Kein Vertrauen in die Regierung!

Sonja Grusch

Seit der Nationalratswahl am 3.10.99 hat sich das Klima verändert. Auch vorher haben Politiker vor Wahlen viel versprochen, das sie nachher nicht hielten. Aber die Dreistigkeit, mit der uminterpretiert wird und mit der Versprechen gebrochen werden, ist neu. Und gerade die FPÖ, die sich als Partei der "Anständigen und Ehrlichen" präsentiert, hat Leichen im Keller, die schon zu stinken beginnen.

Begonnen hat es mit Schüssel und seiner Erklärung, dass die ÖVP in die Opposition ginge, würde sie nicht zweitstärkste Partei. Nach der Wahl sah dann alles anders aus: es wurden Verhandlungen geführt und dann eine Regierung gebildet.

Blau-Schwarzer Sozialabbau

Die Regierung betreibt Sozialabbau im großen Stil. Das Bemerkenswerte ist, dass sie dabei behauptet, "sozial ausgewogen" zu agieren. Die Taten der Regierung stehen im Widerspruch zu ihren Worten:
Steht in der Regierungserklärung noch: "Die faktischen Benachteiligungen für Frauen müssen beseitigt werden." so ist das Gegenteil der Fall. Eigenständige Frauenpolitik gibt es nicht, Frauen werden zurück in die Familie gedrängt (Kürzungen bei Frauenprojekten und beim AMS - kombiniert mit der Kinder-Keule). Ohne Kinder künftig keine kostenlose Mitversicherung.
Studiengebühren hatte Unterrichtsministerin Gehrer noch vor einigen Monaten ausgeschlossen. Nun sind sie da.
Bezüglich Arbeitslosigkeit war die Regierung eigentlich immer ehrlich und hat klargemacht, "es baucht die Bereitschaft, weniger Sozialtransfers durchzuführen" (Schüssel). Vom AMS wird Geld abgezogen, für die Arbeitslosen offeriert die Regierung mit "Integra" Zwangsarbeitsdienst und die Kürzung des Arbeitslosengeldes. Darüberhinaus vernichten sie zumindest 11.000 Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst.

L..... und B.......

"Keine Erhöhung der Steuerquote" (aus der Regierungserklärung) war die Ankündigung - tatsächlich wurden Steuern (Motorbezogene Versicherungssteuer), Abgaben (Elektrizitätsabgabe) und Gebühren (Führerschein, Reisepass) erhöht. Die Abgabenquote liegt auf einem historischen Höhepunkt. 45,8 Prozent des BIPs wird von den Steuerzahlern aufgebracht, der absolut überwiegende Anteil aus Lohn- und Massensteuern.
"Für Österreichs Bevölkerung wird es zu keiner weiteren Belastung kommen" erklärte Vize-Kanzlerin Riess Passer am 3. Juni. Dann folgten u.a. Studiengebühren, Wegfall der Mitversicherung etc. Wenn Du oder ich derartiges täten, würden wir als Lügner bezeichnet, aber schließlich handelt es sich ja hier um Regierungsvertreter.

"Entpolitisierung"

Nicht mehr der Einfluß der Parteien, sondern Experten sollten künftig in Österreich urteilen - so die vollmundige Ankündigung. Abgesehen davon, dass sich erfahrungsgemäß verschiedene “ExpertInnen” finden lassen, die auch gegensätzliches argumentieren, werden die wahren ExpertInnen, nämlich die Betroffenen, von der Regierung ohnehin nicht gefragt.
In der Praxis setzten ÖVP und FPÖ Vertreter und Freunde z.B. ins ORF-Kuratorium und in den ÖIAG-Aufsichtsrat. Besonders pikant: Mit Rodolphe Schoettel, Ehemann einer FPÖ-Nationalratsabgeordneten, wird ein Spediteur und damit Konkurrenten der Bahn in den ÖBB-Aufsichtsrat entsandt. Bei der Wohnbaugenossenschaft des Bundes BUWOG sitzen seit neuesten ein FPÖ-naher Immobilienmakler und der bekannte Gegner von öffentlichem Wonbau, Felderer im Aufsichtsrat - die Füchse im Hühnerstall sozusagen. Die RedakeurInnen des ORF wenden sich in einer Erklärung gegen die Versuche von Regierungspolitikern zu intervenieren.

(Un-)Anständige FPÖ

Besonders gern spielt sich die FPÖ als Partei der "Anständigen" und "Ehrlichen" auf. Abgesehen davon, wie "anständig" SSler sind (in Kärnten defilierte an Haider auch ein Banner mit dem SS-Spruch "Unsere Ehre heißt Treue" vorbei), so ist die FPÖ auch in der Vergangenheit schon wegen verschiedener Anständiger in die Medien geraten. Das Spektrum reicht von Bordellbesuch (Hilmar Kabas), Betrug (Peter Rosenstingl), Verdacht auf Steuerhinterziehung (Walter Meischberger) bis zur jüngsten Spitzelaffäre. Die FPÖ, die offensichtlich seit Jahren mit illegal abgefragten Datenmaterial und Falschmeldungen hantiert, um Gegner fertig zu machen, reagiert nun höchst empfindlich und verlangt nun “keine Vorverurteilungen”.

Wen wunderts?

Trotz der beliebig verlängerbaren Liste von 180-Grad-Wendungen wundert uns das nicht. Das ÖVP und FPÖ Parteien der Wirtschaft sind, die für eine Zerschlagung des Sozialstaates und für ein reaktionäres Gesellschafts- und Familienbild stehen, wußten wir schon vor dem 4. Februar. Und dass in einer Partei, die so schnell gewachsen ist wie die FPÖ, Mangel an Kadern herrscht und deshalb dubiose Gestalten bis in die Spitze kommen können und sich auch "alte" Mitglieder fragwürdiger Praktiken bedienen, ist nichts neues. All das zeigt nur, wie verrottet das System ist, in dem wir leben. Korruption, Verbrechen und Unehrlichkeit gehören zur Politik wie das Amen im Gebet.

Für eine andere Politik 

Wer glaubt, daß Fälle wie die Spitzelaffäre das "Problem FPÖ" lösen werden, irrt. Die FPÖ hat Rosenstingl & CO überlebt und wird, solange sie sich als Partei des "kleinen Mannes" präsentieren kann ohne, dass eine Alternative von Links dagegensteht, weiter stark bleiben. Aber letztlich drücken selbst die Stimmen für die FPÖ auch den Wunsch vieler Menschen nach einer "anderen" Politik aus. Für eine Politik, die wirklich eine Vertretung der Interessen von ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen darstellt, von einer, die nicht irgendwo in höheren Sphären schwebt, sondern weiß, was die Anliegen der "normalen" Menschen sind. Eine derartige Politik hat nichts mit dem zu tun, was die etablierten Parteien tun und kann nicht verwirklicht werden, solange sich Demokratie darauf beschränkt, alle paar Jahre ein Kreuz zu machen.
Echte Demokratie heißt, selbst aktiv zu sein, selbst mitzuentscheiden. Eine andere Politik heißt, das gewählte VertreterInnen nicht mehr verdienen dürfen, als die Menschen, die sie vertreten und auch jederzeit wieder abgewählt werden können. Solange es Geld ist, dass die Welt regiert, ist eine derartige Politik nicht möglich. Eine solche Veränderung ist eine tiefergehende. Die Produktion orientiert sich an Bedürfnissen, die ProduzentInnen entscheiden ebenso wie die MieterInnen, die SchülerInnen und die StudentInnen. Eine derartige Gesellschaft heißt Sozialismus - und dafür kämpft die SLP.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: