Elysium: nicht Science Fiction, sondern Realität

Filmkritik
Brettros

Elysium, ein Science-Fiction Film mit Matt Damon und Jodie Foster, spielt im Jahr 2154. Im Zentrum des Films steht Max da Costa (gespielt von Damon), ein Fabriksarbeiter, der in den Ruinen des zukünftigen Los Angeles lebt. In dieser Zukunft haben sich die Reichen und Wohlhabenden auf eine Raumstation namens Elysium zurückgezogen um die Armut, Krankheit und Umweltzerstörung, die sie dem Planeten aufgebürdet haben, hinter sich zu lassen. Sie leben in einer idyllischen Blase, fernab des Überlebenskampfes der Armen auf der Erde.

Die reichen BewohnerInnen von Elysium werden von Verteidigungsministerin Jessica Delacourt (Foster) beschützt, die nicht davor zurückschreckt die Welt der Reichen mit Gewalt von den Armen abzuschirmen. Bereits früh im Film autorisiert sie ihren Söldner Kruger, der auf der Erde stationiert ist, mögliche MigrantInnen die nach Elysium unterwegs sind, zu töten. Sie versucht auch, die Macht in Form der Kontrolle über die Polizeiroboter, die auf der Erde und Elysium für Recht und Ordnung sorgen, an sich zu reißen.

Max ist ein ehemaliger Krimineller, der sich mit dem Lohn aus seinem Fabrikjob über Wasser zu halten versucht. In der Fabrik baut er dieselben Polizeiroboter, die seiner eigenen Unterdrückung dienen. In einer Szene, die jedeN FabrikarbeiterIn zusammenzucken lässt, wird Max von seinem Vorarbeiter dazu angehalten, einen abgeschlossen Raum mit radioaktiver Strahlung ohne Sicherheitsvorkehrungen zu betreten. Dabei wird er mit einer tödlichen Dosis verstrahlt – ihm bleiben nur fünf Tage, bevor er stirbt. Seine einzige Chance ist es, eines der hightech-medizinischen Geräte zu erreichen, die jede nur erdenkliche Krankheit in Sekunden heilen kann. Das Problem ist, dass diese Maschinen, genannt Med-Pods, nur in Elysium existieren. Und Max muss einen Deal mit dem Gangster Spider eingehen, um dorthin zu gelangen.

Regisseur ist Neill Blomkamp, dessen erster großer Film District 9 war, der von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. District 9 behandelt Fragen von Migration, Apartheid, Rassismus, soziale Separation und den Militär-Industrie-Komplex anhand von in Ghettos isolierten Aliens im modernen Südafrika als Hintergrundhandlung. (Hier eine Rezension von Socialist Alternative, CWI-UnterstützerInnen in den USA: http://www.socialistalternative.org/news/article21.php?id=1141

Elysium nutzt wie District 9 das Science Fiction Genre um soziale Themen zu beleuchten. Aber anstatt Menschen die die Aliens unterdrücken und ausbeuten, sind es nun die Superreichen, die die große Mehrheit unterdrücken. Auf die Frage, ob Elysium seine Vision der Welt in 140 Jahren ist, antwortete Blomkamp: „Nein, Nein, Nein. Das ist nicht Science Fiction. Das ist heute. Das ist jetzt.“

Und das ist genau der Punkt: Das zukünftige Los Angeles, ein Höllenloch menschlichen Leids, wurde in den Slums von Mexiko City gefilmt – im hier und heute. Jeder der Mexiko City, Rio de Janeiro oder jede beliebige andere Megacity in der neokolonialen Welt gesehen hat, weiß das das hier die Realität für die Mehrheit der Armen in den Städten der Welt ist.

Die massive Kluft zwischen Arm und Reich, obwohl sie in einer Zukunft angesiedelt ist, ist keine Zukunftsvision. Sie ist die Realität eines Kapitalismus in der Krise. Wir leben in einer Welt in der die Einkommenskluft in den USA zwischen Vorständen bzw. Geschäftsführung und ArbeiterInnen in den letzten 63 Jahren um 1000% gewachsen ist (Quelle: Bloomberg, 30.4.2013); in der Menschen mehr als 70 Stunden wie Woche arbeiten müssen um mit dem Mindestlohn zu überleben, in der hunderttausende MigrantInnen jedes Jahr abgeschoben und Familien auseinandergerissen werden, in der die Reichen die beste Gesundheitsversorgung in der Welt bekommen, während die Armen ohne Gesundheitsversicherung auskommen müssen oder Unmengen zahlen müssen, um zumindest minimale Versorgung zu erhalten.

Im Unterschied zu ähnlichen Filmen macht Elysium nicht mal den Versuch eine menschliche Seite der Reichen und Mächtigen zu zeichnen. Sie erscheinen entweder als unwissend über das unmenschliche System der Ungleichheit und Ausbeutung von der sie profitieren dargestellt, oder in dem bewussten Versuch, dieses System aufrecht zu erhalten und zu verteidigen. Als eine Gruppe von Kriminellen versucht, einen reichen Unternehmensboss zu kidnappen, hat man als Zuseher kein Mitgefühl mit ihm – es ist der selbe Boss der die Fabrik führt, die de facto Max getötet hat.

Aber die herrschende Klasse wird gleichzeitig nicht als homogene Masse dargestellt, sondern auch in ihren unterschiedlichen Fraktionen. Während Präsident Patel Verteidigungsministerin Delacourt zurückpfeift, da sie mit offener Gewalt gegen die ImmigrantInnen vorgegangen ist, hat Hardlinerin Delacourt wesentlich weniger Skrupel, wenn es darum geht "Elysiums Kinder zu schützen". Sie schreckt auch nicht vor einem Putsch gegen den aus ihrer Sicht "zu weichen" Präsidenten zurück.

Beide werden aber recht akkurat in ihrem Bestreben, MigrantInnen aus Elysium fern zu halten porträtiert – mit dem Unterschied, dass Patel sein humanitär-liberales Image aufrecht erhalten will. Die Abschiebungen sollen sauber und ohne viel Aufsehen ablaufen, wenn es nach ihm geht. Patel repräsentiert jenen Flügel der herrschenden Klasse, der in Obama, den Demokraten oder auch Sozialdemokraten wie Faymann seinen Ausdruck findet. Bei Delacourt fühlt man sich umgekehrt an Hardline-Abschiebungsministerinnen wie Mikl-Leitner und Fekter erinnert.

Leider ist es keine Revolution von unten, in der die Massen die Bühne betreten, die wir hier sehen, sondern eine Art Guerilla/Hacker-Coup, in dem eine kleine elitäre Truppe von HackerInnen mit humanitärem Anspruch per Reboot die Macht übernimmt. Schön wärs, wenns so einfach ginge. Ausgespart wird außerdem die Reaktion der herrschenden Klasse (denn da endet der Film bereits). Dennoch werden Maßnahmen wie erstklassige Gesundheitsversorgung für alle sowie Legalisierung aller MigrantInnen umgesetzt – zwei Forderungen, die an sich für Hollywoodverhältnisse bereits revolutionär sind.

Das für einen Hollywood-Blockbuster ungewohnte Ende drückt vielleicht auch Ansätze eines veränderten Bewusstseins in den USA aus, mit einer Stimmung die nach universeller Gesundheitsversorgung schreit und für sozialistische Ideen offen ist. Was der Film nicht zeigt, ist, welche Kraft, welche Bewegung notwendig wäre, um diese Forderungen umzusetzen.

Das mag damit zu tun haben, dass es einfacher ist Matt Damon mit seinem Cyborg-Skelett als Stellvertreter-Helden und Retter der Armen zu filmen als die mühsame Arbeit der Organisierung der Armen und ArbeiterInnen zu zeigen, die nötig ist, um den Kapitalismus zu stürzen. Der Film nennt das Kind zwar nicht beim Namen, aber es ist offensichtlich, dass der Kern des Problems das kapitalistische System ist. Es ist ein System, in dem die kurzfristigen Profite mehr zählen als die Umwelt oder die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen. Es muss gestürzt werden, wenn wir wirkliche Gleichberechtigung und Veränderung wollen. Nur die internationale ArbeiterInnenklasse im vereinten Kampf gegen dieses System kann das ermöglichen.

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