SPÖ-Linke: Aus der Geschichte lernen

Es gab viele Versuche, die SPÖ wieder nach links zu drücken – doch sie sind alle gescheitert.
Sonja Grusch

Die SPÖ hat in den letzten Jahrzehnten mehr als die Hälfte der Mitglieder verloren. Geblieben sind v.a. Alte, FunktionärInnen und – Linke. Letztere setzen sich für einen Kurswechsel ein, organisieren Debatten, stellen Anträge, versuchen zu überzeugen. Erfolglos.

Die sichtbarste Linke hatte die SPÖ unmittelbar nach 1945, als diese – zumindest formal – durch den Zusammenschluss von „Revolutionären Sozialisten“ und „Sozialdemokratischer Partei“ die Hälfte der Führungspositionen hatte. Doch vor dem Hintergrund des kalten Krieges und der Orientierung der SPÖ auf ein kapitalistisches Österreich wurde die Linke zuerst mit Ausschussarbeit zugeschüttet und so von der Basis isoliert und dann mit plumpem Antikommunismus und undemokratisch-bürokratischen Manövern ausgeschlossen und zerschlagen.

Die verbliebene Linke setzte, u.a. rund um das „linke Gewissen“ Josef Hindels, auf Ducken und Durchtauchen, beteiligte sich zeitweise sogar an den antikommunistischen Hetzjagden. Die Einheit der Partei war Dogma. Damals wie heute ist für viele Linke in der SPÖ jede Trennung von der SPÖ Hochverrat. Die Einheit der ArbeiterInnenklasse ist wichtig, doch „Klarheit vor Einheit“ hat schon Karl Liebknecht treffend formuliert. Tatsächlich ist es sogar eher ein historischer Sonderfall als Normalität, dass die ArbeiterInnenklasse im Wesentlichen nur eine Partei hat und nicht mehrere.

Mit der vollständigen Verbürgerlichung der SPÖ in den 1980er und 90er Jahren wurde die These von der einen ArbeiterInnenpartei immer absurder. Nun war nicht mehr nur die Führung bürgerlich, sondern wurde die SPÖ v.a. von jungen und kämpferischen Schichten der ArbeiterInnenklasse schon längst nicht mehr als ihre Partei gesehen.

Jene Linken in der SPÖ, die noch immer versuchen, in „ihrer“ Partei das Ruder herum zu reißen konzentrieren, wie bei früheren erfolglosen Versuchen, ihre Kräfte in den Jugendorganisationen (zu unterschiedlichen Zeiten mal in der SJ, mal im VSSTÖ, mal im VSM). Sie versuchen, v.a. über die Organisierung eines intellektuellen Think-Tank zu agieren. Theoretische Arbeit ist wichtig, doch sie muss in Zusammenhang mit praktischer Arbeit stehen, sonst verkommt sie zum Selbstzweck und führt nicht zum Aufbau eines linken Flügels. Das mussten die verschiedenen Projekte der letzten Jahrzehnte, wie die Otto-Bauer-Seminare Ende der 1970er Jahre, die Gruppen rund um die Zeitschriften tribüne und mitbestimmung, die „Initiative für sozialistische Politik“ und andere wohl auch feststellen. Führende Linke waren u.a. Gusenbauer, Cap und Häupl, die auf gutbezahlten Mandaten nach rechts wanderten, anstatt durch das Prinzip „Durchschnittslohn für FunktionärInnen“ die Bodenhaftung zu behalten.

Und obwohl es eine theoretische Orientierung auf die ArbeiterInnenklasse gab, fehlte praktische betriebliche und gewerkschaftliche Arbeit weitgehend. Ob sich die SP-Linke auf theoretische Arbeit konzentrierte, weil sie keine gewerkschaftliche machte, oder ob sie keinen Fuß in die Gewerkschaften bekam, weil sie zu abstrakt theoretisierte – es blieben getrennte Welten. So ist auch aktuell „die Linke“ in den Auseinandersetzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich, gegen Arbeitszeitverlängerung etc. kaum existent. Damit bleibt die Wut in der ArbeiterInnenklasse aber unorganisiert und kann ein Rekrutierungsfeld für die Rechten werden.

Als eine der ganz wenigen sozialdemokratischen Parteien in Europa gab es in Österreich kaum eine organisierte linke Opposition in der SPÖ. Die undemokratische Praxis der SPÖ, die „Eisenstädter Erklärung“ (keine Zusammenarbeit mit KommunistInnen) und das Fraktionsverbot haben eine konkrete Organisierung erschwert. Doch war sie auch zu keiner Zeit erklärtes Ziel, nie wurde auch nur der Versuch unternommen, den Anspruch auf die Führung der Partei zu stellen. Man beschränkte sich auf die Rolle als linkes Gewissen.

All jene, die heute in dieser Partei versuchen, eine Kursänderung zu erwirken, müssen sich aber bewusst sein: 1) die Rahmenbedingungen haben sich grundlegend verändert. Die SPÖ ist heute eine qualitativ andere Partei und der wirtschaftliche Rahmen lässt keinen Spielraum für reformistische Experimente. Und 2) muss jeder ernsthafte linke Ansatz in der SPÖ die bisherigen Versuche untersuchen, bilanzieren und daraus die Konsequenzen ziehen.

Das Ziel von SozialistInnen muss sein, dass die ArbeiterInnenklasse eine Kampfpartei hat. Wer das versucht, muss es ernsthaft, entschlossen und mit aller Konsequenz machen. Durch die Kombination von Theorie und Praxis, durch den Kampf für kämpferische und demokratische Gewerkschaften, durch eine offensive Organisierung der Linken in- und außerhalb der SPÖ. Und wenn – was sehr wahrscheinlich ist – so nicht die SPÖ zurückgewonnen werden kann, so wird doch so auch ein wichtiger Baustein für den Aufbau einer solchen, neuen, Kampfpartei der ArbeiterInnenklasse gelegt werden.


Hier war eigentlich ein pro & contra mit Daniela Holzinger von der SPÖ zur Linken in- und außerhalb der SPÖ sowie dem mosaik-Projekt geplant, das leider nicht zustande gekommen ist.

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