Hallo Gewerkschaft, wo bist du?

"Frauenthemen" sollten eigentlich ganz "normale" Gewerkschaftsthemen sein.
Sonja Grusch, Bundessprecherin der Sozialistischen LinksPartei (SLP) und Gründerin der Kampagne “Nicht mit mir” (jetzt: ROSA)

Artikel aus der aktuellen ROSA-Zeitung (März 2022)

“Frauenthemen” sollten eigentlich ganz “normale” Gewerkschaftsthemen sein. Denn es geht um ordentliche Bezahlung (Stichwort Gender Pay Gap), um Arbeit ohne Übergriffe (Stichwort sexuelle Belästigung), um Arbeitszeit (Stichwort fehlende Kinderbetreuung) und um den Sozialbereich (Stichwort Pflege zu Hause durch Angehörige). Aber es scheint eher so, als ob sich die Gewerkschaften zwar immer wieder dazu äußern (meist rund um den 8. März als wäre es eine Pflichtübung) aber ansonsten eher weniger aktiv sind. Die Gewerkschaften haben auch eigene Frauenabteilungen und sogar Frauenkonferenzen: doch auch hier hat es eher den Eindruck als ob das ganze mehr symbolisch wäre.

Dabei sind über 40 % aller Beschäftigten Frauen. Gerade in Bereichen die unter Corona als “systemrelevant” erkannt wurden stellen Frauen in der Regel sogar die Mehrheit: Gesundheit, Bildung, Handel. Also müssten die Gewerkschaften doch eigentlich alle Themen die Frauen betreffen als ihre Kernthemen verstehen. Sie haben doch die Aufgabe, Beschäftigte zu vertreten, ihnen gegen miese Bezahlung, gegen Stress im Job, gegen ungerechte Behandlung und unangenehme Arbeitssituationen zu helfen. Und von all dem sind Frauen ja besonders betroffen: sind es doch “Frauenjobs” die besonders niedrig bezahlt sind, sind Frauen mit übergriffigen Chefs konfrontiert und müssen, am besten noch mit einem netten Lächeln auf den Lippen, Job und Familie “nebenbei” und easy meistern. Das bei all diesen Themen wenig bis nichts von bürgerlichen Feminist*innen zu erwarten ist, ist klar: sie wollen einfach mehr der lukrativen Jobs in Politik und Wirtschaft für sich um dann andere - Frauen und Männer - besser ausbeuten zu können.

Aktivist*innen von ROSA und der SLP haben daher auch immer wieder das Thema Frauenrechte in die Gewerkschaften getragen. So z.B. mit einem Antrag an das “Bundesforum” (also die Konferenz) der größten Einzelgewerkschaft, der GPA. Ziel ist es, das Thema Frauenarbeit von der symbolische auf die kämpferische Ebene zu bringen. Dabei geht es natürlich auch darum, das Thema präsenter in den Gewerkschaften zu machen. Schließlich haben diese jede Menge eigener Medien wie Zeitungen und Social Media, die sie da nutzen können. Warum nicht regelmässig über das Thema Gewalt gegen Frauen und Proteste dagegen (wie jüngst ein Streik im Spanischen Staat bei Mercedes) berichten, anstatt Kochrezepte abzudrucken? Auch in den Schulungen für Betriebsrät*innen und Personalvertreter*innen muss Thema sein, welche Rechte und Möglichkeiten es gibt, um Kolleg*innen zu helfen. Streiks und Walkouts gegen Sexismus in Schottland und den USA z.B. zeigen, dass das möglich ist. Insgesamt geht es um eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen und für gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die ein unabhängiges Leben ermöglichen. Die Antragsstellerinnen - Betriebsrätinnen aus dem Sozialbereich - erklären u.a.: “Der 8. März 2022 wird stark geprägt sein von den Erfahrungen mit Corona und der Wirtschaftskrise. Es ist Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung, diesen Kampftag zu einem zentralen Termin für die gesamte Arbeiter*innenbewegung zu machen. Denn Frauenrechte sind von zentraler Bedeutung für die gesamte Gewerkschaftsbewegung!” Die Verbindung zu den KV-Verhandlungen, speziell in den “Frauenbranchen” wo es ohnehin gärt, ist nötig und offensichtlich. Der Antrag fordert daher auch: “Organisierung eines gewerkschaftlichen Protests am 8. März 2022 in Form von öffentlichen Betriebsversammlungen bzw. Streiks für Frauenrechte mit gemeinsamen Demonstrationen in allen Landeshauptstädten.” Tatsächlich sind ja die Beschäftigten gerade im Gesundheitswesen, in der Pflege, im Bildungsbereich, in der Kinderbetreuung, im Handel etc. nicht nur überarbeitet, sondern auch stinksauer. Im Gegensatz zu dem was die Gewerkschaftsführung oft behauptet, sind viele Kolleg*innen hier auch streikbereit und haben verstanden, dass noch mehr Bitten auch nicht mehr bringt. ROSA unterstützt daher die Kampagne “Streikbereit” der Basisintiative “Sozial, aber nicht blöd”. ROSA-Aktivist*innen mobilisieren für Streiks und Walkouts am 8. März an Schulen, aber auch in Betrieben. Wir verlangen, dass die Gewerkschaft endlich aktiv wird und nicht nur Pressetermine zum 8. März organisiert - solange die Gewerkschaftsspitze das nicht macht, müssen wir es an der Basis selbst machen!

 

Die ganze ROSA-Zeitung findest du hier: