einer Abriegelung des Audimax (alle durften raus, niemand durfte zurück) die Besetzung zu beenden. Die Fernsehbilder von der abziehenden Polizei stärkten die Bewegung, und holten noch mehr Menschen ins Audimax. Dieses war inzwischen heillos überfüllt. Um Arbeitsräume zu haben, wurden weitere Räume besetzt. Die Erfahrung aus den ersten Stunden brachte viele Menschen dazu, blitzschnell eine Infrastruktur aufzubauen, um den besetzten Hörsaal zu halten. Arbeitsgruppen, eine Informationszentrale, eigene Medien, eine Volks-Küche zur Versorgung uvm. wurden aufgebaut. Die große Medienpräsenz verstärkte den Trend. Und die Bewegung weitete sich aus. Österreichweit wurden weitere Hörsäle besetzt. Viele Initiativen, KünstlerInnen, linke Gewerkschaftsgruppen, später auch der ÖGB, uvm. solidarisierten sich. Der Höhepunkt der Bewegung war also mit der Besetzung des Audimax noch nicht erreicht, sondern wuchs weiter, was vielen wieder Mut machte.
Die SLP beteiligte sich seit der Audimax-Besetzung aktiv an der Unibewegung. Etwa durch die Beteiligung an Aktivitäten in Linz, Salzburg und Graz. Aber vor allem durch die Organisation von praktischer Solidarität. SLPlerInnen holten viele BündnispartnerInnen aus vergangenen Kampagnen auf die Uni, organisierten eine Solidaritätsbotschaft unseres irischen Genossen im EU-Parlament, Joe Higgins, und versuchten die Bewegung in die Schulen zu tragen. Am wichtigsten war uns die Vernetzung mit kämpfenden GewerkschaftskollegInnen. So brachten gleich am zweiten Tag der Besetzung SLP-AktivistInnen die Solidaritätsadresse des Audimax zu den kämpfenden DruckerInnen in Vorarlberg und die Solidaritätsadresse der DruckerInnen zurück ins Audimax. Dieses erste positive Feedback von kämpfenden ArbeitnehmerInnen bereitete (neben der Solidarität der KindergärtnerInnen u.a.) die Stimmung für spätere Solidaritätsaktionen auf.   

Warum entstand und wuchs der Protest schnell?

Auslöser waren zum einen die Unzufriedenheit über die untragbaren Studien- und Arbeitsbedingungen an den Universitäten. Viele Studierende lehnen ein reines „Wirtschaftsinteressenstudium“ ab. Der Bolognaprozess und die damit einhergehende Verschulung der Uni ist vielen Lehrenden und StudentInnen ein Graus. Der Prozess wurde aber durch die gesamte politische Situation beschleunigt. Dass für die Banken sofort Milliarden an Zuschüssen und Haftungen bereit gestellt wurden, sahen viele StudentInnen als Beweis dafür, dass auch „Geld für die Uni da sein müsste“. Außerdem wurde die weitgehende Abschaffung der Studiengebühren im Jahr 2006 von manchen älteren StudentInnen als später Erfolg der Bewegung von 2001gesehen. Dazu kommt auch die durch die Wirtschaftskrise verstärkte Polarisierung nach Rechts und Links in der österreichischen Gesellschaft. Zahlreiche Umfragen (wie zuletzt im Standard vom 7.1.10) belegen den Wunsch nach einer neuen politischen Kraft links von SPÖ und Grünen. Leider gibt es aber (noch) ein organisatorisches und politisches Vakuum auf der Linken, während es auf der extremen Rechten FPÖ, FPK und Co gibt. „Ich sehe mich schon seit Jahren als links, hab aber nie gewusst wo ich mich engagieren soll“,  meinte etwa ein TU–Student im Gespräch mit einem Gewerkschaftsfunktionär. Die Aussage ist wahrscheinlich stellvertretend für viele StudentInnen und bringt ein wichtiges Faktum auf den Punkt: Offensichtlich gab und gibt es eine große Gruppe von StudentInnen bzw. Jugendlichen, die sich weder von bestehenden linken ÖH-Strukturen, etablierten linken Parteien, noch von den bestehenden linken Gruppen angezogen fühlt. Wer die (in Wien) gemeinsam beschlossenen Forderungen der Protestbewegung unterstützt, stellt sich inhaltlich eindeutig links von SPÖ und Grünen. Es gab einen sehr allgemeinen, antikapitalistischen Konsens. So lautete - nach einer längeren Diskussion unter hunderten Menschen im Plenum - der Slogan der ersten Demo: „Mehr Geld für Bildung statt für Banken und Konzerne“.

