Timothy McVeigh: Verdiente Strafe?

Recht auf Rache?
Harald Mahrer

Zynisch gesehen konnte den BefürworterInnen der Todesstrafe nichts besseres passieren, als das Bombenattentat eines weißen Rassisten, bei dem 168 Menschen in Oklahoma/USA ums Leben kamen. “Wer, wenn nicht Timothy McVeigh, hätte die Todesstrafe verdient?”, entgegnen sie den GegnerInnen des staatlichen Sühnemordes.

Die geplante Hinrichtung von Timothy McVeigh ist aber keinesfalls ein Paradefall für die Anwendung der Todesstrafe in den USA. Timothy McVeigh ist ein untypischer Todeskandidat: Er ist weiß, er ist ein Rassist, er nahm in seinem “gerechten Krieg” den Tod von 19 Kindern als “Kollateralschaden” (Originalton McVeigh) genauso in Kauf, wie seinen eigenen Tod.

Medienwirbel übertönt die Hintergründe

Rund um die Exekution bricht ein medialer Geifersturm über die Öffentlichkeit herein, in dem Herr McVeigh zum größten Monster aller Zeiten hochstilisiert wird. Seit dem Briefbombenfall ist auch in Österreich bekannt, wie praktisch für die Verantwortlichen des Landes die Ausrede auf einen “irren Einzeltäter” ist. Das Umfeld, in dem McVeigh zum Massenmörder wurde, wird unter einen Teppich aus Medienhysterie und Trivialpsychiatrie gekehrt. Seine Militärzeit, die ihn in den Krieg gegen den Irak führte, beschrieb er als prägende Periode. Doch was nicht sein darf, ist nicht. Das US-Militär erzieht doch niemanden zum Massenmörder! Der alltägliche Rassismus in den USA, gerade in den Südstaaten wie Oklahoma, hat offenbar nichts damit zu tun, dass ein junger Mann mit einer Bombe 168 Menschen in den Tod reißt, weil er befindet, die Regierung täte zu wenig für “die Weißen”.

Sag mir wer du bist, und ich sag dir, ob du stirbst

Der/die typische TodeskandidatIn in den USA ist nicht weiß und nicht wohlhabend. 42% der etwa 3700 Gefangenen in amerikanischen Todestrakten sind schwarz, obwohl nur 12% der US-Bevölkerung schwarze Hautfarbe haben. Die Wahrscheinlichkeit, für einen Mord an einer/m Weißen die Todesstrafe zu bekommen, ist zehnmal höher als für einen Mord an einer/m Schwarzen. Schwarze, die eineN WeißeN ermorden, werden 6mal häufiger zum Tode verurteilt, als Weiße, die eineN Schwarzen ermordeten. 90% der zu Tode Verurteilten in den USA konnten sich keineN WahlverteidigerIn leisten. Die PflichtverteidigerInnen sind oft unerfahren und unterbezahlt und deshalb auch nicht sonderlich motiviert.
Ein nicht geringer Anteil von zu Tode verurteilten StraftäterInnen, sind Menschen, denen selbst massiv Gewalt angetan wurde – als missbrauchte Kinder, geschlagene Frauen, oder einfach im Rahmen einer gewalttäigen Gesellschaft. Nicht wenigen von ihnen hätte mit einer gezielten psychiatrischen Behandlung soweit geholfen werden können, dass es möglicherweise gar nicht zu den (dann offiziell “unverständlichen Wahnsinns-taten”) gekommen wäre.
Doch in den USA wird mehr Geld für Hochsicherheitsgefängnisse als für Schulen aufgebracht. Es werden Minderjährige ebenso zu Tode verurteilt, wie geistig abnorme RechtsbrecherInnen. Die Todesstrafe soll die Illussion aufrecht erhalten, der Staat hätte eh alles im Griff.
Mit der Todesstrafe sollen Menschen abgeschreckt werden, Menschen zu töten. Die Mordrate liegt aber in US-Bundesstaaten, die die Todesstrafe abgeschafft haben, niedriger als in Staaten mit häufigen Hinrichtungen.

Todesstrafe abschaffen

Die Todesstrafe ist rassistisch und willkürlich, weil überhaupt nur 1% der Morde in den USA mit der Todesstrafe geahndet werden und Schwarze überproportional oft hingerichtet werden. Die Todesstrafe ist grausam und tritt die Menschenwürde mit Füßen. Sie geht davon aus, dass MörderInnen nicht besserungsfähig sind, obwohl die Rückfallsrate bei Tötungsdelikten nach der Haftentlassung bei geringen 1-3% liegt, weil die meisten Morde in psychischen Ausnahmesituation begangen werden und sich solche Ausnahmesituationen nicht oft wiederholen.
Oklahoma hat, gemessen an der Einwohnerzahl, mehr Todesurteile als China. Oklahoma hat die dritthöchste Rate an Fehlurteilen, die aufgedeckt werden konnten. Gerade in diesem Umfeld tritt der größte Massenmörder in Amerikas jüngerer Geschichte auf den Plan. Statt sich an der Hinrichtung eines Mannes zu erregen, sollten vielleicht der Rassismus und die Armut, die Hoffnungslosigkeit und die Gewalt, die im Land der unbegrenzten Waffenlager herrscht, unter die Lupe genommen werden. Ein Schelm, wer denkt, hier bestünde ein Zusammenhang. Nein, nur ein Einzeltäter, das Problem wäre gelöst....

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