Krise: Lasst die Reichen zahlen!

Sonja Grusch

"Rezession" sagt kein Politiker gern. Kreativ sind Schüssel, Grasser & Co. bei der Umdeutung von Tatschen: "Stagnation auf hohem Niveau", "starke Verflachung", "rückläufiges Wachstum", konjunkturelle Eintrübung". Die deutsche Regierung ist noch besser: "Rezession beginnt im Kopf - und dort müssen wir sie auch bekämpfen" wird in Fernsehspots verkündet.

Jenseits der Schönfärberei zeigt die Realität ein ernstes Bild: das Wirtschaftswachstum für 2001 wird nicht mehr als 1% ausmachen - im dritten Quartal sank das Bruttoinlandsprodukt sogar. Konkurse nehmen zu, die Banken klagen über faule Kredite, die Nachfrage geht zurück, Leute werden gekündigt. Die Prognosen für 2002 bestehen aus "Wenn" und "Abers". Die österreichische Wirtschaft ist in hohem Masse von internationalen Entwicklungen abhängig. Hier gibt es Unsicherheiten: Ist der Tiefpunkt in den USA überschritten, oder steuert sie auf eine Rezession wie in den 20er Jahren zu? Wird die Wirtschaft in der EU wieder an Dynamik gewinnen? Wie sieht es in den Exportmärkten in Übersee, z.B. in Asien und Lateinamerika aus?  Anfang der 90er Jahre wurde die "Globalisierung"  als Mittel zur Krisenüberwindung gefeiert. Nun zeigt sich dass die internationale Verflechtung die Eindämmung von Krisen auf einzelne Bereiche der Weltwirtschaft weiter erschwert hat. Die OECD erwartet für das zweite Halbjahr 2001 erstmals seit 20 Jahren ein rückläufiges Wirtschaftswachstum in ihren Mitgliedsstaaten.

Missbrauch der Opfer

In den drei Monaten nach dem 11.September wurden allein in der Luftfahrtsbranche weltweit 120.000 Arbeitsplätze vernichtet. Aber die Terroranschläge waren weder Ursache noch Auslöser der jetzigen Situation, sondern haben eine bereits begonnene Entwicklung beschleunigt. Deutschland z.B. verzeichnet 2001 einen Pleitenrekord, es wurden 150.000 Jobs in der Bauwirtschaft abgebaut. In den USA haben seit 11.9. über 600.000 Menschen ihren Job verloren - in verschiedenen Branchen. Die krisengeschüttelten japanischen Banken streichen gerade 23.000 Jobs.
Anders gesagt: der 11.September mag als Erklärung für den angekündigten Stellenabbau bei z.B. American Airlines (20.000), United Airlines (20.000) und Boeing (30.000) herhalten, aber sicher nicht bei Nortel (50.000), Ericsson (22.000), Motorola (39.000) oder Lucent (60.000) - alles Telekommunikationsbetriebe.

Arbeitslosigkeit steigt

Fast 300.000 Menschen suchen in Österreich einen Job (inkl. rund 40.000 die in der Statistik nicht aufscheinen, weil sie in AMS-Maßnahmen sind und 10.000er Frauen und Jugendliche, die gar nicht als arbeitslos gelten, obwohl sie einen Job brauchen). Dass die Frauenarbeitslosigkeit (noch) weniger stark steigt als jene der Männer, ist nur scheinbar ein gutes Zeichen. Frauen arbeiten viel eher in unsicheren Teilzeitjobs mit weniger Absicherung und miesen Löhnen. Und die Arbeitsplatzstruktur verlagert sich immer stärker zu solchen Jobs.

Rettung in Sicht?

Die Lage der österreichischen Wirtschaft ist alles andere als rosig. Ein wesentlicher Träger der letzten Monate war die Exportwirtschaft - diese steht und fällt allerdings mit der internationalen Entwicklung. Politiker und Ökonomen hoffen daher, dass, wie in den USA, auch in Österreich die Wirtschaft durch privaten Konsum angekurbelt wird. Denkfehler 1: Die österreichische ist viel exportabhängiger als die US-Wirtschaft. Denkfehler 2: die Wachstumsrate des privaten Konsum verlangsamt sich bereits vor Beginn der Krise. Denkfehler 3: Die Realeinkommen stagnieren bzw. gehen zurück - was soll also ausgegeben werden?