Die StudentInnen waren nicht alleine...

Ein wichtiger Unterschied zu vergangenen Bewegungen auf der Uni war die große Solidarität anderer Teile der Bevölkerung. Unterstützt wurden dabei weniger die studentischen Anliegen, sondern viel mehr die Tatsache, dass es eine starke Opposition gegen die Regierung auf der Straße gibt.Viele waren froh, dass der unbeliebten Regierung endlich jemand paroli bietet. „Es läuft so vieles falsch bei uns, und die StudentInnen machen wenigstens etwas dagegen“, war der Grundtenor vieler PassantInnen. Auch die Großdemonstration der KindergärtnerInnen im Oktober in Wien, hatte großen Anklang gefunden. Im Oktober und November standen außerdem die MetallerInnen, Handelsangestellte und öffentlich Bediensteten in schwierigen Lohnverhandlungen. Die Solidarisierung einzelner Gewerkschaftsstrukturen (insbesondere der GPA-DJP Jugend und später der ÖGJ) verbunden mit dem Druck aus manchen Betrieben und der allgemeinen positiven Stimmung in Teilen der Bevölkerung brachten schließlich einen Solidaritätsbeschluss des ÖGB-Bundesvorstandes.
Ein wichtiger Teil der SLP-Arbeit war, diese verbale Solidarität mit politischem Leben zu füllen. So besuchten protestierende StudentInnen immer wieder die Kundgebungen der MetallerInnen. Gleichzeitig kamen BetriebsrätInnen und GewerkschaftsfunktionärInnen (oft mit studierenden Kindern) ins Audimax und zu den Demonstrationen der StudentInnen. Nach einer MetallerInnenaktion vor der Wirtschaftskammer entstand die Idee einer gemeinsamen Demonstration von MetallerInnen und StudentInnen. Die Demonstration (von der SLP mitinitiiert und zentral mitorganisiert) war zwar klein, stellte aber eine neue Qualität dar. „Komisch ist für mich nicht, dass wir mit den StundentInnen zusammengehen. Komisch ist, dass wir es nicht schon viel früher getan haben“, brachte es ein Metallerbetriebsrat auf die Frage einer Journalistin auf den Punkt. Während in den 1970er Jahren die Metallergewerkschaft oft gegen linke Protestaktionen eingesetzt wurde (etwa bei den Aktionen gegen die Panzertransporte an die Diktatur in Chile) gab es jetzt gemeinsame Aktionen. „Arbeiter und Studenten - der Traum der 68er wird wahr“ meinten manche bürgerliche KommentatorInnen. Oder: „Früher hätten sie uns mit Eisenstangen verjagt“ meinte ein Sozialarbeiter, der beim Unistreik 1987 aktiv war. Betriebsräte aus Fabriken überwanden ihre Skepsis gegen StudentInnen und StudentInnen ihren Standesdünkel gegen ArbeiterInnen. Ein wichtiges Ergebnis für kommende Kämpfe.
Neben der Zusammenarbeit mit den MetallerInnen gab es gemeinsame Aktionen mit DruckerInnen, dem Sozialbereich und „Obdachlosen“. In den ersten Tagen gründete sich eine Arbeitsgruppe von „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“, die viele „behinderten-spezifische“ Forderungen formulierte, aber auch für viel praktische Solidarität sorgte. So wurden StudentInnen aus der Gehörlosenbewegung in die Uniproteste integriert und viele Aktionen in Gebärdensprache übersetzt. SLP-Aktivist Charly Mittersteger (siehe Artikel auf Seite 3) war als Betroffener eine treibende Kraft in diesem Teil der Bewegung. Es gab zahlreiche Solidaritätsaktionen für AsylwerberInnen und MigrantInnen. Und die aktive Mitarbeit vieler LehrerInnen und SchülerInnen am Uniprotest.

Solidarität war stärker als Spaltung

Die Reaktion vieler PolitikerInnen und bürgerlicher Medien war typisch: Mit Spaltung wurde versucht, die Proteste zu schwächen. Vor allem das Bild der „deutschen Numerus-Clausus-Flüchtlinge“ wurde immer wieder bedient. Diese seien Schuld an der Überfüllung, aber auch gleich an den Protesten. “Gänzlich zur Farce wird die Sache, weil jeder Zweite, der sich zu Wort meldet, offensichtlich ein Bundesdeutscher ist...”, meinte Profilherausgeber Christian Rainer in seinem Kommentar “Tupperwarparty inAudimax”. Andere Medien waren da geschickter . Die Gratiszeitung „HEUTE“ lobte den StudentInnenprotest überschwänglich, hetzte aber gegen die EisenbahnerInnen oder die PensionistInnen. Toll war, dass diese Spaltungsversuche an den Proteste abprallten. Deutsche StudentInnen waren ein wichtiger Bestandteil der Protestbewegung, aber nicht nur sie. Auch viele MigrantInnen aus der Türkei, Kurdistan, dem Balkan und verschiedener arabischer und asiatischer Länder waren ein zentraler Teil des Protestes. Ein Phänomen, das es früher kaum in Bewegungen gab. StudentInnen aus dem Iran, verschieden arabischen Ländern, Deutschland und Österreich (unter ihnen einige SLP-Mitglieder) bauten eine eigene Arbeitsgruppe für die Iran-Solidarität auf. Regelmäßig gab es Infotische zur Situation im Iran und eine Demonstration zur iranischen Botschaft wurde veranstaltet. Verstärkt wurde die Solidarität mit den kämpfenden Menschen im Iran durch einen lückenlosen Boykott aller iranischen Staatsmedien. Immer wieder sah man (vor allem bei großen Demonstrationen) Bilder, wie VertreterInnen des iranischen Staatsfernsehens eine StudentIn nach der anderen um ein Interview bat, aber diese immer wieder mit „Hoch die internationale Solidarität“-Rufen aus den Demos vertrieben wurden.     
Die Besetzungsbewegung weitete sich schnell über Europa, aber auch weltweit, aus. Ab Mitte November brachten die Medien immer wieder digitale Erdkarten mit „Unibrennt“-Symbolen  über viele Städte verteilt. In Deutschland, der Schweiz, Italien, USA und vielen anderen Ländern wurden Hörsäle auf Unis besetzt. Es gab Liveschaltungen via Skype und Solidaritätsbesuche. Bei Räumungen kam es zu spontanen Solidaritätsdemonstrationen uvm. Für den Protest gegen die Feierlichkeiten zu „10-Jahre Bologna“ wird international mobilisiert und im Sommer folgen weitere Aktionen. Die Bewegung war international und internationalistisch.

Uniprotest stellt eine neue Qualität dar

Der Uniprotest stellte eine neue Qualität gegenüber den Protesten 2000, 2001 und 2003 dar: Es wurden tausende junge Menschen frisch politisiert. Es gab die Erfahrung der praktischen Solidarität. Linke Forderungen wurden entwickelt. In den Veranstaltungen und über die Direktübertragungen im Internet debattierten hunderte, nicht nur über linke Konzepte von Attac und anderen, sondern auch über die Frage: „Wie“ die verschiedenen Forderungen umzusetzen wären. Viele Strukturen (hunderte Arbeitsgruppen zu unterschiedlichsten Themen) bildeten sich. Dadurch, sowie durch die Vielzahl an Beteiligten und den Schulterschluss mit anderen Gruppen, wurde ein kleiner aber wichtiger Schritt im Neuformierungsprozess der Linken getan.

Warum hat es die Bewegung bis jetzt nicht geschafft, ihre Forderungen umzusetzen?

Zum einen gelang es nicht, die zögerliche Haltung des ÖGB bzw. kleinerer Gewerkschaften (wie zum Beispiel der GÖD) zu überwinden. Solidarität und wirtschaftlicher Druck, durch Betriebsversammlungen und Streiks, wären wichtig gewesen. Denn Hörsaalbesetzungen und Unibewegungen alleine üben nur einen sehr geringen ökonomischen und politischen Druck auf die politisch Verantwortlichen aus.
Zum anderen gelang es auch nicht, die Bewegung von einer Besetzung in einen Streik oder zumindest teilweisen Streik umzuwandeln, und so Druck ausüben. Dadurch gelang es der Regierung die Proteste auszusitzen.

Reichen gute Internetarbeit und Aktivismus?

