Kärnten ist überall möglich

Auf dem Weg zur Macht geht die SPÖ-Spitze weit - manchmal bis nach Klagenfurt
Albert Kropf

Seit Franz Vranitzky hatte die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ unter Jörg Haider ausgeschlossen. Diese Strategie schien zumindest bis 2000 als am besten geeignet, um den Machterhalt der Sozialdemokratie zu sichern. Trotz Sozialabbau und ausländerfeindlicher Gesetze wurde die SPÖ lange von vielen Gewerkschaftsmitgliedern und Jugendlichen als kleineres Übel gewählt. 1999 zerbröselte die SPÖ/ÖVP-Regierung letztlich doch am breiten Unmut über die neoliberale Politik der großen Koalition. Auf der Suche nach dem Weg zurück zur Macht scheint die SPÖ-Führung inzwischen auch für ein Arrangement mit dem Rechtsextremismus bereit.

Anbandeln mit dem Rechstextremismus: Kein Ausrutscher!

Noch bevor sich jetzt herausstellte, dass Parteichef Gusenbauer über die Koalitionsverhandlungen und deren Fortschritte laufend informiert war, wurde die historische Sonderrolle der Kärntner SPÖ als „Entschuldigung“ herausgestrichen. Natürlich stimmt es, dass besonders die Kärntner SPÖ immer schon am rechten Rand herumtümpelte und dort diese Koalition am wenigsten überrascht. Doch auf allen Ebenen existiert diesbezüglich eine Traditionslinie, an welche die SPÖ heute gegebenenfalls anknüpfen kann. Nach 1945 buhlte die SPÖ gemeinsam mit allen anderen Parteien um die Stimmen und Mitgliedschaft ehemaliger Nazis. Als sich der VDU, die Vorgängerpartei der FPÖ, gründete, wurde das von der SPÖ unterstützt und begrüßt. Taktischem Kalkül wurde der Vorrang gegenüber politischen Prinzipien gegeben. Schließlich glaubte man, mit einer weiteren Partei das bürgerliche Lager spalten zu können. Anfang/Mitte der 60er Jahre kam es zu einer weiteren Annäherung zwischen den beiden Parteien. Der damalige SP-Spitzenfunktionär und Gewerkschafter Franz Olah leitete 1.000.000,- Schilling aus der Gewerkschaftskassa zur FPÖ, um sie für eine kleine Koalition zu gewinnen. Einige Jahre später erkaufte sich die SPÖ die wohlwollende Duldung ihrer Minderheitsregierung, der nebenbei 4 ehemalige NSDAP-Mitglieder angehörten, durch die FPÖ. Der Preis war eine Wahlrechtsreform, welche die FPÖ begünstigte und ihren Verbleib im Parlament stärker sicherte (nachzulesen im „Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus“ S 330ff). Der Höhepunkt dieser Integrationsstrategie gegenüber dem „3. Lager“ war schließlich die kleine Koalition mit den Freiheitlichen 1983-1986. Dass die damalige „liberale“ Führung der FPÖ immer lediglich ein Feigenblatt für die rechtsextreme Mehrheit in dieser Partei gewesen war, zeigte sich schließlich 1986, als Haider zum FPÖ-Obmann gewählt wurde. Umgekehrt gab es auch immer SPÖ-Spitzenfunktionäre, die wenig inhaltliche Trennschärfe gegenüber dem Rechtsextremismus aufwiesen. Stellvertretend sei hier nur an den ehemaligen Welser Bürgermeister Karl Bregartner erinnert, der sich seine Amtszeit hindurch weigerte, Symbole der Waffen-SS und andere „Braune Flecken“ in Wels zu entfernen. Der Kampf gegen „Bre“ gipfelte darin, dass ein Antifaschist und SLP-Mitglied von Bregartner sogar geklagt wurde, während die SPÖ jahrelang tatenlos seinem Treiben zusah.

Der Aufstieg der FPÖ als ein Teil der Geschichte der SPÖ

Über dieses oft fragwürdige taktische Verhältnis zum Rechtsextremismus hinaus, besteht ein weiterer – langfristiger – Zusammenhang zwischen der Entwicklung der SPÖ und der FPÖ, der bis heute fortwirkt. Jörg Haider gelang es, in das politische Vakuum zu stoßen, das der Verbürgerlichungsprozess der Sozialdemokratie hinterließ. Je zynischer und ungenierter die SPÖ den Sozialabbau vorantrieb, desto stärker konnte Haider mit seinem Rechtspopulismus punkten und tief in ehemalige Kernschichten der SPÖ und ArbeiterInnenschaft vordringen. Diese Entwicklung erreichte in der 2. Hälfte der 90er Jahre ihren Höhepunkt. Die Mehrheit der ArbeiterInnen und Angestellte wählte nicht mehr die SPÖ, sondern die FPÖ. Die konkreten Erfahrungen mit der FPÖ an der Regierung machten dieser Entwicklung zwar vorläufig ein jähes Ende. Nun ist es aber die SPÖ-Führung selbst, die diese rechtsextreme Partei wieder verstärkt ins Spiel bringt. Wenn heute ArbeiterInnen und
Jugendliche – selbst wenn sie SPÖ wählen – keine Erwartungen mehr in die Sozialdemokratie setzen, haben sie damit völlig recht. Das offene Bündnis mit der Haider-FPÖ ist nicht nur ein fatales Zeichen. Es unterstreicht vor allem, dass die Sozialdemokratie inzwischen zu einer stinknormalen bürgerlichen Partei geworden ist, zu der eine sozialistische Alternative notwendig ist.

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