Herbstlohnrunde 2023 - Routine oder Kampf?

von Martina Gergits, Beschäftigte in der Automobilindustrie

Die Inflation hat Österreich und vor allem unsere Geldbörse stark im Griff. Im Schnitt braucht ein Haushalt circa 400€ mehr im Monat als 2021. Als Grundlage für die Herbstlohnrunden zieht die Gewerkschaft traditionell die rollierende Inflation (Durchschnitt der letzten 12 Monate) heran. Diese liegt bei 9,6% und damit über der aktuellen Inflation (7,5%).

Den Start macht die Metallindustrie. Die Gewerkschaft fordert +11,6% mehr Lohn, während die Unternehmensseite unter der Inflation abschließen will. Ein Hohn, denn seit 2021 verzeichnet die Metallindustrie Rekordjahre mit einem Produktionswachstum von 3,7% und einem Umsatz von über 43 Mrd. €. - ohne jegliche Zurückhaltung bei Gewinnausschüttungen. Die Zeichen stehen damit auf Kampf. Die Gewerkschaftsspitze darf sich hier nicht auf windige Deals einlassen und sich das Ergebnis mit "Freizeit-Optionen" und Bonuszahlungen schön rechnen!

Das Ergebnis der “Metaller” galt lange als richtungsweisend für folgende Kollektivvertragsverhandlungen, z.B. Sozialbereich (SWÖ) und Handel. Dies gilt in den letzten beiden Jahren nicht mehr. Die Metaller schlossen 2022 im Schnitt mit 7,4% ab, der SWÖ-KV mit 8,9%, und auch die Bahn, nach einem 24h-Streik, mit durchschnittlich 8,9% (allerdings auf zwei Jahre). Es zeigt sich dabei das Problem der Gewerkschaftsstrategie, jeden KV einzeln zu verhandeln, anstatt gemeinsame Forderungen aufzustellen.

Wir sind streikbereit!

Unter dem Motto "Preise runter - Löhne rauf" rief der ÖGB Ende September zu einer Menschenkette gegen die Teuerung auf, als Auftakt für die Herbstlohnrunden. Eine ähnliche Aktion - mit dem Motto “Preise runter” - organisierte der ÖGB bereits letztes Jahr. Die Anzahl der Teilnehmer*innen war schon 2022 überschaubar, die Mobilisierung blieb weit hinter der Demo gegen den 12h-Tag. Die Menschenkette dieses Jahr brachte noch viel weniger Menschen auf die Straße. Warum?

Damals wie heute fehlen konkrete Forderungen. Die Gewerkschaftsspitze verhält sich zögerlich, stellt keine branchenübergreifenden Forderungen auf, bleibt in ihrer alljährlichen Routine verhaftet und verhandelt jeden KV einzeln.

Letztes Jahr suchte die Wut der Beschäftigten ein anderes Ventil. Sie drückte sich auf betrieblicher Ebene aus. Im vergangenen Jahr sahen wir Streiks bei der Telekom, Brauereien, ÖBB, in Krankenhäusern, AUA und in der Erwachsenenbildung. Bereits im September sahen wir eine Fortsetzung dieser Entwicklung, als die Beschäftigten von Ardo in einen unbefristeten Streik traten.

Lebensnotwendige Bereiche wie Wohnen und Heizen werden “wegen der Inflation” teurer. Wenn aber Vermieter und Energiekonzerne eine automatische Anpassung bekommen, warum sollte das nicht auch bei Löhnen möglich sein? In Belgien ist die automatische Lohnanpassung bereits Realität. Aber um dies zu erkämpfen, reicht es nicht, jeden KV einzeln zu verhandeln. Es braucht branchenübergreifende Kämpfe dazu. Das Gleiche gilt für den Kampf für echte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich (damit man nicht dieselbe Arbeit in weniger Zeit leisten muss).

Metallindustrie, Handel und Sozialwirtschaft (SWÖ) verhandeln alle im Herbst ihre Kollektivverträge und umfassen gemeinsam 760.000 Beschäftigte. Teilen sich alle diese KVs branchenübergreifend Forderungen wie beispielsweise 500€ netto mehr für alle, und keiner der KVs wird abgeschlossen, bevor es nicht in allen erkämpft ist, baut das enormen Druck auf. Darüber hinaus hilft die Unterstützung der Metaller*innen, auch für eine dringende Ausfinanzierung im Sozial, Gesundheits- und Bildungsbereich zu kämpfen. Abgesehen davon, dass wir alle auch von einer guten Gesundheitsversorgung sowie Betreuung profitieren, hilft dieser Zusammenschluss beiden Seiten, den Forderungen Nachdruck zu verleihen.

 

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