Die Einstellung und Stimmung unter den allermeisten StudentInnen war eindeutig links, oft aber nicht sehr gefestigt. Viele taten sich schwer, sich als links zu deklarieren. „Vertreiben wir da nicht viele Leute? Was sagen die Medien?“ waren die typischen Fragen die - wie in vielen anderen Bewegungen davor - diskutiert wurden.
Während die SLP-AktivistInnen und andere immer wieder versuchten zu erklären, warum sich die Bewegung auch demokratisch legitimierte Organisations- und Vertretungsstrukturen schaffen müsse, herrschte bei vielen StudentInnen der Glaube, man sei eine „völlig neue Bewegung“ und müsse auf „herkömmliche Politstrukturen verzichten“. Das spiegelt wieder, dass die Erfahrung mit Kämpfen und v.a. mit kämpferischen Strukturen sehr gering ist. Und dass das Bewußtsein vieler darüber, wie Veränderungen erreicht werden können und welche Kampf- und Organisationsformen nötig sind, im Vergleich zu den kämpferischen 1970er und 80er Jahren zurückgeworfen ist.
Das wurde durch sogenannten linksliberalen Medien und – eiligst auf die Uni geholten – liberale Promikommentatoren noch verstärkt. Der bürgerliche Druck, dem viele StudentInnen ausgesetzt sind, bekam so in der Bewegung ein höheres Gewicht. Der eher moderatere, liberale Teil bekam mehr Einfluss gegenüber dem eher links stehenden Teil der Bewegung, der mehr auf Aktionen und Ausweitung der Bewegung setzte.    
Das Lob von Standard, Falter und Co, manchem bildungsbürgerlichen Familienumfeld und Freundeskreis, sowie den wohlmeinenden Teilen der Unispitze stärkte diesen „konstruktiven“ Flügel der Bewegung. Das „Anstoßen einer breiten Bildungsdebatte“ wurde oft als wichtiger gesehen, als das „Anstoßen einer großen linken Protestbewegung“. Die Illusion, dass es bei dieser Bewegung vor allem auf gute „Argumente“ in „konstruktiven Gesprächen“ mit Rektorat und Ministerium, statt auf politischen Druck ankommt, wurden dadurch massiv gestärkt. Wer aber glaubt weniger politischen Druck zu brauchen sieht auch weniger Sinn in Organisationen und Strukturen die diesen Druck verstärken können. Dazu kam noch die Stimmungsmache gegen Parteien und Organisationen, die angesichts der Abgehobenenheit und fehlenden Demokratie der etablierten Parteien auf fruchtbaren Boden fiel. Von manchen wurde indirekt unterstellt, Gruppen wie die SLP würden nur Strukturen für die Bewegung vorschlagen, um diese dann instrumentalisieren zu können. U.a. aufgrund der Rolle der ÖH bzw. etablierter Fraktionen aus der Vergangenheit, war diese Angst vor Machtmissbrauch sehr verständlich. Diese Angst  hätte aber durch Instrumente wie Plenumsdebatten und -beschlüsse, Abwählbarkeit und Rechenschaft verhindert werden können.

Ohne demokratische Strukturen ist eine Bewegung zum Scheitern verurteilt.

Auch ein gemeinsamer bundesweiter Forderungskatalog hätte der Bewegung Stärke gegeben. Eine bundesweite Studierenden- und Lehrendenkonferenz, die unter Beteiligung Tausender AktivistInnen Forderungen, Strategien und Aktionen debattiert und beschließt, hätte die Bewegung enorm weiter gebracht und den Druck auf die Regierung erhöht.
Hätte diese Konferenz auch ein (jederzeit abwählbares) Vernetzungsteam gewählt, das mit Vernetzungsteams auf den einzelnen Unis eng zusammengearbeitet hätte, wäre die Bewegung schlagkräftiger UND demokratischer geworden.        
Die fehlende Koordination erschwerte es der Bewegung, gemeinsame politische Prioritäten zu setzten. So wurden unter dem Schlagwort der „Vielfalt“ und der „Buntheit“ viele unterschiedliche Aktionen gestartet. Am Beginn spontaner Bewegungen sind noch genug Menschen bereit bei solchen Aktionen mitzumachen. Später raubt dieses Vorgehen viele Kräfte. Viele wichtige Entscheidungen wurden nicht oder sehr spät getroffen. Oft aus Angst die jeweiligen GegnerInnen einer Entscheidung zu verlieren. Andere Entscheidungen wurden einfach von Einzelpersonen gefällt, ohne demokratisch legitimiert zu sein. Aber eine Bewegung, die nicht in der Lage ist, nächste Schritte zu beschließen und eine Perspektive auf Ausweitung und Stärkung zu entwickeln, klammert sich krampfhaft an das Bestehende. Das waren im Fall dieser Bewegung die besetzten Hörsäle und die Plena, zu denen und deren Struktur, es unzählige mühsame Debatten gab.
Weite Teile der Bewegung lebten stark in der Illusion, dass der Schwung ewig halten würde und verschoben so wichtige Entscheidungen immer weiter in die Zukunft. Das Fehlen von gewählten Vertretungen (etwa eines SprecherInnenrates), arbeitsteiliger Strukturen und einer zentralen Koordination führte auch dazu, dass der Schwung und die Kraft der Bewegung nicht genutzt werden konnten. Die Kombination aus fehlenden Strukturen und einem Klammern an Bestehendes, brachte eine starke Orientierung nach innen - vor allem auf die besetzten Hörsäle. Für die zweite Großdemonstration am 5.11. gab es noch viele Mobilisierungsaktionen auf Straßen, in Vorlesungen, usw. Da die Plena viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren und immer öfter ergebnislos blieben, bröckelten jene StudentInnen die sich an Mobilisierungen beteiligen wollten – aber keine Zeit für endlose Debatten hatten - ab.      
Mangelnde Vernetzungs- und Koordinationssstrukturen bedeuteten auch schlecht vorbereitete Plena mit falschen politischen Prioritäten auf der Tagesordnung, was das Abbröckeln vieler AktivistInnen beschleunigte.   
Vielen aktiven StudentInnen fehlten auch positive Erfahrungen von Kämpfen, Bewegungen und Aktionen, in denen MarxistInnen eine Rolle spielten. Dazu die Propaganda aus dem bürgerlichen und linksliberalen Mainstream wonach Marxismus altmodisch, überholt und marxistische Organisationsformen gefährlich für eine Bewegung sind. Diese mangelnde Verankerung marxistischer Ideen erschwerte die Ausweitung der Proteste.
Eine wichtige Konsequenz aus den bisherigen Uniprotesten muss daher der Aufbau einer starken marxistischen Linken und einer starken SLP in sozialen Bewegungen und an den Unis sein.

