Erholung der US-Wirtschaft: Wie stark, wie lang?

Die US-Wirtschaft scheint den Boden der Rezession Mitte des Jahres erreicht zu haben - nun scheint es so, als ob es den Beginn einer Erholung gäbe, zumindest was das BIP-Wachstum angeht. Für die ArbeiterInnen wird die Rezession allerdings weitergehen und sich sogar intensivieren. Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen, während die Löhne unter Druck sind. Für den US-Kapitalismus war dies die längste Rezession seit den 1930ern (von Dezember 2007 bis Juli 2009, über 18 Monate). Der angehäufte Verlust an Output seit Beginn 2008 beträgt 3,55% (zum Vergleich der OECD-Durchschnitt: minus 4,7%).

Die vorläufigen Zahlen für das 3. Quartal 2009 deuten ein BIP-Wachstum von 3,4% an. Es hat außerdem eine Wiederbelegung an den US-Börsen gegeben und einige der großen Banken haben unlängst angekündigt, dass sie zur Profitabilität zurückgekehrt sind. Viele werden ihren Bossen riesige Jahres-Boni zahlen - Goldman Sachs plant zum Beispiel 21 Milliarden Dollar an Boni auszuzahlen. Das wird die Wut auf die BankerInnen, die die meisten Menschen für schuld an der Krise halten, verstärken.

Es gab keine Feierstimmung im Weißen Haus als die Zahlen für das 3. Quartal verlautbart wurden. "Das Weiße Haus war mehr in Grabesstimmung denn in Feierlaune - und passt sich damit der Meinung der WählerInnen an," kommentiert Edward Luce (Angry Americans Feel They Are Still in Slump, Financial Times, 29. Oktober).

Tatsächlich sind die Arbeitslosenzahlen auf über 10% gestiegen, mehr als 16 Millionen. Wenn man allerdings die ArbeiterInnen in Kurzarbeit, Teilzeit und die neu in den Arbeitsmarkt eingetretenen Menschen einschließt, liegt die tatsächliche Zahl bei etwa 17%. Mehr als acht Millionen Jobs sind im Laufe der Rezession verloren gegangen. Dies war das erste Mal seit der Großen Depression in den 30er Jahren dass eine Rezession das gesamte Plus an Jobs des vorangegangenen Wirtschaftszyklus ausgelöscht hat. Alles weist darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit einige Jahre lang steigen wird selbst wenn das Wachstum anhält.

Der Anteil der Langzeitarbeitslosen steigt, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50%. EineR von neun ArbeiterInnen lebt mittlerweile von Lebensmittelmarken.

Während das BIP-Wachstum im 3. Quartal wieder angesprungen ist, fielen die Realeinkommen um 3,4%. Sowohl die Produktivität wie auch die Profitabilität der Unternehmen sind durch "ungwöhnlich aggressive Kostenkontrolle" gestiegen. (New York Times Leitartikel, 27. Oktober) Kostenkontrolle bedeutet weniger Jobs, niedrigere Löhne und eine Intensivierung der Arbeit.

Der Hauptfaktor für dieses Wachstum war eindeutig die Intervention der Regierung und US-Notenbank durch das Konjunkturpaket und die finanzielle Unterstützung für Häuselbauer und den Immobiliensektor. Die Abwrackprämie hat die Zahlen bei den Autoverkäufenauf über 20% gehoben (allerdings hat das nicht massiven Jobabbau und Lohnkürzungen in der US-Autoindustrie verhindert). Dieses Programm hat alleine für 1,9% von den 3,4% Wachstum im dritten Quartal gesorgt. Der Rest ging darauf zurück, dass Unternehmen ihre Lagerbestände neu aufgebaut haben, die bereits auf sehr niedrigem Niveau lagen. Die Obama-Regierung behauptet, dass das Konjunkturpaket zwischen 3 und 4% des BIP-Wachstums ausmacht. In anderen Worten, ohne das Paket würde es immer noch ein Negativwachstum geben. Aber das Konjunkturpaket hat vermutlich nur weniger als eine Million Jobs gerettet.

Es gab auch eine Erholung auf den Immobilienmärkten, allerdings macht dieser Sektor nun nur noch 2,4% des BIPs aus - im Unterschied zu den 6,3% Ende 2005. Die Verkäufe gingen nach oben, zumindest kurzfristig, durch die 8000 Dollar Kredite für Erst-Hauskäufer und durch die Unterstützung der US-Notenbank für den Hypothekenmarkt (durch den Ankauf von strukturierten Papieren und besicherten Krediten - sie hat damit die Rolle der Banken übernommen).

Das auf zwei Jahre veranschlagte Konjunkturpaket steht aber bereits bei der Hälfte seiner Laufzeit. Es sind geschätzte 291 Milliarden Dollar übrig die in Infrastruktur und Hilfe an die Bundesstaaten gesteckt werden können, wobei 150 Milliarden Dollar noch für Steuersenkungen vorgesehen sind. Die große Frage ist, wird das Wachstum anhalten wenn das Konjunkturpaket ausgelaufen ist? Viele bürgerliche Kommentatoren haben ihre Zweifel. In einem Leitartikel (The Case for More Stimulus) kommentiert die Financial Times: "Ohne eine weitere Runde von Konjunkturanreizen durch den Staat wird die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit wahrscheinlich bestenfalls nur zur schwächsten Erholung der Nachkriegszeit." (27. Oktober) Der Artikel hat zu weiteren Konjunkturmaßnahmen aufgerufen.

Die Erholung an den Börsen seit Jahresbeginn bedeutet keineswegs eine gesunde Wirtschaft. Die großen Banken und Finanzhäuser haben Unmengen an Geld durch die Geldspritzen der US-Notenbank (im Prinzip hat dieses die Geldpresse angeworfen um mehr Kredite an Banken zu ermöglichen). Die Banken sind allerdings nach wie vor sehr zurückhaltend was die Kredite an Unternehmen (besonders an mittlere und kleine) angeht. Mehr und mehr ihrer Geldreserven wird daher in die Börsen gesteckt, wo sie höhere Renditen bekommen als wenn sie das Geld bei der Notenbank deponieren oder in Staatsanleihen anlegen. Hier entsteht eine weitere Blase und sie wird wahrscheinlich sehr bald platzen.

Keines der tiefer liegenden Probleme des US-Kapitalismus wurde gelöst. Ob es stabiles Wachstum gibt, wird davon abhängen ob der Privatkonsum, der mehr als 70% des BIP in den USA ausmacht, wieder anspringt. Wachsende Arbeitslosigkeit, gedrückte Löhne und ein riesiger Schuldenberg wird die Konsumausgaben in den nächsten Jahren drosseln. Steigende Hauspreise werden diesmal kein Ausweg sein.

Der Fall des Dollars macht US-Exporte auf dem Weltmarkt billiger. Allerdings hat die Deindustrialisierung der letzten Periode die Fähigkeit des US-Kapitalismus, seine Marktanteile bei Industriegütern zu steigern, geschmälert. Eine Rückkehr zu Wachstum wird, wenn es stabil sein soll, ein erneutes Ansteigen des US-Handelsdefizit und seiner Verschuldung gegenüber dem Rest der Welt bedeuten.