Wir sollen ihre Krise zahlen

Als sich die Berichte über eine Rezession häuften, berief die Regierung Ende November einen "Konjunktur-Gipfel" ein. Dieser brachte nur vollmundige Erklärungen. Viel konkreter die Vertreter der Wirtschaft: wie schon in der Vergangenheit versuchen sie die Krise auf die ArbeitnehmerInnen abzuwälzen. So schlägt z.B. OeNB-Chef Liebscher vor, wegen der gegenwärtigen Konjunkturlage die Ladenöffnungszeiten weiter zu liberalisieren. Unser Problem liegt wohl eher darin, nicht genug Geld zu haben, um das zu kaufen, was wir wollen/brauchen und weniger dabei, dass wir keine offenen Geschäfte finden. Hinter dem Vorschlag steckt etwas anderes: Schutzbestimmungen von ArbeitnehmerInnen und Arbeitszeitregelungen loszuwerden (und so Lohnkosten zu senken). Ein ähnlicher Vorstoß vom Fachverbandsvorsteher der Maschinen- und Anlagenbauindustrie (ca. 60.000 Beschäftigte), Malina-Altzinger: die gesetzliche Höchstarbeitszeit solle von derzeit zehn auf zwölf Stunden pro Tag erhöht werden. Und die Bundeswirtschaftskammer fordert in ihrer Bilanz 2001 Lohnnebenkostensenkungen, sowie weitere Absenkung bei den ohnehin sinkenden Steuerleistungen der Wirtschaft.
Bei Sozialausgaben wird weiter gekürzt. Die Regierung hat ihren Treueschwur auf das Nulldefizit verlängert, dem AMS fehlen die Mittel für "aktive" Arbeitsmarktpolitik und für aufmüpfige ArbeitnehmerInnen bastelt die Regierung bereits an neuen, repressiven Gesetzen. Die "Terrorbekämpfung" wird benützt, um einen Abbau demokratischer Rechte durchzubringen, der letztlich zu Lasten von ArbeitnehmerInnen gehen wird. Schon 2001 hat Riess-Passer ein Streikverbot im öffentlichen Dienst gefordert.

Sprengkraft mal 3

Die beginnende Wirtschaftskrise birgt auf drei Ebenen politische Sprengkraft: Erstens die EU ist keineswegs so homogen wie sie sich gerne darstellt. In Deutschland und Frankreich wird heuer gewählt. Deswegen haben sich die ihre Regierungen zu keiner gemeinsamen EU-Konjunkturpolitik einigen können. Sie wollen mit Maßnahmen noch warten, um sie wahlkampfwirksam einsetzen zu können. Zweitens obwohl FPÖ und ÖVP Unternehmerparteien sind, steht die FPÖ aufgrund ihrer instabilen Wählerbasis stärker unter Druck, populäre Maßnahmen zu setzen. Deutlich wird das im Konflikt um die Steuerreform: Letztlich sind der FPÖ die Einkommen der "kleinen Leute" genauso egal wie der ÖVP. Aber die populistische FPÖ braucht wieder einmal etwas, dass sie als Politik für die "kleinen Leute" verkaufen kann. Und drittens der potentielle Widerstand der ArbeitnehmerInnen gegen bestehende und geplante Verschlechterungen. Die ÖGB-Urabstimmung hat gezeigt, dass der Unmut groß und die Bereitschaft zum "Klassenkampf" vorhanden ist.
Bewegen wird sich einiges in diesem Jahr - in welche Richtung ist noch nicht klar. Die SLP steht für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik, die klarmacht: Wir zahlen Eure Krise nicht. Jeder einzelne Versuch, die Krise auf uns abzuwälzen muss durch Versammlungen, Demonstrationen und Streiks von Jugendlichen und ArbeitnehmerInnen zurückgeschlagen werden. Die SLP wird Teil dieses Kampfes sein - werden Sie Teil der SLP!

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