Was wird bleiben und welche Perspektive gibt es für 2010?

Im Laufe der Bewegung wurden tausende Menschen politisiert und haben Erfahrungen gesammelt. Von den beschlossenen Zielen wurde aber nur ein kleiner Teil erreicht. 34 Millionen machte Ex-Bildungsminister Hahn zusätzlich locker. Kämpfen lohnt sich also - aber das ist immer noch viel zu wenig. Ein harter Kern der Bewegung ist nach wie vor aktiv. Ob noch einmal ein lautstarker Protest gelingt hängt von vielen Faktoren ab.  Besetzungen üben nur einen sehr geringen politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Herrschenden aus. Gemeinsamer Druck mit KollegInnen aus Dienststellen und Betrieben ist entscheidend. Die verbale Unterstützung des ÖGB muss so gut es geht in die Praxis umgesetzt werden. Die ÖGB-Spitze muss in die Pflicht genommen werden.

  • Gemeinsam statt einsam. Notwendige Entscheidungen müssen in Zukunft solidarisch und gemeinsam getroffen werden. Kleine Einzelaktionen waren zu Beginn der Bewegung sinnvoll und möglich. Der verbleibende Kern der Bewegung sollte sich auf ein paar Punkte konzentrieren und in der Öffentlichkeit möglichst präsent sein. Sinnvoll wäre z.B. ein wöchentlicher Fixpunkt für Kundgebungen und Demonstrationen  
  • Regelmäßige Plena (Versammlungen), die gut vorbereitet sind und die zentralen Eckpunkte debattieren und entscheiden. Dazu sollte es regelmäßig ein „Plenum sozialer Bewegungen“ geben.
  • Mehr praktische Solidarität. Die praktische solidarische Zusammenarbeit mit anderen Gruppen ist besonders wichtig. Ob der Kampf um Gehaltserhöhung im Sozialbereich, oder das Recht auf Asyl.
  • Der Regierungsgipfel zu 10 Jahre Bologna in Wien und Budapest bietet einer große Chance ein weiterer Höhepunkt der Protestbewegung zu werden. Streiks an verschieden Instituten eine Blockade der Feiern könnten dem Protest neuen Auftrieb geben. Dazu ist eine Vorbereitung notwendig die möglichst viele Betroffene in den Protest einbezieht.
  • Nach wie vor gibt es soziale Bewegungen und Kämpfe in anderen Bereichen. Gemeinsame Demonstrationen und andere Aktionen würden zu gegenseitiger Stärkung führen. Ein regelmäßiges „Plenum sozialer Bewegungen“ könnte das politische und organisatorische Herz einer neuen Bewegung werden.
  • Viele Menschen sind nach wie vor österreichweit in Arbeitsgruppen aktiv. Es gibt eine gemeinsame Homepage und Vieles mehr. Schritt für Schritt sollten die Reste der Bewegung gestärkt werden und eine echte, kämpferische Interessenvertretung für Studierende und Lehrende entstehen.
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