Mi 04.05.2011
Die USA haben in einer militärischen Kommandoaktion im pakistanischen Abbottabad den Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden getötet. Laut dem Sender CNN wurde Bin Laden gezielt getötet, also hingerichtet. Eine Festnahme sei von Seiten der USA nie geplant gewesen. Sein Leichnam wurde schon nach wenigen Stunden auf See bestattet, was nicht muslimischen Bestattungsregeln entspricht und zweifellos von vielen Muslimen als ein weiterer Affront des US-Imperialismus gewertet werden wird.
Interessanterweise liegt der Komplex, wo Bin Laden getötet wurde, in der Nähe der Pakistanischen Militärakademie in einer sehr reichen Gegend, die vor allem von pensionierten Militäroffizieren bewohnt wird. Das deutet darauf hin, dass Teile des pakistanischen Staatsapparates um den Geheimdienst ISI herum insgeheim mit Al-Kaida, Bin Laden und den Taliban zusammen wirkten.
Die Operation markiert eine weitere Entwicklung in der US-Außenpolitik gezielter Tötungen von Gegnern. Sie steht in einer Reihe mit kürzlichen Versuchen Gaddaffi in Libyen zu töten. Die USA scheinen zu glauben, durch die Beseitigung eines Mannes könne das Problem gelöst werden.
Auch wenn Bin Laden die Regime von Mubarak in Ägypten und Ben Ali in Tunesien ablehnte, wurde dort bewiesen, dass Massenbewegungen und nicht terroristische Methoden, eine Ausweg aufzeigen. Die Verwendung terroristischer Methoden sind eher eine Folge von Niederlagen, als dass sie einen Weg zum erfolgreichen Kampf gegen brutale Regimes oder gegen den Imperialismus aufzeigen würden.
MarxistInnen und SozialistInnen geben nicht die geringste Unterstützung für Bin Laden oder Al-kaida, weder ideologisch oder im Hinblick auf ihre brutalen terroristischen Methoden. Aber es muss darauf hingewiesen werden, dass der US-Imperialismus gegen ein von ihm selbst geschaffenes Frankenstein-Monster kämpft. Schließlich wurden Bin Laden und ähnliche Kräfte in den 1980er Jahren in Afghanistan durch die USA unterstützt. Später erhielten sie dann Auftrieb, weil der Imperialismus scheußliche und korrupte Regimes in einigen muslimischen Ländern unterstützte.
Bin Laden hat terroristische Methoden angewendet, die sich sogar gegen Menschenmassen richteten und zu Massakern und riesigem Leid für einfache arbeitende Menschen führten. Doch der US-Imperialismus wendet ebensolche Methoden an und betreibt eine Politik des Staatsterrors, die wie ein Spiegelbild von dem erscheint, was sie bei Bin Laden verurteilen. Zum Beispiel hat der Einsatz todbringender Drohnen in Afghanistan und anderen Ländern zu Abschlachten unschuldiger ZivilistInnen geführt. Diese Ereignisse repräsentieren einen endlosen Zyklus von Gewalt und Massakern, bei denen die einfachen arbeitenden Menschen und die Armen immer den Preis bezahlen müssen.
Der US-Imperialismus hat auch schon in der Vergangenheit eine Politik gezielter Tötungen angewendet. So wurde versucht, nach der Revolution Fidel Castro in Kuba zu töten. Heute wird diese Politik jedoch offensiver gerechtfertigt, weil der US-Imperialismus einen relativen Niedergang seiner Macht mitansehen muss, auch wenn die USA weiterhin die stärkste imperialistische Macht auf der Welt sind. Auch wenn solche Maßnahmen als erfolg dargestellt werden, sind sie in Wirklichkeit doch ein Zeichen der abnehmenden Macht des US-Imperialismus. Solche „schnellen Lösungen“ sind tatsächlich nicht dazu geeignet, die tieferliegende Krise der Gesellschaft zu lösen.
Obama und der US-Imperialismus haben diese Operation vor dem Hintergrund der revolutionären Bewegungen in der arabischen Welt durchgeführt, um ihren Einfluss in der Region auszudehnen und Macht zu demonstrieren. In den USA wird das sicher zu einer Stärkung von Obama führen und die Aufmerksamkeit von der wachsenden sozialen, ökonomischen und politischen Krise des Landes ablenken.
Die pakistanische Regierung behauptet, sie habe an der Aktion nicht militärisch teilgenommen, aber geheimdienstliche Erkenntnisse mit den USA ausgetauscht. Andererseits ist klar, dass Teile des Militärs und des Geheimdienstes ISI Bin Laden und die Taliban finanzieren und mit ihnen kooperierten.
Statt die Position des US-Imperialismus in Pakistan und der neokolonialen Welt zu stärken wird die Tötung Bin Ladens anti-amerikanische Gefühle in der muslimischen Welt stärken. Vor allem wird die Opposition gegen den Krieg in Afghanistan zunehmen, der ja mit dem Ziel der Ergreifung Bin Ladens gerechtfertigt wurde.
Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass die Al-Kaida-Kräfte in Pakistan durch die Tötung Bin Ladens Auftrieb erhalten werden. Ihre Unterstützung ist in den letzten Jahren stark zurück gegangen. Nach den Attentaten vom 11. September 2001 gab es in Pakistan nach Umfragen vierzig bis fünfzig Prozent Unterstützung für Bin Laden. Aufgrund der Angriffe von Al-Kaida und den Taliban in pakistanischen Städten und aufgrund der willkürlichen Tötung einfacher Menschen, ist diese Unterstützung massiv auf vier bis fünf Prozent gesunken. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Al-Kaida in manchen Ländern einen gewissen Auftrieb erhalten wird. Grundsätzlich wird die Tötung Bin Ladens einen wichtigen symbolischen Rückschlag für Al-Kaida bedeuten, der aber die militärische Handlungsfähigkeit nicht beeinträchtigen wird. Wahrscheinlich werden sie kurzzeitig geschockt sein, aber zu einem gewissen zeitpunkt einen Gegenschlag versuchen.
Innen- und außenpolitisch wird die Ermordung Bin Ladens durch die USA als Propagandawaffe genutzt werden, aber die tiefer liegenden sozialen Probleme, die erst zum Aufstieg von Kräften wie Al-Kaida und den Taliban geführt haben, werden sich dadurch nicht lösen. In Pakistan und Teilen der muslimischen Welt wird die Position des US-Imperialismus weiter untergraben werden. Al-Kaida und ähnliche Organisationen werden als „Frankensteins Monster“ bestehen bleiben, solange die imperialistische Dominanz und die Herrschaft von Großgrundbesitz und Kapitalismus weiter gehen. Der Horrer und die Blutbäder, die sowohl der Kapitalismus, als auch reaktionäre Kräfte wie Al-Kaida und die Taliban für die Masse der Bevölkerung zu verantworten haben, können nur beendet werden, wenn die Arbeiterklasse und die Armen für eine sozialistische Alternative kämpfen.