Gewitterwolken am blauen Himmel

Die Regierungsbeteiligung hat der FPÖ viel Macht gebracht – aber auch ihre inneren Widersprüche verschärft.
Sebastian Kugler

Nicht einmal 100 Tage im Amt und schon die erste Anzeige wegen Amtsmissbrauch und ein Misstrauensantrag – da wäre sogar Trump beeindruckt. Schon in den ersten Regierungsmonaten knirscht es heftig um und innerhalb der FPÖ. Es ist ein Mythos, dass die Rechten immer zusammenhalten. Die FPÖ ist die Parlamentspartei, die sich mit Abstand am öftesten gespalten hat: Die neonazistische NDP, das Liberale Forum, das BZÖ, und zuletzt die FLÖ rund um Ex-FPÖ Größen wie Schnell und Rosenkranz. Dazu kommen unzählige kommunale Spaltungen. Das ist kein Zufall. Die FPÖ ist ein widersprüchlicher Haufen: Da gibt es ideologisch gefestigte deutschnationale Burschenschafter wie Infrastrukturminister Hofer. Sie bilden das organisatorische Rückgrat und sind als Kaderschmiede unverzichtbar. Die Ultrarechten sind aufgrund ihrer Ideologie jedoch (noch) nicht das bevorzugte Regierungspersonal der Superreichen. Die FPÖ muss sie also in Schach halten, um die Gunst des Kapitals nicht zu verlieren, gerade angesichts der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft.

Die Blut-und-Boden-Ideologie vermischt sich mit jener neoliberaler TurbokapitalistInnen wie der neuen ÖBB-Aufsichtsrätin Kolm. Das kann zusammengehen – so spielt etwa der Burschenschafter Haimbucher im neoliberalen Think Tank Atterseekreis eine zentrale Rolle. Es wimmelt aber auch nur so vor KarrieristInnen und OpportunistInnen. Einheitliches Vorgehen wird so immer schwieriger, das zeigt die Entmachtung von Sozialministerin Hartinger-Klein. Sie wollte FPÖ-WählerInnen nicht durch allzu brutale Angriffe gegen Arbeitslose vergraulen – doch der neoliberale Flügel pocht auf Vollgas. Hier liegt wohl die größte Sprengkraft: Viele haben die FPÖ auch gewählt, weil sie auf soziale Verbesserungen gehofft hatten. Bereits jetzt beginnen Zehntausende, ihren Irrtum zu erkennen. Schadenfreude darüber ist Fehl am Platz. Nur der konsequente Kampf gegen die Angriffe der Regierung und der Aufbau einer echten, antirassistischen Alternative, die die soziale Frage ins Zentrum rückt, kann die FPÖ langfristig besiegen.

 

Es braut sich viel zusammen

„Burschenschaften haben mit der FPÖ nichts zu tun“ verkündete Strache unter Druck der Öffentlichkeit im Jänner. Die zahlreichen Burschenschafter in zentralen Machtpositionen in Partei und Staat hören das nicht gern. Sie betrachten Strache mit zunehmendem Misstrauen. Sie dulden ihn, solange er ihnen nützt. Sollte er sich weiter „anpassen“, ist es möglich, dass sie gegen ihn in die Offensive gehen.

„Direkte Demokratie“ war lange ein Schlagwort der FPÖ. Ihre Begeisterung dafür ist merklich abgekühlt, denn „Don‘t smoke“ und das Frauenvolksbegehren richten sich gegen ihre Pläne. Die trügerische Hoffnung vieler auf mehr Mitbestimmung durch „direkte Demokratie“ wird enttäuscht werden: Selbst wenn es mehr zum Abstimmen geben sollte – über Fragestellung und Umsetzung entscheiden immer noch die Herrschenden.

Die FPÖ versucht, zuerst MigrantInnen und Arbeitslose anzugreifen, um den Boden für noch allgemeinere Kürzungen zu bereiten. Die Hetze kann durch Selbstorganisierung der Betroffenen bekämpft werden: Wenn sich die Sündenböcke auf die Füße stellen, können sie aufzeigen, wer wirklich an den Missständen schuld ist. Dafür braucht es aber auch breite Unterstützung, vor allem durch die Gewerkschaften. Das ist auch im Interesse jener, die noch nicht direkt in der Schusslinie sind: Wer heute nicht von Kürzungen betroffen ist, wird es morgen schon sein – wenn sie nicht gestoppt werden. Es braucht deswegen von Anfang an einen allgemeinen Kampf gegen die Agenda dieser Regierung: mit Organisierung in unseren Vierteln und Betrieben, mit Straßenmobilisierungen und mit Streiks

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