Die wahren Privilegienritter

PolitikerInnen aller Lager sind groß beim Schimpfen auf die KollegInnen bei Eisenbahn, Post und in den Ämtern. Selber halten sie die Hand auf, wo’s nur geht!
von Laura Rafetseder, SLP Wien Mitte

Seit Jahren wird von Regierung und Medien gegen die angeblichen Privilegien von EisenbahnerInnen, LehrerInnen und BeamtInnen gehetzt, um Kürzungen bei diesen Gruppen der Bevölkerung durchzusetzen. Diejenigen, die tatsächlich kassieren, kommen dabei ungeschoren davon. Wie zum Beispiel Finanzminister Grasser, der trotz seiner zahlreichen Affären nicht belangt wurde. Grasser ist immer noch im Amt und spart munter weiter: Laut Budgetentwurf 2005/ 2006 sollen etwa im Plichtschulbereich 30 Millionen Euro eingespart werden. Das Gesundheitssystem – angeblich nicht mehr leistbar. Warum soll bei uns gekürzt werden, wenn Wirtschaft und Politik, wenn's um ihr eigenes Geld geht, auf einmal großzügig sind?

Wer ist hier privilegiert?

Die Liste von Beispielen ist lang. EU Abgeordnete verdienen 7.537 Euro brutto monatlich, 14 Mal im Jahr. Während ArbeitnehmerInnen durch Pensionsreform und Harmonisierung auf bis zu 20% ihrer Pension verzichten müssen, zahlen EU Abgeordnete nur ein Drittel ihrer Pensionsversicherungsbeiträge selbst, zwei Drittel der monatlichen Beiträge zahlt das Parlament. Wer drei Jahre einzahlt und 60 Jahre alt ist, kann Pension beziehen. Die Krankenversicherung, der jede/r EU-Mandatar-In automatisch angehört, deckt oft mehr Leistungen als die nationalen Versicherungen, z. B. bei Brillen oder Zahnersatz. Jede/r Abgeordnete, ihr/sein EhepartnerIn und ihre/seine Kinder können für diese Leistungen bis zu 80 Prozent vom Parlament refundiert bekommen. Auch Hans Peter Martins Mitstreiterin Karin Resetarits nimmt die eigenen Wahlversprechen nicht mehr so genau. Sie fand zuletzt ein einheitliches Gehalt für EU-Abgeordnete von 7.000 Euro im Monat durchaus angemessen! Und noch einmal das Beispiel Grasser: Auf Anweisung von Generaldirektor Vagn Sörensen durften Grasser und Freundin in der komfortablen Business Class Platz nehmen, obwohl nur zwei Economy-Flüge gebucht und bezahlt worden waren. Die Preisdifferenz für beide Tickets machte rund 1.300 Euro aus, die sich Grasser somit “sparte”. In Deutschland ist es Gang und Gebe, dass PolitikerInnen auf den Gehaltslisten von Konzernen stehen. Ist es da ein Wunder, dass Politik im Sinne der Unternehmen gemacht wird?

Arroganz und Abgehobenheit der etablierten Parteien

Wenn es um ihr Geld geht, sind sich die PolitikerInnen aller Parteien erstaunlich einig: Ihr Job sei undankbar und unterbezahlt, keiner mag sie und in der Wirtschaft seien die Verdienstmöglichkeiten ungleich größer. Die Grenzen zwischen den Parteien verschwimmen dabei, überdurchschnittlich gut verdienen sie nämlich alle. Dabei wissen manche PolitikerInnen nicht einmal, wie viel eine Wurstsemmel kostet, geschweige denn, welche Konsequenzen ihre Sparpolitik hat. Logisch, denn sie selbst sind von den Kürzungen ja dank Zusatzversicherungen ausgenommen. Und da sollen wir sie auch noch cool finden? Wenn PolitikerInnen ihren Job verlieren, müssen sie sich in der Regel keine Sorgen über Arbeitslosigkeit machen. Sie bekommen dann nämlich entweder eine großzügige “Entschädigung” oder gut dotierte Jobs in der befreundeten Wirtschaft.

FacharbeiterInnenlohn für FunktionärInnen

Wir sind der Meinung, dass von ArbeitnehmerInnen gewählte FunktionärInnen nicht mehr als einen FacharbeiterInnenlohn verdienen sollen. Das gilt besonders auch für VertreterInnen der ArbeiterInnenklasse. Wie sollen die Interessen von ArbeitnehmerInnen vertreten werden, wenn unsere VertreterInnen mehr verdienen als diejenigen, deren Interessen sie vertreten sollen? ÖGB Präsident Verzetnitsch hat von seinem Einkommen her mehr mit Wirtschaftskammerpräsident Leitl gemeinsam als mit der durchschnittlichen Supermarktskassierin. Kein Wunder, dass die ÖGB-Bürokratie nicht wirklich ein Interesse an Streiks und Kampfmaßnahmen hat.
Es ist ein Märchen, dass PolitikerInnen gut bezahlt sein müssen, um unabhängig und unbestechlich zu sein. Ganz im Gegenteil. Joe Higgins, Parlamentsabgeordneter der Socialist Party, der Schwesterpartei der SLP in Irland, spendet alle Bezüge, die über den durchschnittlichen FacharbeiterInnenlohn hinausreichen, für politische Arbeit – im Gegensatz zu den korrupten, gut bezahlten PolitikerInnen der etablierten Parteien in Irland.

Es ist das System

Ungerechtigkeit ist Teil des kapitalistischen Systems. Im Kapitalismus gibt es eine kleine Schicht von Reichen. Die breite Masse ist die darauf angewiesen, zu arbeiten, um sich selbst zu erhalten. Mit der wirtschaftlichen Krise und der steigenden Arbeitslosigkeit werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Während laut einer Studie der Arbeiterkammer die Gewinne der österreichischen Unternehmen seit 1995 um 44% gestiegen sind, blieben die Löhne und Gehälter um mehr als die Hälfte zurück. Wirkliche soziale Gerechtigkeit wird auf Dauer nur durch einen Bruch mit dem Kapitalismus möglich sein – in einer sozialistischen Gesellschaft. In einer solchen Gesellschaft würde die Produktion demokratisch gemeinsam von den Menschen in den Betrieben geplant und verwaltet, und gewählte VertreterInnen dürften nicht mehr als einen FacharbeiterInnenlohn beziehen.

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